*FS* Die Geschichte

Maggy79

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*FS* Die Geschichte (Beendet)

Hallo Ihr Lieben,

ich habe hier im Forum so viele tolle Fotostorys gelesen, dass es mich überkam und ich auch eine machen musste :)

Die Story die ich schreibe, beinhaltet eigentlich zwei Geschichten die mir sehr am Herzen liegen.
Es mag sein dass manche Teile der Geschichte dem Einen oder Anderen bekannt vorkommt aber dazu kommen wir später (viel Später *gG*)

Vorspann
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11 (NEU)




So dann mag ich nun mal mit dem "Vorspann" beginnen :

Die Geschichte

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Ruckartig setzte ich mich in dem Bett auf und schaute mich um.

Schweisgebadet und noch ganz aus der Puste schaute ich mich um.

Im ersten Moment wusste ich gar nicht wo ich war, doch langsam kam es mir wieder.

Ich war im Universitäts Krankenhaus von Sim Antonio.

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Hier war ich schon seit einigen Wochen, seit dem Tag wo ich in der Schule zusammengerochen bin und ich mit Blaulich hier her gebracht wurde.
Hier roch es ein wenig streng nach Desinfenktions Mitteln, aber daran gewöhnt man sich schnell.

Hier auf dieser Krankenstation waren mehrere Kinder, doch sie waren alle anders als ich.

Sie alle hatten etwas was ich nicht hatte. Eltern.

Natürlich habe ich Eltern, irgendwo. Jeder wurde schließlich zur Welt gebracht, nur dass mich meine Eltern nicht wollten.


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Man fand mich in einem Park unter einem blühenden Kirschbaum.

Soweit es mir erzählt wurde kam ich dann in ein Heim.


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Öffters waren Nette Leute gekommen und hatten sich einige Kinder bei uns angeschaut.

Manche Kinder aus dem Heim kamen dann zu Pflegefamilien oder wurden sogar abdoptiert.

Aber mich wollte niemand.
Vor einem Jahr hat man mir gesagt dass ich nicht ganz gesund sei und nun Medikamnte nehmen musste, da fing eine schreckliche Zeit für mich an. Diese Tabletten waren zum Teil so gross dass ich diese kaum schlucken konnte. Meine Gelenke fingen an mir weh zutun, schon bei ganz kleinen Sachen. Sport konnte ich schon nicht mehr mitmachen. Und nun bin ich vor fünf Wochen in der Schule zusammengebrochen.


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Seit dem bin ich hier.

Aber zum Glück bin ich nicht ganz alleine Tante Elizabeth kommt mich manchmal besuchen und erzählt mir immer so schöne Geschichten. Jedes mal wenn sie anfägt zu erzählen dann Tauche ich in eine andere Welt.

In eine Welt wo alles wunderschön ist und niemand mehr alleine sein muss.


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Tante Elizabeth hatte ich hier in dem Krankenhaus kennengelernt, als ich in meinem Rollstuhl saß und darauf wartete geröngt zu werden.

Wir unterhielten uns für eine Weile, mir kam es vor als ob ich sie schon ewig kennen würde. Sie hat so eine schöne weiche und warme Stimme, da muss man einfach hinhören.

Seit dem Tag kam sie mich fast jeden Tag besuchen.

Tante Elizabeth wurde schon nach einer Woche entlassen, doch sie kam mich immer besuchen um mir ihre Schönen Geschichten zu erzählen.


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Sie erzählte mir auch von sich. Dass sie nun ganz alleine in einem Grossen Haus wohnt. Und wie gerne sie doch so eine kleine Enkelin hätte. Doch leider hat sie keine Kinder, und nun seit ihr Mann nicht mehr lebt sei sie ganz alleine. Daher kam sie sehr gerne mich besuchen.

Tante Elizabeth ist eine Ganz besondere Freundin. Ich habe sie sehr gerne und wenn ich aus dem Krankenhaus raus komme dann gehen wir zusammen Eis essen hatte sie mir vesprochen.

Und nun warte ich wieder auf Tante Elizabeth...
Gelangweillt schaue ich zum Fenster, wie jeden Tag warte ich bis es Abend wird, denn heute abend kommt Tante Elizabeth zu mir, ich kann es gar nicht mehr abwarten bis sie kommt.

Draussen vor der Tür hört man die anderen Kinder lachen und spielen.

Manchmal wenn ich sie höre werde ich ganz Traurig, da wünsche ich mir auch eine nette Familie zu haben, oder Freunde die mich beschen kommen. Aber nun habe ich ja eine Freundin.

Leise klopft es an meine Zimmertür, voller Freude rufe ich >Herein< und da ist sie endlich, Tante Elizabeth.

„Na kleine Saskia? Wie geht es dir denn heute?“ – „Jetzt wo du da bist geht es mir schon viel besser, Tante Elizabeth. Erzählst du mir heute wieder eine Geschichte?“

Tante Elizabeth lacht und setzt sich neben mein Bett, „natürlich habe ich dir heute wieder eine Geschichte mitgebracht“



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„Doch diesmal wird es nicht eine kleine kurze Geschichte sein, diese Geschichte wird ein wenig länger sein und jeden Abend werde ich dir einen kleinen Teil erzählen, bis du einschläfst“ gespannt und hoch erfreut schaue ich zu Tante Elizabeth, eigentlich warte ich schon ganz gespannt auf die Geschichte die sie mir diesmal erzählen möchte.

Tante Elizabeth stellt sich eine Tasse Pfefferminz Tee auf meinen Nachtisch und macht es sich bequem.

Mit grossen Augen schaue ich sie an und warte gespannt bis sie anfängt zu erzählen, sie schliesst die Augen und beginnt zu erzählen.....

********​


So das war nun der Vorspann, ich hoffe es gefällt Euch.
Ich Poste gleich Teil Eins der Geschichte...

 
Zuletzt bearbeitet:
Bis jetzt finde ich es sehr gut. Ich finde es auch toll das du nicht so eine vorstellung gemacht hast. Als bis jetzt: super!

EDIT: hehe ich bin die erste ;).
 
Teil 1 >Sara<

Sodalle und weiter gehts mit der Geschichte :


Kapitel 1
>Sara<


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Tante Elizabeths Stimme klingt so schön wenn sie erzählt, ich schliesse für einen Moment meine Augen und sehe das Bild einer Grossen Grauen Stadt vor mir viele schön angezogene Menschen kann man auf der Strasse sehen......und mit Tante Elizabeths Stimme kommen immer mehr neue Bilder.....

Sie beginnt zu erzählen und vor mir entfalten sich die Bilder ihrer Geschichte.


" Es war einer jener düsteren Londoner Wintertage, an denen es überhaupt nicht richtig hell wurde. Dicker gelber Nebel lag auf der Stadt, und schon von morgens an brannten die Straßenlaternen. An diesem Tag fuhr ein seltsam aussehendes kleines Mädchen zusammen mit seinem Vater in einer Droschke langsam durch die Hauptverkehrsstraße Londons.

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Es saß mit untergeschlagenen Beinen auf seinem Sitz und schmiegte sich an sei­nen Vater, der es fest an sich preßte. Das Mädchen starrte aus dem Fenster und beobachtete mit nachdenklichen Blicken die Leute, die draußen vorübergingen.
Sein Gesichtsausdruck war für ein kleines Mädchen sehr ungewöhnlich, denn Sara Crewe war erst sieben Jahre alt. Aber schon von klein auf hatte sie merk­würdige Dinge geträumt und viel nachgedacht. Am meisten beschäftigte sie sich mit den Erwachsenen und der Welt, in der sie lebten. Daher kam es ihr so vor, als würde sie schon sehr, sehr lange leben.
In diesem Augenblick dachte sie gerade an die Reise von Bombay nach Lon­don, die sie mit ihrem Vater, Captain Crewe, unternommen hatte. In ihrer Er­innerung tauchte das große Schiff auf mit den indischen Matrosen, den Kin­dern, die an Deck spielten, und den Offiziersfrauen, die sich mit ihr unterhal­ten hatten.
Ein bißchen verwirrend fand Sara es schon, was in der letzten Zeit geschehen war. Gerade eben noch hatte sie unter der brennenden Sonne Indiens gelebt. Plötzlich war sie mitten auf dem Ozean, und nun fuhr sie in einem seltsamen Fahrzeug durch eine fremde Stadt, in der es schon am Tag so dunkel war, als sei es finstere Nacht. Sie drängte sich noch enger an ihren Vater

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"Papa!', wisperte sie geheimnisvoll, "Papa."

"Was ist los, mein Liebes?" fragte Captain Crewe und drückte sie fester an sich. .

"Papa, ist dies der Ort?" flüsterte Sara und kuschelte sich noch näher an ihren

Vater. "Ist es hier?" .

"J a, kleine Sara, hier ist es. Wir sind endlich angekommen."

Obwohl Sara noch so klein war, spürte sie, daß ihr Vater traurig war.
Sie selbst hatte sich schon seit Jahren auf diesen Augenblick vorbereitet. Ihre Mutter war bei ihrer Geburt gestorben. Sie hatte sie nicht kennen gelernt und auch nie vermißt. Ihr Vater war der einzige Verwandte auf der Welt, den sie hatte. Captain Crewe, ein reicher, gut aussehender, junger Mann, liebte seine Tochter über alles. Sie hatten immer zusammen gespielt und viel Spaß mitein­ander gehabt. Sara wußte, daß ihr Vater reich war. Sie hatte gehört, wie die Leu­te darüber sprachen, wenn sie sich unbeobachtet glaubten. Auch Sara würde einmal reich sein. Sie hatte jedoch keine Ahnung, was das eigentlich bedeutete. Ihr ganzes Leben hatte sie in einem wundervollen Bungalow gelebt, umgeben von zahlreichen Dienern, die sich vor ihr verbeugten und ihr jeden Wunsch erfüllten. Sie hatte Spielzeug und Schoßtiere gehabt und eine Ayah, eine indische Kinderfrau, die sie anbetete. Lauter Dinge also, die für reiche Leute selbstverständlich sind. Aber das war auch schon alles, was Sara über das Reichsein wußte.

In ihrem kurzen Leben hatte sie bisher nur eines beunruhigt. Sara wußte, daß sie sich eines Tages von ihrem Vater trennen mußte. Denn die meisten Kinder konnten das heiße indische Klima nicht vertragen und wurden oft krank. Da­her wurden sie sobald wie möglich nach England zur Schule geschickt. Sara hatte schon mehrmals miterlebt, wie andere Kinder fortgeschickt worden waren. Sie wußte, daß auch sie eines Tages nach England gehen mußte. Ihr Vater hatte ihr oft von seiner Heimat erzählt. Ein bißchen neugierig war Sara daher schon darauf, dieses Land kennenzulernen. Aber allein der Gedanke, ohne ihren Vater leben zu müssen, schmerzte sie sehr.

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"Könntest du nicht mit mir in England leben, Papa?" hatte sie gefragt, als sie fünf Jahre alt war. "Du könntest doch mit mir in die Schule gehen. Ich würde dir auch bei den Schulaufgaben helfen."

"Du wirst doch nur für kurze Zeit dort bleiben, kleine Sara", hatte ihr Vater immer geantwortet. "Du wirst in einem schönen Haus wohnen, wo noch viele andere kleine Mädchen leben, so wie du. Dann könnt ihr zusammen spielen. Ich werde dir auch viele Bücher schicken. Du wirst so schnell wachsen, daß du, ehe du dich versiehst, schon wieder bei mir bist und mich versorgen und mir helfen kannst."
Diese Vorstellung hatte ihr ausnehmend gut gefallen. Sie würde liebend gern
den Haushalt für ihren Vater führen, mit ihm zusammen ausreiten, Dinnerpar­ties für ihn geben, mit ihm reden und seine Bücher lesen. Wenn es dafür notwendig war, in England die Schule zu besuchen, so würde sie auch das tun. Sara machte sich zwar nicht viel aus anderen kleinen Mädchen, doch sie tröstete sich mit dem Gedanken, daß sie viele Bücher bekommen würde, um sich die Zeit damit zu vertreiben. Sie liebte Bücher über alles. Ja, sie erfand selbst dauernd irgendwelche Geschichten und erzählte sie ihrem Vater, der ihr begeistert zuhörte.
"Nun gut Papa", sagte sie leise, "wenn wir schon mal hier sind, ist wohl nichts mehr zu ändern."

Ihr Vater küßte sie lachend. Ihre altkluge Redeweise entzückte ihn immer aufs neue. Seine kleine Tochter Sara war sein bester Kamerad. Er würde sich furchtbar einsam fühlen in Indien, und der Bungalow würde ihm schrecklich leer vorkommen ohne Sara, soviel war ihm jetzt schon klar. Er hielt sein Töchterchen ganz fest in seinen Armen, bis sie schließlich an ihrem Ziel ankamen.

Die Droschke hielt vor einem großen, düsteren Haus aus roten Ziegeln, Was genauso aussah wie alle anderen Häuser in der Straße auch. An der Eingangtüsr war eine Messingtafel angebracht, auf der in schwarzen Buchstaben eingraviert war:

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"Wir sind da, Sara", sagte Captain Crewe so heiter wie möglich. Er hob sie aus der Droschke, und gemeinsam stiegen sie die Treppe hinauf und klingelten. Das Haus war ziemlich groß und voll mit Möbeln. Sara fand es von Anfang an häßlich. Die Stühle waren so unbequem, als wären sie aus harten Knochen. In der Halle war alles steif und glänzend. Selbst die roten Wangen der mondgesichtigen großen Uhr, die in der Ecke stand, sahen furchteinflößend aus. Sara und ihr Vater wurden in einen altmodischen Salon geführt. Auf dem Fußboden lag ein Teppich mit Karomuster, die Stühle waren klobig, und auf dem riesigen Marmorkamin stand eine große, marmorne Uhr.

Sara setzte sich auf einen der steifen Mahagonistühle und schaute sich um. "Ich finde es scheußlich hier, Papa", sagte sie. "Aber ich schätze, selbst der mutigste Soldat hat nicht wirklich Lust, in den Kampf zu ziehen."
Captain Crewe mußte über diese frühreife Bemerkung lachen. Das war doch
wieder typisch für Sara. Er liebte ihre seltsame Redeweise über alles.
"Ach, Sara", sagte er. "Was soll ich bloß tun, wenn du nicht mehr bei mir
bist. Dann wird keiner mehr solche ernsten Dinge zu mir sagen."
"Aber warum lachst du denn immer so, wenn ich dir ernsthafte Dinge erzähle?" wollte Sara wissen.
"Die Art, wie du sprichst, ist einfach zu lustig", antwortete er und mußte noch mehr lachen."Dann nahm er sie plötzlich in die Arme und küßte sie. Von einem Augenblick zum anderen brach sein Lachen ab, und in seinen Augen schimmerten Tränen.

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In diesem Augenblick betrat Miss Minchin den Raum. Sie war wirklich genau wie das Haus, fand Sara: groß, düster, ehrbar und häßlich. Sie hatte Augen wie ein Fisch, und ihr Lächeln wirkte aufgesetzt. Dieses Lächeln verstärkte sich

noch, als sie Sara und Captain Crewe ansah. Miss Minchin hatte allerlei Erkundigungen über Captain Crewe eingezogen. Dabei hatte sie erfahren, daß er sehr reich war und die Absicht hatte, eine Menge Geld für die Erziehung seiner Tochter auszugeben.
"Es ist eine große Ehre für mich, daß sie mir die Erziehung eines so hübschen und vielversprechenden Mädchens anvertrauen wollen, Captain Crewe", sagte sie und tätschelte dabei Saras Hand. "Lady Meredith hat mir bereits viel von Saras ungewöhnlicher Klugheit berichtet. Ein intelligentes Kind ist für mein Institut immer ein großer Gewinn."
Sara stand nur da und schaute Miss Minchin an. Wie immer gingen ihr sonderbare Gedanken durch den Kopf.

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"Warum sagt sie bloß, daß ich schön bin?" überlegte Sara. "Ich bin doch nicht einmal hübsch. Isobel, die kleine Tochter von Colonel Grange, die ist schön. Sie hat Grübchen und rosige Wangen und langes, goldblondes Haar. Meine Haare sind kurz und braun, und meine Augen sind grün. Außerdem bin ich viel zu dünn und kein bißchen blond. Ich bin das häßlichste Kind, das ich kenne. Warum erzählt Miss Minchin bloß solche Märchen."

Es stimmte natürlich nicht, daß Sara häßlich war. Sicher, sie sah nicht so aus wie Isabel Grange. Aber Sara war auf ihre ganz eigene, unverwechselbare Art bezaubernd. Sie war schlank und geschmeidig, ziemlich groß für ihr Alter und hatte ein anziehendes kleines Gesicht. Ihr schweres, braunes Haar kringelte sich in den Spitzen, und sie hatte wundervolle große, graugrüne Augen mit langen, schwarzen Wimpern. Trotzdem war Sara fest davon überzeugt, daß sie häßlich war. Daher beeindruckten sie die Schmeicheleien Miss Minchins überhaupt nicht.


"Es wäre auch gelogen, wenn ich behaupten würde, Miss Minchin wäre schön", dachte Sara. "Ich glaube, sie ist genauso häßlich wie ich auch. Warum hat sie denn bloß so etwas gesagt?"

Erst viel später wurde ihr klar, daß Miss Minchin über jedes Kind, das in ihre Schule geschickt wurde, nur Schmeichelhaftes zu sagen wußte, solange seine Eltern in der Nähe waren. .

Captain Crewe hatte Miss Minchins Internat ausgewählt, weil es ihm von Lady Meredith empfohlen worden war. Ihre beiden kleinen Töchter waren auch hier erzogen worden. Sara gehörte zu den besonders bevorrechtigten Internatsschülerinnen. Sie hatte nicht nur ein eigenes Schlafzimmer, sondern auch ein Wohnzimmer für sich allein. Sie bekam ein Pony, eine Kutsche und ein eigenes Kindermädchen, das sich um sie kümmern sollte.

"Ich mache mir keine Sorgen um ihren Lerneifer", sagte Captain Crewe und lachte. "Die Schwierigkeit wird woW eher darin bestehen, Sara daran zu hindern, zu schnell und zu viel auf einmal lernen zu wollen. Sie sitzt immer nur im Sessel und vergräbt sich in ihren Büchern. Sie liest sie nicht, sie verschlingt sie vielmehr wie ein hungriger Wolf. Sie kann gar nicht genug davon bekommen. Sie interessiert sich nicht für Kinderbücher, sondern nur für große, dicke Wälzer, egal ob in Englisch, Französisch oder Deutsch. Sie liest alles, was ihr in die Hände fällt, historische Romane, Biographien und Dichtung. Sie werden sie von den Büchern wegzerren müssen, wenn es zuviel wird. Setzen Sie Sara stattdessen lieber auf ihr Pony, oder kaufen Sie ihr eine neue Puppe. Sie sollte wirklich viel mehr mit Puppen spielen."

"Papa", sagte Sara. "Wenn ich mir jeden Tag eine neue Puppe kaufen würde, hätte ich bald keinen Spaß mehr daran. Eine Puppe soll doch schließlich eine gute Freundin sein. Ich bin sicher, daß Emily meine beste Freundin sein wird."

Captain Crewe und Miss Minehin sahen sich an.

"Wer ist Emily?" fragte Miss Minchin.

"Erzähl es ihr Sara", sagte Captain Crewe schmunzelnd.

Saras Gesicht wurde sehr ernst, und sie antwortete sanft: "Emily ist eine Puppe, die ich erst noch finden muß. Papa wird sie mir kaufen. Ich habe ihr schon einen Namen gegeben. Sie wird meine Freundin sein, wenn Papa fort ist. Ihr werde ich alles über meinen Vater erzählen."

Miss Minchins Lächeln wirkte noch gezwungener als sie ausrief: "Was für ein
originelles, kleines Mädchen! Sie ist wirklich ganz reizend!"

Ja, das ist sie wirklich", sagte Captain Crewe und zog seine kleine Tochter näher zu sich heran. "Sie müssen sehr gut auf sie aufpassen, Miss Minchin. Sie ist mein Ein und Alles."

Bis zu seiner Abreise wohnte Sara zusammen mit ihrem Vater im Hotel. Sie gingen spazieren und machten Einkäufe. Sie kauften Unmengen von Dingen, mehr als Sara je gebrauchen konnte. Denn Captain Crewe wollte seiner kleinen Tochter jeden Wunsch erfüllen. Saras Garderobe wuchs und wuchs. Da gab es pelzbesetzte Samtkleider, Kleider aus duftiger Spitze und solche, die über und über mit Stickereien verziert waren, Hüte mit großen, weichen Straußenfedern, Hermelinmäntel und Muffs und jede Menge winziger Handschuhe, Taschentücher und Seidenstrümpfe. So etwas hatten die Verkäuferinnen noch nicht erlebt. Für sie stand fest, daß das zierliche, seltsam aussehende Mädchen mit den großen Augen die Tochter eines Königs sein mußte, vielleicht sogar eine Prinzessin aus dem fernen Indien.

Schließlich fanden Captain Crewe und Sara auch Emily, nachdem sie in unzähligen Spielzeuggeschäften nach ihr gesucht hatten.

"Ich möchte, daß sie echt wirkt, nicht wie eine Puppe", sagte Sara. "Es soll so aussehen, als würde sie verstehen, was ich ihr erzähle. Das Ärgerliche bei den meisten Puppen ist nämlich, daß sie nicht zuhören können." So gingen Sara und ihr Vater durch viele Geschäfte und sahen sich alle Arten von Puppen an. Große und kleine, blauäugige und solche mit schwarzen Augen, Puppen mit braunen Locken und mit blonden Zöpfen, Puppen mit Kleidern und nackte Puppen.

"Wenn ich mir eine aussuche, die keine Kleider zum Anziehen hat, dann müssen wir mit ihr zu einem Schneider gehen, der ihr etwas Passendes näht", sagte Sara.

Lange Zeit konnten sie die richtige Puppe nicht finden. Sie gingen von einem Laden zum andern, bis sie schließlich vor einem kleinen Spielzeuggeschäft ste­henblieben. Da zupfte Sara ihren Vater am Ärmel und schrie: "Oh, Papa, schau nur! Da ist Emily!"

Sara strahlte. Sie hatte ganz rote Backen vor Aufregung und sah wirklich so
aus, als hätte sie ihre beste Freundin getroffen.
"Sie hat hier die ganze Zeit auf uns gewartet", sagte sie. "Wir wollen schnell
hineingehen und sie holen."
"Du meine Güte!" sagte Captain Crewe. "Ich glaube, wir brauchen jemanden,
der uns miteinander bekannt macht."
"Das ist doch ganz einfach", sagte Sara. "Du wirst mich vorstellen und ich dich. Ich habe sie sofort erkannt. Vielleicht geht es ihr ja genauso."

Es sah wirklich so aus, als hätte die Puppe nur auf Sara gewartet. Es war eine große Puppe, aber immer noch handlich genug, um sie im Arm halten zu können. Sie hatte lockiges, goldbraunes, langes Haar und klare, graublaue Augen.

Und was das Tollste war, sie hatte echte Wimpern.

"Also das ist Emily, Papa. Daran besteht kein Zweifel", sagte Sara. Captain Crewe kaufte die Puppe, und zusammen gingen sie in ein Geschäft,
in dem Kinderkleidung verkauft wurde. Saras Puppe bekam genauso viele Klei­der wie Sara selbst. Sie kauften Spitzenkleider und solche aus Samt und Musse­lin, Hüte, Mäntel und wundervolle, mit Spitzen besetzte Unterwäsche, Hand­schuhe, Taschentücher und Pelze.
"Emily wird es immer guthaben bei mir", sagte Sara. "Ich bin ihre Mutter
und wünsche mir, daß sie meine beste Freundin wird."
Captain Crewe machte es großen Spaß, mit Sara einkaufen zu gehen. Doch gleichzeitig wuchs seine Traurigkeit, denn immer wieder mußte er daran denken, daß er sich bald von seiner zauberhaften, kleinen Tochter trennen mußte.

Mitten in der Nacht stand er auf und trat an Saras Bett. Sie schlief fest und hielt Emily in ihren Armen. Da lagen die beiden in ihren Spitzennachthemden, die Haare ineinander verwuschelt. Emily sah wirklich wie ein richtiges Kind aus, und Captain Crewe war glücklich, daß sie sie gefunden hatten. Er seufzte und zupfte an seinem Schnurrbart.

"Ach, Sara!" sagte er zu sich selbst. "Ich glaube, du weißt gar nicht, wie sehr ich dich vermissen werde."

Am Tag darauf brachte er sie zu Miss Minchin und verabschiedete sich von ihr. Sein Schiff sollte am nächsten Tag ablegen. Er erklärte Miss Minchin, daß er die Anwälte Barrow & Skipworth mit der Regelung seiner Angelegenheiten in England beauftragt hatte. Sie würden Saras Rechnungen bezahlen. Zweimal in der Woche würde er an Sara schreiben, und sie sollte alles bekommen, was sie sich wünschte.

"Sara ist ein vernünftiges kleines Mädchen. Sie wünscht sich nie etwas, das

nicht gut für sie ist", sagte er.

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Dann verabschiedete er sich von Sara. Sie saß auf seinem Schoß, klammerte sich an den Aufschlägen seines Mantels fest und schaute ihn lange und eindringlich an.

"Willst du mich auswendig lernen, Sara?" fragte er sie zärtlich und streichelte

ihr übers Haar.

"Nein", antwortete sie. "Ich kenne dich schon auswendig. Ich bewahre dich ganz tief in meinem Herzen auf." Sie hielten sich fest umschlungen und küßten sich, als wollten sie sich nie wieder loslassen.

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Als die Droschke abfuhr, schaute Sara aus dem Fenster. Sie folgte dem Wagen mit ihren Blicken, bis er nicht mehr zu sehen war. Emily stand neben ihr und schaute ihm ebenfalls nach. Miss Minchin befahl ihrer Schwester, Miss Amelia, nachzusehen, was Sara machte. Miss Amelia stieg die Treppe hinauf und versuchte, Saras Zimmer zu betreten, mußte aber feststellen, daß sich die Tür nicht öffnen ließ.

Sie hörte nur, wie ein seltsames Stimmchen höflich rief: "Ich möchte ein bißchen allein sein, bitte. Darum habe ich abgeschlossen."

Die dicke, untersetzte Miss Amelia hatte im Grunde ein freundlicheres Wesen als ihre Schwester, aber sie wagte niemals, ihr zu widersprechen. Äußerst beunruhigt ging sie die Treppe wieder hinunter.

"Ich habe noch nie so ein seltsames, altkluges Kind gesehen", sagte sie. "Sie
hat sich eingeschlossen und gibt keinen Ton von sich."

"Das ist jedenfalls viel besser, als wenn sie herumschreien und um sich treten würde", antwortete Miss Minchin. "Ich habe schon befürchtet, daß ein Kind, das so verzogen wurde wie Sara, das ganze Haus in Aufruhr versetzen wird. Sie hat schließlich bisher immer ihren Willen bekommen."

"Ich habe ihre Koffer ausgepackt und ihre Sachen in den Schrank geräumt", sagte Miss Amelia. "So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Mäntel aus Zobel und Hermelin und Unterwäsche mit französischer Spitze. Was hältst du denn davon?"

"Absolut lächerlich", antwortete Miss Minchin schroff, "aber sie wird reizend aussehen, wenn wir die Mädchen sonntags zur Kirche führen. Sie ist ausgestattet worden, als wäre sie eine kleine Prinzessin."

Ein Stockwerk höher standen Sara und Emily immer noch am Fenster und starrten auf die Stelle, wo die Droschke mit Saras Vater verschwunden war, der sich bis zum letzten Augenblick umgedreht und ihnen bei den zugewinkt hatte. "




Ich war schon eingeschlafen als Tante Elizabeth ihre Geschichte beendete, doch ihre Worte habe ich gehört, nein ich habe sie erlebt.

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Ich schlummerte bereits tief und fest. Tante Elizabeth deckte mich nochmal zu und nahm ihre Teetasse.
"Schlaf gut kleine Saskia" dann ging sie aus dem Zimmer.

****



So, das war Teil Eins der Geschichte.
Falls ihr irgendwelche Fehler findet, scheut Euch nicht sie mir zu verraten ;)



 
Zuletzt bearbeitet:
Mir gefällt es auch super! Die Kleine tut mir auch Leid... ó.ò
Und was ich auuch *grinsi* noch gut finde ist, das es keine vorstellung oder eher charakterbeschreibung gibt... die find ich fast immer langweilig, nayu also alles ganz klasse soweit ^-^
babü
Kurai ^_^
 
@ Kloaken_caro:
Freut mich dass dir die Geschichte jetzt schon (oder noch ) gefällt :)

@ single1:
Auch dir einen Lieben Dank fürs lesen, ich hoffe die Geschichte gefällt dir auch weiterhin.

@ pink.princess:
Super dass die Geschichte dir gefällt :)

@Kurai:

Ja es ist ein trauriges kleines Mädchen, doch wozu hat man Freunde und Fantasie? Um zumindest ein wenig Glück auf Erden zu haben wenn das Glück mal nicht so wil :D


 
Wundervolle Geschichte! Hast du die selbst erfunden, oder erzählst du es nach einem Buch?

Es wirkt alles so echt und realistisch, dein Schreibstil ist sehr gut und auch die Bilder gefallen mir super!

Bin schon sehr gespannt auf die Fortsetzung! Kannst du mich benachrichtigen?

Liebe Grüsse
Lizzie
 
@Lizzie

Vielen dank für das Lob.
Es gibt ein Buch das so ist, ich habe es auch einmal besessen aber leider ist es seit Jahren Kaputt. Nun ja die Geschichte in der Geschichte hatte mir als Kind schon gefallen da musste ich einfach was draus machen.

Klar werde ich dich benachrichtigen wenn du das möchtest :)
 
single1 schrieb:
Deine Geschichte ist alles andere als cool. Die ist super traurig und gefühlvoll. Den Teil hast du mal wieder schön hingezaubert, doch was mich stört, ist dieses "shy" so wie hier:

ver­suchte, biß­chen allein sein, bitte. Klei­der wie Sara selbst.

Das stört ein bisschen, im Text. Warum ist das so? Aber sonst ist es wirklich schön.

Uj danke dass du mich darauf Aufmerksam gemacht hast.
Ich hatte den Text im MS Word und habe hier die Schrift verändert da muss er mir wohl die Zeichen reingebracht haben.
Ich habe sie so gut wie es geht weggemacht und korrigiert.

Kapitel 2 kommt auch bald.. noch zwei drei Sätze und dann die Bilder dannn stelle ich es online :)
 
Die Französischstunde & Irmingard

Wie eben schon angekündigt fange ich mal an zu schreiben und die Bilder hier reinzustellen :)

*****



Die Französischstunde

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Heute war es ein aufregender Tag.
Ich wurde in ein anderes Zimmer verlegt, ich wusste ja gar nicht wie groß diese Klinik ist. Die Schwester Rita, eine sehr freundliche Frau, hat mich in meinen Rollstuhl gesetzt und schob mich durch die Flure.

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In meinem Neuen Zimmer wurde ich leider gleich ins Bett gesteckt, so schaute ich mich um.... Nett war es hier. Ein kleiner Tisch mit 3 Stühlen standen hier in der Ecke , eine große Vase mit Sonnenblumen hatte man mir in mein Zimmer gesteckt, und da oben an der wand war ein Fernseher. Wow, sowas hatte ich noch nie, einen Fernseher am Bett, echt klasse sowas.

Ich zappte durch die Kanäle doch ich konnte nichts finden was ich mir nun anschauen wollte, meine Gedanken schweiften ab, zu der Geschichte von tante Elizabeth. Wie gerne hätte ich sie nun bei mir gehabt. Denn ich muss ja zugeben dass ich zu gerne wüsste wie es weitergeht mit der kleinen Sara.

Hmm wenn ich genauer darüber nachdenke dann geht es der kleinen Sara nicht viel besser als es mir ging. Jaa ok sie hat noch ihren Vater, aber naja , er hat sie ja in dieses Internat gesteckt.
Aber sie ist ja hübsch und reich sie findet garantiert bald viele Freunde da.

Plötzlich klopfte es an der Tür, neugierig hob ich den Kopf und rief "Herrein" ...
Juhuu es war Tante Elizabeth. Ich fing an zu strahlen "Wie hast du mich so schnell hier gefunden? " Tante Elizabeth lachte " Ich habe an der Rezeption angefragt als ich dich in deinem Zimmer nicht antreffen konnte, und ich habe dir auch eine Überraschung mitgebracht" Mit großen Augen schaute ich Tante Elizabeth an, eine Überaschung? Für mich ?
"da du zur Zeit nicht am Tropf bist und deine Werte soweit Stabil sind, meinte die Stationsärztin, daß ich mit dir in den Garten gehen draf" - "Das ist ja super Tante Elizabeth" am liebsten wäre ich nun aufgesprungen und Tante Elizabeth um den Hals gefallen, doch leider habe ich schon beim austehen gemerkt dass mich meine Gelenke nicht tragen würden.

Schwester Rita kam in mein Zimmer und setzte mich in den Rollstuhl, dann ging es los

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Keine 3 minuten später waren wir in dem kleinen Klinik Garten.
Ein kleiner Brunnen umrandet von Rosenstäuchern war in die mitte platziert worden und rings um waren Bänke.
Tante Elizabeth schob mich durch den ganzen Garten und ich genoß die Frische Luft. Dann setzte sie sich auf eine Bank und meinen Rollstuhl schob sie direkt neben ihre Bank.
"Tante Elizabeth?" - " Was ist denn kleine Saskia?"
Ich schaute ihr tief in die Augen " Erzählst du mir heute wie es mit Sara weiter geht?"
Tante Elizabeth fing an zu lächeln " Natürlich erzähle ich dir wie es weitergeht. Gleich hier wenn du möchtest" ich fing an zu strahlen, ich glaube da habe ich der Sonne konkurenz gemacht... gespannt hörte ich Tante Elizabeths Stimme zu und schloss für eine Weile meine Augen.

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Als Sara am nächsten Morgen den Klassenraum betrat, wurde sie von allen Sei­ten neugierig angestarrt. Jede der Schülerinnen - von Lavinia Herbert, die sich mit ihren dreizehn Jahren schon ganz erwachsen fühlte, bis zu Lottie Legh, die erst vier Jahre alt und das Baby der Schule war - hatte schon etwas über die neue Mitschülerin in Erfahrung gebracht. Es war sonnenklar, daß Sara als Aushängeschild für Miss Minchins Institut dienen sollte. Zwei oder drei Mädchen hatten sogar schon Saras französische Zofe Mariette zu Gesicht bekommen, die am Vorabend eingetroffen war. Lavinia war es gelungen, Saras Zimmer zu betreten, und sie hatte beobachtet, wie Mariette eine Kiste ausgepackt hatte.

"Eine ganze Kiste voller Petticoats mit tausenden von Spitzenrüschen - so etwas habe ich noch nicht gesehen,", flüsterte sie ihrer Freundin Jessie zu. "Sie hat sie ausgeschüttelt. Außerdem habe ich gehört, wie Miss Minchin zu Miss Amelia gesagt hat, ihre Kleider seien einfach lächerlich. Meine Mutter sagt auch immer, daß Kinder einfach gekleidet sein sollten. Schau dir bloß mal den Petticoat an, den sie heute trägt. Ich konnte ihn sehen, als sie sich hingesetzt hat."

"Sie trägt Seidenstrümpfe!" wisperte Jessie und beugte sich noch tiefer über

Ihr aufgeschlagenes Erdkundebuch. "Und was für kleine Füße sie hat! Unglaublich!" .

"Ach was!" Lavinia rümpfte die Nase. "Das liegt nur an der Machart, ihrer Schuhe. Meine Mutter hat gesagt, daß selbst große Füße kleiner aussehen können, wenn man seine Schuhe bei einem geschickten Schuster machen läßt. Ich finde sie kein bißchen hübsch. Guck bloß, was für eine seltsame Augenfarbe sie hat."

"Ich finde sie eigentlich auch nicht hübsch", sagte Jessie und schaute zu Sara hinüber. "Aber sie hat etwas an sich. Man muß sie immer wieder anschauen. Ihre Wimpern sind unglaublich lang. Aber du hast recht, sie hat grüne Augen. Wie schrecklich!"

Sara saß auf einem Stuhl ganz in der Nähe von Miss Minchins Pult und warte­te auf den Beginn des Unterrichts. Es machte ihr nichts aus, daß sie angestarrt wurde. Sie schaute sich interessiert um und versuchte, sich in die Gedanken der anderen Schülerinnen hineinzuversetzen. Zu gerne hätte sie gewußt, ob irgend jemand von ihnen Miss Minchin wohl leiden konnte, wie ihnen die Schulstunden gefielen, und ob vielleicht eines der anderen Mädchen auch so einen tollen Vater hatte wie sie selbst. Vor dem Unterricht hatte sie lange mit Emily über ihren Vater gesprochen.

"Er ist jetzt auf See, Emily", hatte sie ihr erzählt. Jetzt haben wir nur noch uns. Schau mich an, Emily. Du hast wirklich die hübschesten Augen, die ich kenne. Ich wünschte nur, du könntest sprechen."

Sara war ein Kind voll von phantastischen und wunderlichen Einfällen. Sie hatte beschlossen, so zu tun, als wäre Emily wirklich lebendig und könnte alles hören und verstehen, was sie ihr erzählte. Nachdem Mariette ihr die dunkelblaue Schuluniform angezogen und ihr Haar mit einem dunkelblauen Band zu­sammengebunden hatte, ging Sara zu Emily, die auf einem Stuhl saß, und drückte ihr ein Buch in die Hand.

"Das kannst du lesen, während ich unten bin", sagte sie, und als sie bemerkte, daß Mariette sie merkwürdig ansah, erklärte sie ihr ernsthaft: "Ich glaube, daß Puppen alle möglichen Dinge tun können. Aber sie möchten nicht, daß wir es wissen. Vielleicht kann Emily wirklich lesen, sprechen und herumlaufen. Doch sie tut es bestimmt nur, wenn niemand in der Nähe ist. Das ist ihr Geheimnis. Denn weißt du, wenn die Leute wüßten, daß Puppen sich bewegen können, würden sie sie arbeiten lassen. Also haben sie beschlossen, daß niemand es wissen darf. Wenn du das Zimmer nicht verläßt, wird Emily auf dem Stuhl sitzen­bleiben und vor sich hinstarren. Aber wenn du hinausgehst, wird sie vielleicht lesen, oder ans Fenster gehen und hinaussehen. Sobald sie einen von uns kommen hört, rennt sie zurück zu ihrem Stuhl und tut so, als hätte sie die ganze Zeit da gesessen."

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"Comme elle est drôle!" dachte Mariette bei sich und erzählte die Geschichte dem Hausmädchen. Aber sie hatte das kleine Mädchen, das so intelligent aussah und sich so .gut zu benehmen wußte, bereits liebgewonnen. Keines der Kinder, die sie bisher betreut hatte, war so höflich gewesen wie dieses. Sara war so eine nette kleine Person und die Art, mit der sie um etwas bat oder sich bedankte, war einfach zauberhaft.

"Elle a l' air d'une princesse, cette petite", sagte Mariette, die mit ihrer neuen Stellung sehr zufrieden war und ihre kleine Herrin von ganzem Herzen liebte.


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Nachdem Sara einige Minuten lang von den anderen Schülerinnen angestarrt worden war, pochte Miss Minchin auf ihr Pult und bat um Aufmerksamkeit.

"Meine Damen", sagte sie, "ich möchte euch eure neue Mitschülerin vorstel­len." Alle erhoben sich von den Plätzen, und Sara stand ebenfalls auf. "Ich hof­fe, daß ihr Miss Crewe freundlich aufnehmen werdet. Sie ist erst kürzlich aus Indien hier angekommen. Sobald der Unterricht. vorbei ist, werdet ihr Gelegenheit haben, euch näher kennenzulernen.“

Die Schülerinnen verbeugten sich förmlich, und Sara machte einen kleinen Knicks. Dann setzten sich alle wieder und starrten sich weiter gegenseitig an.

"Sara", sagte Miss Minchin energisch, "komm bitte zu mir."

Sie hielt ein Buch in der Hand und blätterte darin. Sara ging zu ihr. "Dein Vater hat eine französische Zofe für dich engagiert. Daraus entnehme ich, daß du dich besonders dem Studium der französischen Sprache widmen solls "

Sara fühlte sich unbehaglich.

"Ich glaube, er hat sie nur eingestellt, weil er ..." Sara druckste ein bißchen herum. "Er dachte bestimmt, daß ich sie mag."

"Mir ist klar, daß du ein ziemlich verwöhntes kleines Mädchen bist", sagte Miss Minchin mit einem säuerlichen Lächeln. "Du glaubst wohl immer, daß nur das geschieht, was du möchtest. Doch ich bin der Überzeugung, dein Vater möchte, daß du Französisch lernst, ob es dir nun gefällt, oder nicht."

Wenn Sara ein bißchen älter gewesen wäre und weniger höflich, hätte sie die Angelegenheit sicher mit wenigen Worten aufklären können. So aber wurde sie vor Verlegenheit rot. Sie fühlte sich durch Miss Minchins schroffe Art einge­schüchtert. Diese schien so sicher zu sein, daß Sara nicht französisch sprechen konnte, daß es Sara absolut unhöflich erschienen wäre, sie zu korrigieren. Da­bei hatte sie schon als kleines Kind fließend französisch gesprochen. Ihre Mut­ter war Französin gewesen, und Captain Crewe hatte ihre Sprache sehr geliebt und sie Sara beigebracht.

"Ich habe nie richtigen Französischunterricht gehabt, aber..." Ein bißchen hilflos versuchte sie, Miss Minchin den Sachverhalt zu erklären.

Die Wahrheit war, daß Miss Minchin selbst kein Wort Französisch sprechen konnte. Darüber war sie sehr ärgerlich und tat alles, um diese Tatsache zu ver­bergen. Darum lag ihr auch nichts daran, das Gespräch mit Sara weiterzuführen, sonst würde am Ende ihre Unwissenheit noch ans Licht kommen.

"Das Reicht.", fiel sie Sara ins Wort. "Wenn du es bis jetzt nicht gelernt hast,wird es Zeit daß du damit anfängst. Der Französischlehrer, Monsieur Dufarge,

wird in ein paar minuten hier sein. Bis dahin kannst du einen Blick in dieses Buch werfen."

Vor lauter Aufregung bekam Sara ganz heiße Backen. Sie ging zu ihrem Platz zurück und öffnete das Buch., Sie mußte sich sehr beherrschen, um ernst zu

bleien und nicht zu lächeln. Sie wollte auf kemen Fall unhöflich wirken. Aber es war ganz schön schwierig, so zu tun, als würde sie nicht wissen, daß ,le pere' der Vater und ,la mere' die Mutter heißt. Miss Minchin sah sie forschend an.

"Du siehst sehr verdrießlich aus, Sara", sagte sie. "Es tut mir leid, daß du keine Lust hast, Französisch zu lernen."

"Ich liebe es", antwortete Sara. Sie versuchte noch einmal, Miss Minchin die Situation zu erklären. "Aber..."

"Hör auf, mir zu widersprechen", unterbrach Miss Minchin sie

"Schau lieber wieder in dein Buch." Ergeben beugte sich Sara wieder über das Französischbuch und musste sich arg zusammennehmen, um nicht laut loszulachen "Sobald Monsieur Dufarge da ist, werde ich ihm alles erklären", nahm sie sich fest vor.

Wenige Minuten später kam Monsieur Dufarge zur Tür herein. Ersah nett und intelligent aus, war etwa dreißig Jahre alt, und es war unverkennbar, er aus Frankreich stammte. Er stutzte, als er Sara sah die völlig in ihr Französischbuch versunken zu sein schien.



"Ist das meine neue Schülerin, Madame?" Er wandte sich an Miss Minchin.

"Ich hoffe, ich habe Glück."

"Saras Vater - Captain Crewe - möchte gern, daß seine Tochter Französisch lernt. Aber ich fürchte, sie hat keine große Lust dazu. Irgendeine kindische Abneigung, die ich nicht verstehen kann", erklärte Miss Minchin.

"Das finde ich aber schade, Mademoiselle", sagte Monsieur Dufarge zu Sara. "Aber vielleicht kann ich Sie davon überzeugen, daß Französisch eine wundervolle Sprache ist."

Die kleine Sara stand auf. Sie war schon völlig verzweifelt, daß gleich an ihrem ersten Tag alles schiefzugehen schien. Sie schaute Monsieur Dufarge mit ihren großen, graugrünen Augen flehend an. Er würde sie hoffentlich verstehen. Sie begann ihm in einfachen französischen Worten zu erklären, daß Madame sie mißverstanden hatte. Sie hatte zwar bisher noch nie richtigen Franzö­sischunterricht gehabt, aber ihr Vater hatte oft mit ihr Französisch gesprochen und auch ein paar andere Leute. Sie konnte Französisch ebenso gut sprechen, schreiben oder lesen wie Englisch. Ihr Vater liebte diese Sprache, und deshalb liebte sie sie auch. Ihre Mutter, die bei ihrer Geburt gestorben war, war Französin. Sara erklärte, daß sie gern alles lernen wolle, was Monsieur Dufarge ihr bei­bringen würde. Sie hatte Madame zu erklären versucht, daß sie die Wörter in dem Buch schon kannte, aber leider hatte es ein Mißverständnis gegeben.

Als Sara zu sprechen begann, starrte Miss Minchin sie fassungslos an. Die Brille war ihr verrutscht, und sie bebte vor Entrüstung. Aber Monsieur Dufarge war ganz hingerissen von Saras kleiner Rede. Er fühlte sich nach Frankreich zurückversetzt, das ihm während der dunklen, nebeligen Tage in London manchmal Lichtjahre entfernt zu sein schien. Als Sara zu sprechen aufhörte nahm er ihr den Sprachführer liebevoll fort und wandte sich an Miss Minchin

"Madame, dieser Schülerin kann ich nicht viel beibringen. Sie hat nicht etwa Französisch gelernt, sie ist eine Französin. Ihre Aussprache ist ganz vorzüglich.“

"Das hättest du mir auch sagen können", fauchte Miss Minchin Sara an. "Ich, ich habe es ja versucht", entgegnete Sara. "Ich hab es aber wohl nicht. richtig angefangen."
Miss Minchin wußte, daß Sara versucht hatte, ihr etwas zu erklären, und das sie sie daran gehindert hatte. Aber sie war wütend, weil sie sich vor den Schülerinnen bloßgestellt fühlte. Als dann auch noch Lavinia und Jessie zu kichern begannen, klopfte sie heftig auf ihr Pult und rief: "Ich bitte um Ruhe meine Damen! Und zwar sofort!" Von diesem Moment an entwickelte sie eine tiefe Abneigung gegen ihre Vor­zeigeschülerin.

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Tante Elizabeth seufzte leise, und ich hob den Kopf und schaute sie an " alles in Ordnung Tante Elizabeth?"
Sie schaute mich an und meinte dann " Natürlich ist alles in ordnung, aber es ist schon dunkel geworden und es wird nun auch kühler, lass uns rein gehen dann erzähle ich weiter"
Ich nickte nur stumm und fing an wieder Tante Elizabeths Gescichte in mir hoch zu rufen... Mein Rollstuhl setzte sich in Bewegung und Tante Elizabeth schob mich in mein Zimmer.

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Schwester Rita kam auch gleich zu mir und hob mich in mein Bett, sie deckte mich fest zu und meinte dann noch zu Tante Elizabeth dass sie nicht allzulange bleiben sollte. Denn der Tag wäre schon ziemlich angstrengend für mich gewesen.
Tante Elizabeth setzte sich wieder an mein Bett und fing an weiter zu erzählen:



Irmingard



An diesem ersten Morgen in Miss Minchins Klassenzimmer, an dem Sara von allen Seiten neugierig beobachtet wurde, bemerkte sie, daß ein kleines, etwa gleichaltriges Mädchen sie besonders intensiv anstarrte. Das Mädchen war pum­melig und hatte blaß blaue Augen. Es sah nicht besonders klug aus, machte aber einen treuherzigen Eindruck. Ihr flachsblondes Haar war zu einem dicken Pferdeschwanz zusammengebunden, der ihr über die Schultern fiel. Völlig versunken lümmelte sie sich auf ihren Tisch, kaute unabläsig auf ihrem Haarband her­um und starrte die neue Mitschülerin mit kugelrunden Augen an. Als Monsieur Dufarge mit Sara sprach, wurde ihr Blick ein wenig ängstlich. Doch als Sara nach vorne ging und sich ohne jede Vorwarnung fließend auf Französisch mit ihm unterhielt, schreckte das dicke Mädchen hoch und wurde vor ehrfürchtigem Staunen über und über rot. Sie selbst war ein hoffnungsloser Fall, wenn es darum ging, Französisch zu lernen. Sie hatte schon heiße Tränen vergossen, weil sie sich einfach nicht merken konnte daß ,la mere' soviel bedeutet wie ,Mutter' und ,le pere' das französische Wort für ,Vater' ist. Und jetzt war da auf einmal ein Mädchen, nicht älter als sie selbst, das nicht nur mit diesen einfa­chen Wörtern vertraut war, sondern auch noch viele andere zu kennen schien und sogar ganze Sätze bilden konnte, als wäre das alles eine Kleinigkeit.


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Das Pummelchen war so mit Anstarren und Haarbandkauen beschäftigt, daß es Miss Minchins Aufmerksamkeit erregte, die endlich jemanden gefunden hatte, an dem sie ihre Verärgerung auslassen konnte.

"Miss St. John!" rief sie scharf. »Was ist das für ein Benehmen? Nimm sofort deine Ellbogen vom Tisch und das Haarband aus dem Mund! Und setz dich gerade hin!"

Miss St. John fuhr erschreckt in die Höhe, und als sie Lavinia und Jessie kichern hörte, errötete sie noch mehr und war den Tränen nahe. Sie tat Sara furchtbar leid, die sofort beschloß, sich mit ihr anzufreunden. Sie konnte es überhaupt nicht leiden, wenn jemand sich unbehaglich oder unglücklich fühlte.

Ihr Vater pflegte bei solchen Gelegenheiten immer zu sagen: »Wenn Sara ein paar hundert Jahre früher als Junge auf die Welt gekommen wäre, wäre sie bestimmt als Ritter durch die Lande gezogen und hätte jeden mit dem Schwert
verteidigt, der in Bedrängnis war. Sie kann nicht anders. Wenn sie jemanden
sieht, der sich in Not befindet, muß sie sich für ihn einsetzen."
So war es auih in diesem Fall. Sara fühlte sich sofort zu der dicken, behäbigen
kleinen Miss St. John hingezogen und schaute den ganzen Vormittag lang zu ihr hin. So bekam sie auch mit, daß der Unterricht für die kleine Dicke keine leichte Sache war. Ihr Französisch war wirklich bemitleidenswert. Selbst Monsieur Dufarge mußte ungewollt über ihre schreckliche Aussprache lächeln, und Lavinia, Jessie und ein paar andere Mädchen wollten sich schier ausschütten vor Lachen.


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Aber Sara fand das alles überhaupt nicht komisch, sondern tat so, als würde sie nicht einmal bemerken, daß ,le bon pain' sich bei Miss St. John wie ,le bang pang' anhörte. Sara konnte leicht jähzornig werden, wenn jeman­dem Unrecht geschah, und. das Gekichere der Mädchen, die sich über ihre arme dumme Mitschülerin lustig machten, versetzte sie in Wut.
"Das ist kein bißchen komisch", murmelte sie vor sich hin und beugte sich
tiefer über ihr Buch. "Sie haben kein Recht, so über sie zu lachen."



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Endlich war der Unterricht vorbei, und die Mädchen standen in kleinen Gruppen zusammen und schwätzten miteinander. Sara lief durch das Klassen­zimmer und suchte nach Miss St. John, die völlig aufgelöst und verzweifelt am Fenster saß. Sara ging zu ihr und versuchte, mit ihr zu reden. Nichts Großartiges, nur das Übliche, was kleine Mädchen halt so sagen, wenn sie sich näher kennenlernen wollen.

"Wie heißt du?" fragte Sara in ihrer netten und freundlichen" Art.
Miss St. John blickte auf. Sie war vollkommen überrascht, Sara vor sich zu sehen. Daß die neue Schülerin, über die schon soviel getratscht worden war, die eine eigene Kutsche, ein Pony und eine Zofe hatte und gerade aus Indien angereist war, ihre Bekanntschaft machen wollte, war unfaßbar.

"Ich heiße Irmingard St. John", antwortete sie.
"Mein Name ist Sara Crewe", sagte Sara. "Ich finde deinen Namen sehr
hübsch. Er hört sich an, als würde er aus einem Märchen stammen."
Du magst ihn wirklich?" flüsterte.Irmingard. "Ich, ich finde deinen Namen
auch nett."

Der größte Kummer in Miss St. Johns Leben bestand darin, daß sie einen überaus klugen Vater hatte. Eine größere Katastrophe hätte ihr einfach nicht passieren können. Ihr Vater schien einfach alles zu wissen. Er sprach sieben oder acht Sprachen fließend und besaß tausende von Büchern, die er in und auswendig kannte. Von daher hielt er es für völlig selbstverständlich, daß seine Tochter den Inhalt ihrer Schulbücher kennen und in der Lage sein sollte, die wichtigsten Geschichtsdaten zu behalten und einen französischen Text zu schreiben. Für ihn war Irmingard eine harte Prüfung. Mr. St. John konnte nicht verstehen, wieso gerade er so eine dumme Tochter haben mußte, die in keinem Fach glänzen konnte.
"Du lieber Himmel!" sagte er immer wieder, wenn er sie beobachtete, »Manchmal glaube ich, sie ist genauso einfältig wie ihre Tante Elisabeth. Womit habe ich das bloß verdient?"

Wenn ihre Tante Elisabeth langsam im Lernen und schnell im Vergessen war, dann ähnelte Irmingard ihr wirklich. Da bestand kein Zweifel. Es war ein offe­nes Geheimnis, daß Irmingard die schlechteste Schülerin in Miss Minchins Institut war.

"Sie müssen sie dazu bringen, daß sie etwas lernt", hatte ihr Vater Miss Min­chin angewiesen.

Demzufolge war Irmingard die meiste Zeit ihres Lebens verzweifelt und den Tränen nahe. Sie lernte Dinge und vergaß sie sofort wieder. Wenn sie wirklich einmal etwas behalten hatte, konnte man hundertprozentig sicher sein, daß sie nicht wußte, worum es ging. Daher war verständlich, daß sie nur in ihrer Ecke sitzen blieb und Sara voller Bewunderung anstarrte.

"Du sprichst Französisch, nicht wahr?" sagte sie voller Respekt.

Sara setzte sich zu ihr auf das Fensterbrett, zog die Beine hoch und schlang

ihre Arme um die Knie.

"Ich habe die Sprache schließlich mein Leben lang gehört. Deshalb kann ich sie auch sprechen", erwiderte sie. "Das könntest du auch, wenn du an meiner Stelle gewesen wärst."



"Oh, nein. Das könnte ich niemals!" verneinte Irmingard mit Nachdruck. "Warum denn nicht?" wollte Sara neugierig wissen.

Irmingard schüttelte ihren Kopf so heftig, daß ihr Pferdeschwanz wild hin

und her schaukelte.

"Du hast mich doch gehört", sagte sie. "So ist es in jeder Stunde. Ich kann

die Wörter einfach nicht aussprechen. Ich finde, die klingen so komisch."

Sie machte eine kleine Pause und fügte dann fast ehrfürchtig hinzu: "Du bist

intelligent, nicht wahr?"

Sara schaute aus dem Fenster hinaus auf das schäbige Viertel mit den vielen Spatzen, die auf den eisernen Geländern auf und ab hüpften und in den verrußten Bäumen herumzwitscherten. Einen Moment lang dachte sie nach. Man hat­te ihr schon oft gesagt, sie sei klug. Doch sie hatte keine Erklärung dafür.

"Ich weiß es nicht", sagte sie schließlich. "Ich kann es dir wirklich nicht sagen." Sie lachte und wechselte das Gesprächsthema, als sie den betrübten Ausdruck auf Irmingards rundem, pausbäckigen Gesicht sah.

"Möchtest du Emily kennenlernen?" fragte sie.

"Wer ist Emily?" fragte Irmingard genauso erstaunt, wie Miss Minchin am Tag zuvor.

"Komm mit in mein Zimmer, dann wirst du schon sehen", sagte Sara und nahm sie bei der Hand.

Gemeinsam hüpften sie vom Fensterbrett hinunter und liefen die Treppe hinauf.

"Ist es wirklich wahr, daß du ein Spielzimmer ganz für dich allein hast?" flüsterte Irmingard, als sie durch die Halle gingen.

"Ja, das stimmt", entgegnete Sara. "Papa hat Miss Minchin darum gebeten, weil. .. Nun weißt du, ich erfinde manchmal Geschichten, und ich mag es nicht, wenn mir Leute dabei zuhören. Das lenkt mich zu sehr ab."

Sie waren schon fast an Saras Zimmer angekommen, als Irmingard starr vor Staunen plötzlich stehenblieb. Atemlos schnappte sie nach Luft.

"Du erfindest Geschichten! Kannst du das genauso gut wie Französisch sprechen?"
Sara schaute sie erstaunt an.

"Warum fragst du? Geschichten erfinden kann doch jeder", sagte sie. "Hast du das noch nie versucht?" Dann legte sie Irmingard ihre Hand auf den Mund.


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"Laß uns ganz leise zur Tür schleichen", flüsterte sie. "Wenn wir sie plötzlich öffnen, erwischen wir sie vielleicht."

Sie lächelte ein bißchen, aber in ihren Augen funkelte eine geheime Hoffnung, von der Irmingard fasziniert war, obwohl sie nicht die leiseste Idee hatte, worum es eigentlich ging. Doch sie war sicher, daß es etwas Fantastisches sein mußte. Bebend vor Spannung, aber mucksmäuschenstill folgte sie Sara auf Zehenspitzen bis zur Tür ihres Zimmers. Sara drückte die Klinke herunter und riß die Tür mit einem Ruck sperrangelweit auf.


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Das Zimmer war aufgeräumt und still. Ein kleines Feuer brannte im Kamin, und eine wunderschöne Puppe saß in einem Sessel und las in einem dicken Buch.

"Schade. Sie hat sich schnell wieder hingesetzt, bevor wir sie sehen konnten!"
rief Sara aus. "Das tut sie jedes Mal. Sie ist schnell wie der Blitz." Irmingard schaute Sara an, dann die Puppe, dann wieder Sara.

"Sie kann laufen?" fragte sie atemlos.

"Natürlich", antwortete Sara. "Nun, wenigstens glaube ich, daß sie es kann.

Oder besser gesagt, ich tue so, als ob ich glaube, daß sie es kann. Und dadurch erscheint es fast so, als wenn es wahr wäre. Hast du noch nie so getan, als ob?"


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"Nein", sagte Irmingard. "Niemals. Erzähl mir mehr davon."

Sie war wie verhext von ihrer seltsamen neuen Freundin und starrte Sara ununterbrochen an. Emily würdigte sie keines Blickes, obwohl sie die hübscheste Puppe war, die sie je gesehen hatte.

"Wir wollen uns hinsetzen", sagte Sara, "und ich werde dir alles erzählen. Im Grunde ist es ganz einfach. Wenn du einmal anfängst, kannst du nicht wieder aufhören. Es macht solchen Spaß. Emily, hör bitte zu. Ich möchte dir Irmingard St.John vorstellen. Irmingard, dies ist Emily. Möchtest du sie auf den Arm nehmen?"

"Darf ich?" fragte Irmingard ungläubig. "Darf ich wirklich? Sie ist einfach wundervol1!" Sie nahm Emily in ihre Arme.

Irmingard hatte in ihrem ganzen bisherigen Leben noch nie soviel Spaß ge­habt, wie in dieser Stunde mit Sara, dieser neuen, absolut ungewöhnlichen Schülerin. Sie blieben zusammen bis die Glocke läutete und sie zum Mittag­essen nach unten gehen mußten.

Sara saß auf dem Fußboden vor dem Kamin und erzählte die tollsten Ge­schichten. Sie hatte sich zusammengekauen, ihre grünen Augen leuchteten und ihre Wangen waren ganz rosig vor lauter Aufregung. Sie erzählte von ihrer Reise und von Indien. Doch am spannendsten fand Irmingard die Vorstellung, daß Puppen laufen, sprechen und alles tun konnten, was sie wollten, solange sich nur kein Mensch in ihrer Nähe befand. Diese Fähigkeiten hielten die Puppen geheim, und wenn sich ein Mensch nähene, flüchteten sie wie der Blitz zurück an ihre Plätze und bewegten sich nicht mehr.

"Wir könnten das nicht", sagte Sara ernsthaft. denn da ist Magie im Spiel." Als sie Irmingard erzählte, wie sie Emily gesucht und gefunden hatte, verändene sich plötzlich ihre Stimme. Ein dunkler Schatten huschte über ihr Gesicht, und das Leuchten in ihren Augen erlosch. Sie atmete so heftig ein, daßes ein komisches, zischendes Geräusch machte, und preßte die Lippen fest aufeinander. Einen Augenblick lang sah es so aus, als würde sie in Tränen ausbrechen. Doch Sara weinte nicht.
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"Hast du Schmerzen?" fragte Irmingard vorsichtig.

Kurze Zeit lang blieb es still. Dann sagte Sara: Ja. Aber nicht in meinem Körper." Dann fragte sie mit leiser, ein bißchen zitteriger Stimme: "Liebst du deinen Vater mehr als alles andere auf der Welt?"

Vor Schreck fiel Irmingard der Unterkiefer herunter. Was sollte sie darauf bloß antworten? Von jedem anständigen Kind wurde schließlich erwanet, daß es seinen Vater lieb hatte. Wie konnte sie da Sara erzählen, daß sie alles tun würde, um bloß nicht mehr als zehn Minuten in der Gesellschaft ihres Vaters verbringen zu müssen. Irmingard war völlig aufgelöst.

"Ich sehe ihn kaum", stammelte sie. "Er sitzt immer in seiner Bibliothek und

liest. "

"Ich liebe meinen Vater zehnmal mehr als die ganze Welt", sagte Sara, "und ich bin traurig, weil er nicht mehr da ist."

"Gleich fängt sie an zu weinen", dachte Irmingard voller Furcht.

Aber Sara weinte nicht. Sie ließ den Kopf hängen, so daß ihre kurzen, dunklen Locken ihr Gesicht verdeckten, und saß ganz still da. Ohne ihren Kopf zu heben, sagte sie: "Ich habe ihm versprochen, daß ich durchhalten werde, und das werde ich auch. Soldaten müssen auch tapfer sein. Mein Vater ist Soldat. Wenn Krieg ist, muß er tagelange Fußmärsche, Durst und Verwundungen ertragen können. Er würde sich nie beklagen - niemals."

Irmingard starrte sie voll Bewunderung an. Sara war einfach toll und völlig anders als jedes Mädchen, das sie bisher kennen gelernt hatte.

Nach ein paar Minuten hob Sara ihren Kopf, und mit einem verzweifelten kleinen Lächeln schüttelte sie ihre braunen Locken.

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"Es ist besser, wenn ich dir weiter meine Geschichten erzähle. Dann kann ich meinen Kummer leichter ertragen, auch wenn ich ihn nicht vergessen kann."

Auf einmal spürte lrmingard einen Kloß im Hals und ihre Augen füllten sich mit Tränen.

"Lavinia und Jessie sind dicke Freundinnen", sagte sie mit heiserer Stimme. "Könnten wir nicht auch dicke Freunde sein? Natürlich nur, wenn du willst. Du bist klug, und ich bin die dümmste Schülerin der gesamten Schule, aber ich - ich mag dich sehr!"

"Das freut mich", sagte Sara. "Ich bin dir dankbar dafür, daß du mich magst. Laß uns Freunde sein. Und weißt du was?" Plötzlich strahlte ihr kleines Ge­sicht voller Tatendrang. "Ich werde dir helfen, Französisch zu lernen."




Tante Elizabeths Stimme erstummte und ich meinte dass sie ein wenig Traurig war.
"Tante Elizabeth? " - " Ja kleine Saskia?"
Ich schaute sie an und wusste nicht wie ich sie fragen sollte oder was ich sagen sollte, ihre Augen sahen so traurig aus " ich wollte dir nur sagen dass ich deine Geschichte super schön finde, auch wenn sie manchmal traurig ist" Ein kleines Lächeln huschte über Tante Elizabeths Gesicht. " Ach Saskia, weisst du, Dir erzähle ich meine Geschichten gerne, ich sehe ja immer wie sehr du dich darauf freust. Es macht mich nur manchmal traurig wenn ich daran denke dass ich keine eigenen Enkelkinder habe"
Ich überlegte kurz und hatte eine Idee
"wir können doch so tun als ob ich deine Enkelin wären, dann hätte ich eine Familie und du eine Enkelin ..."
Tante Elizabeth lachte auf " Ja so machen wir das , Aber nun schlaf kleine Saskia. Ich komme dich morgen wieder besuchen"
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Ich legte mich wiederhin und Tante Elizabeth deckte mich zu.
"Schlaf gut kleine Saskia bis morgen"
"Bis morgen Tante Elizabeth, gute Nacht "
Ich schloss meine Augen und vernahm nichts mehr, ich tauchte ein in eine andere Welt....meine Traumwelt .....


*****

So das wars dann für heute, ich hoffe diese Fortsetzung gefällt Euch :)












 
hey,
klasse ^.^ mir tut die saskia immer noch leid u,u
ansonsten gefällt mir immer noch alles und die bilder find ich auch supi ^_^
babü ^-^
 
Vielen Lieben Dank für Eure Kommis.
Ja Saskia ist nicht grade das was man ein Glückliches Kind nennt. Aber sowas gibt es leider auch im Leben.

Ich habe wieder ein wenig gebastelt und bin nun endlich fertig geworden. Hier Kommt eine Fortsetzung !!

Viel Spass beim Lesen :)

Lottie

Es wurde schon Dunkel als ich auf die Idee kam mal alleine aus meinem Bett raus zu gehen und mich einfach ohne Fremde Hilfe fort zu bewegen.
Beim ersten Mal sackten meine Knie weg. Ich lag am Boden und wollte einfach drauf los heulen, doch ich hielt inne. Was würde Sara an meiner Stelle tun? Würde sie aufgeben? Nein sie würde aufstehen und es wieder und wieder versuchen bis es klappt...
Ich weiss nich wie lange ich auf dem kalten Boden saß und ganz in meinen Gedanken vertieft war. Doch ich raffte mich zusammen und zog mich am Bett hoch. Langsam, ganz langsam ein Fuß vor den anderen.. dann hatte ich den Rollstuhl erreicht.
Ich freute mich riesig. Seit Tagen war dies ein Erfolg für mich. Wenn ich es selbst bis zum Rollstuhl schaffe dann schaffe ich es auch wieder ganz zu laufen ...
Nun saß ich in dem Rolli und wusste nicht genau was ich machen sollte, wie vonn alleine bewegte ich meine Hände zu den Rädern und fuhr drauf los. Ohne zu wissen wohin ich eigentlich wollte...

Die Zeit verging wie im Flug und ich hatte ganz vergessen dass ich heute ja noch besuch bekomme...

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" Wo ist Saskia" schilte ein schrei aus meinem Zimmer.
Oh nein ich hatte total vergessen in meinem Eifer dass Tante Elizabeth heute noch kommen wollte.

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Schnell kam Schwester Anna angerannt und versuchte Tante Elizabeth zu beruhigen.
"Sie ist nur spatzieren gefahren, machen sie sich keine Sorgen. Saskia kommt warscheinlich gleich wieder"
" Wie können Sie das kleie Kind alleine in der Welt rumfahren lassen? Ohne Begleitung ..."
Tante Elizabeth war ganz ausser sich, dabei konnte die Schwester nicht wirklich was dafür dass ich weg war.
Immer wieder redete Schwester Anna auf Tante Elizabeth ein.. doch je mehr sie sprach desto wütender wurde Tante Elizabeth.

Ich bekam davon nichts mit, denn ich war ja nicht in dem Gebäude. Ich hatte es mir draussen in dem Garten gemütlich gemacht.
Ganz in Gedanken versunken dachte ich an mein bisheriges kurzes Leben.
Ich frage mich warum man als Kind so Krank wird. Wieso ein Kind nicht einfach normal und gut beütet aufwachsen kann... Eine Antwort habe ich nicht wirklich bekommen.

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Tante Elizabeth dachte ein wenig nach und fing an mich zu suchen. Ihr fiel ein dass mir der Garten so gut gefallen hatte. Da schaute sie nach und fand mich, im Schlafanzug in meinem Rollstuhl.
Gleich kam sie auf mich zu
"Saskia liebes was machst du denn da."
Irritiert schaute ich Tante Elizabeth an... ich mache doch nichts, ich sitze nur da und denke nach.
"Du hast mich ja so erschreckt, ich dachte schon dir wäre etwas passiert"
"Warum werden Kinder denn krank Tante Elizabeth?"
Sie schaute mich irritiert an, ich sah dass sich bei ihr Tränen bildeten,

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sie schluckte kurz und setzte sich auf die bank neben mir.
"Nun Saskia, diese Frage habe ich mir schon so oft gestellt. Es können so viele Sachen sein. Ich bin schon alt und habe mir diese und andere Fragen so oft in meinem Leben gestellt. Ich habe nach einer Antwort gesucht, aber so eine richtige Antwort habe ich nicht bekommen."
"Aber es muss eine Antwort geben, es geht doch nicht dass kleine Kinder einfach so krank werden, oder keine Eltern haben. Wenn man doch auf den Mond fliegen kann, wieso kann man nicht alle Menschen gesund und glücklich machen?"
Tante Elizabeth sah ein wenig traurig aus, ich glaube es war weil ich so komische fragen stelle.
"Ja das frage ich mich auch. Aber wer weiss, vielleicht in einigen Jahren wird etwas erfunden das die meisten Krankheiten bekämpft."
"Tante Elizabeth?" "Ja ?" "es tut mir leid..."
Sie schaute mich an "Was tut dir leid Saskia?"
"Das ich dich nun traurig gemacht habe"
Tante Elizabeth sah mich erst mit großen Augen an und dann lächelte sie
"Du machst mich nicht traurig und hast es niemals getan, im Gegenteil, du machst mich sehr froh und Glücklich. Dich zu besuchen macht mir spass, wenn du meinen Geschichten zuhörst und dann seelig einschläfst. Das alles macht mich Glücklich. Ich glaube du kanns mich nicht traurig machen."
In mir machte sich ein wohliges warmes Gefühl breit als sie sprach. Doch ich sah in ihrem Gesicht dass sie trotzdem ein wenig traurig war.

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Komm Saskia, lass und rein gehen es wird frisch hier drausen. Ich erzähle dir dann von Sara weiter ja?"
"Ja Tante Elizabeth. "
Sie schob mich in meinem Rollstuhl in mein Zimmer, und um ehrlich zu sein war ich auch froh wieder in meinem Bett zu sein.

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Sie setze sich neben meine Bett. "Danke dass du so oft zu mir kommst"
" Aber kleine Saskia, ich müsste mich bei dir bedanken dass ich dich besuchen darf. Es macht mir Spass dir meine Geschichten zu erzählen, und mich mit dir zu unterhalten" Tante Elizabeth lächelte mich an...und auf ein mal konnte ich es kaum erwarten mehr von Sara zu hören. Sara ist wie ein Held für mich geworden. Irgendwie fühle ich mich mit ihr verbunden.
"Erzählst du mir wie es mit Sara weitergeht? "
"Aber natürlich, lehn dich zurück " Und so begann sie zu erzählen...

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Wenn Sara nicht Sara gewesen wäre, hätten die nächsten zehn Jahre, die sie in Miss Minchins Mädchenpensionat verbrachte, sie mit Sicherheit zum Nachteil verändert. Denn man behandelte sie nicht wie ein kleines Mädchen, sondern wie eine hochgestellte Persönlichkeit. Zum Glück war sie kein starrsinniges, überhebliches Kind, sonst wäre sie vermutlich durch die vielen Schmeicheleien absolut unerträglich geworden. Und hätte sie einen Hang zur Faulheit gehabt, dann hätte sie während der Jahre im Internat nichts gelernt. Miss Minehin hatte zwar eine tiefe persönliche Abneigung gegen Sara, aber sie war Geschäftsfrau genug, um nichts zu tun, was ihre Schülerin veranlassen könnte, der Schule den Rücken zu kehren. Ihr war klar, Captain Crewe würde seine Tochter sofort von der Schule nehmen, wenn Sara in einem Brief auch nur andeutungsweise verlauten ließ, daß sie unglücklich war. Also tat Miss Minchin alles, damit Sara sich wohlfühlte. Sie lobte Sara für ihre schnelle Auffassungsgabe und ihr gutes Benehmen, für ihre Kameradschaftlichkeit im Umgang mit ihren Mitschülerin­nen und für ihre Großzügigkeit, wenn sie einem Bettler ein kleines Geldstück aus ihrem wohlgefüllten Portemonnaie gab. Selbst die einfachste Tat Saras wurde als große Tugend gepriesen, und wenn Sara nicht so ein intelligentes Kind gewesen wäre, hätte diese Behandlung sie sicher hochmütig gemacht. Zum Glück war sie klug genug, um ihre Situation richtig einzuschätzen, und manchmal redete sie mit Irmingard über das, was ihr widerfuhr.

"Die meisten Dinge geschehen zufällig", pflegte sie zu sagen. "Zufälligerweise habe ich ziemlich viel Glück. Ich kann schließlich nichts dafür, daß ich gerne zur Schule gehe. Mir macht es Spaß, Bücher zu lesen, und es fällt mir einfach leicht, mir alles.zu merken, was ich gelernt habe. Es war auch reiner Zufall, daß ich so einen netten, wundervollen Vater habe, der mir jeden Wunsch erfüllen kann. Ich weiß gar nicht, ob ich ein gutes Herz habe. Aber ich glaube, wenn man immer alles bekommt, was man möchte, und wenn die Menschen zu einem immer nur freundlich sind, dann kann man doch eigentlich nur gute Laune haben, meinst du nicht auch?" Dann fuhr sie mit ernster Miene fort: "Ich weiß wirklich nicht, wie ich herausfinden kann, ob ich in Wahrheit ein nettes
oder ein abscheuliches Kind bin. Vielleicht bin ich ja ein gräßliches Kind, und keiner hat es bisher bemerkt, weil mich noch nie jemand wirklich auf die Probe gestellt hat."
"Lavinia wird auch nicht auf die Probe gestellt", sagte Irmingard mit uner­
schütterlichem Gleichmut, "und die ist einfach gräßlich."
Sara rieb sich nachdenklich ihre Nase und dachte angestrengt weiter nach. "Nun, vielleicht liegt es daran, daß Lavinia wächst", sagte sie schließlich.
Dies war das bemerkenswerte Ende einer langen Gedankenkette, die mit einer Äußerung Miss Amelias ihren Anfang genommen hatte. Sara hatte zufällig gehört, daß Miss Amelia befürchtete, Lavinias Gesundheit und ihr Charakter würden durch ihr schnelles Wachstum nachteilig beeinflußt.
Lavinia war gehässig und überaus eifersüchtig auf Sara. Bis zur Ankunft der neuen Schülerin war sie die unbestrittene Anführerin der Schule gewesen. Nie­mand hatte sich getraut, ihr zu widersprechen, denn dann konnte sie ungemein giftig werden. Die Erstkläßlerinnen wurden von ihr erbarmungslos unterdrückt, während sie den anderen, die genauso alt waren, wie sie selbst, mit ihrem großartigen Gehabe imponierte. Lavinia war hübsch, und bislang war sie die best gekleidete Schülerin gewesen. Doch mit Saras Samtmänteln, Pelzmuffs und Straußenfedern konnte sie nicht konkurrieren. Daher hatte sie beim allsonntäglichen Kirchgang den Platz in der ersten Reihe an Sara abtreten müssen. Das war für Lavinia schon schlimm genug gewesen. Doch mit der Zeit stellte sich heraus, daß auch Sara eine Führernatur war, die ihre Anhängerinnen durch Liebenswürdigkeit für sich einnahm, nicht durch Unterdrückung.
"An Sara Crewe gefällt mir am meisten, daß sie sich nie aufspielt, obwohl sie allen Grund dazu hätte. Ich glaube, ich wäre ganz schön eingebildet, wenn man soviel Getue um mich machte. Es ist doch einfach widerlich, wie Miss Minchin sie vorzeigt, wenn Eltern zu Besuch kommen", hatte Jessie eines Tages zu Lavinia gesagt und sich dadurch den Zorn ihrer besten Freundin zugezogen.
"Sara hier, Sara da. Liebe Sara, komm doch in den Salon und erzähl Mrs. Musgrave etwas über Indien. Die liebe Sara muß unbedingt mit Lady Pitkin französisch reden. Ihr Akzent ist einfach himmlisch." Gekonnt äffte Lavinia Miss Minchins affektierte Redeweise nach, mit der sie ihre Vorzeigeschüleririn den höchsten Tönen anpries. "Dabei hat sie nie richtigen Französischunterricht gehabt. Was ist denn schon dabei, wenn man Französisch spricht. Sie sagt ja selbst, daß sie die Worte nur aufschnappen konnte, weil ihr Vater diese Sprache gesprochen hat. Und was ist das schließlich schon, ein Vater, der Offizier in Indien ist. Pah!"
"Immerhin hat er schon einen Tiger geschossen", entgegnete Jessie gedehnt "Du hast doch das Fell gesehen, das in Saras Zimmer liegt. Sie liebt es sehr, streichelt ihm den Kopf und redet mit ihm, als wäre es eine Katze."

"Sie ist wirklich albern", herrschte Lavinia sie an. "Meine Mutter hat auch gesagt, daß ihr ständiges Geschichtenerfinden und Theaterspielen einfach lächerlich ist, total überspannt."
Es stimmte, daß Sara sich nie aufspielte. Sie hatte ein liebevolles Herz und teilte, was ihr gehörte, freigiebig mit den anderen. Sie behandelte niemanden schlecht, selbst die kleinsten Mädchen nicht, die für gewöhnlich von den zehn oder zwölfjährigen ,jungen Damen' verachtet und herumgeschubst wurden. Sie hatte etwas Mütterliches an sich. Wenn eines der kleinen Mädchen hinfiel und sich das Knie aufschlug, lief sie sofort hin, half ihm auf, streichelte es und versüßte ihm den Schrecken mit einem Bonbon.
"Wenn du vier bist, bist du vier", sagte sie mit strenger Stimme zu Lavinia, als diese Lottie eine Ohrfeige gab und sie ,unverschämtes Balg' nannte. "Ein Jahr später wirst du bereits fünf und noch ein Jahr später sogar schon sechs Jahre alt. Und schließlich dauert es nur sechzehn Jahre, bis du zwanzig bist." Dabei schaute sie Lavinia mit ihren großen, durchdringenden Augen an.
"Meine Güte!" erwiderte Lavinia schnippisch. "Du kannst aber rechnen!" Doch insgeheim war sie beeindruckt. Zwanzig Jahre - das war ein Alter, das selbst für Lavinia in unvorstellbarer Ferne lag.


Die jüngeren Schülerinnen verehrten Sara über alles, nicht zuletzt deshalb, weil sie ein paarmal eine Teeparty für sie veranstaltet hatte, bei der auch Emily anwesend war. In Emilys blaugeblümtem Teegeschirr hatte sie ihnen zuckersüßen Tee serviert. Seit diesem Nachmittag war Sara die unbestrittene Königin der gesamten ersten Klasse.
Die kleine Lottie Legh folgte ihr auf Schritt und Tritt. Lotties Mutter war bereits in jungen Jahren gestorben. Lotties Vater, ein flatterhafter, junger Mann, der nichts mit seiner kleinen Tochter anzufangen wußte, hatte sie daher kurzerhand ins Internat gesteckt. Von klein auf hatte man Lottie wie eine Spielzeugpuppe oder ein verzärteltes Schoßtier behandelt, und sie war entsetzlich verwöhnt. Wenn sie ihren Willen durchsetzen wollte, fing sie an zu kreischen und zu heulen. Und da sie ständig nach Dingen grabschte, die ihr nicht gehörten oder nicht gut für sie waren, schallte ihr schrilles Wehklagen andauernd durch das ganze Haus.
Lottie hatte einen ganz besonders wirkungsvollen Trick herausgefunden. Irgendwann einmal, kurz nach dem Tod ihrer Mutter, mußte sie aufgeschnappt haben, daß ein kleines, mutterloses Mädchen ein ganz besonders bedauernswertes Geschöpf sei, das außergewöhnlich liebevoll behandelt werden mußte. Wann immer es ihr nötig erschien, setzte sie dieses Wissen zu ihrem eigenen Nutzen ein.
Eines Morgens ging Sara an einem Zimmer vorbei, in dem Miss Minchin und Miss Amelia gerade vergeblich versuchten, die zornig brüllende Lottie zum Schweigen zu bringen. Sie kreischte so durchdringend, daß Miss Minchin ebenfalls laut werden mußte, um überhaupt Gehör zu finden.

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"Oh - oh - oh!" hörte Sara Lotties weinerliche Stimme. "Ich habe keine
Mama mehr!"
"Lottie!" rief nun auch Miss Amelia. "Hör doch auf, Liebling! Wein doch
nicht! Bitte!"
Doch Lotties Jammern wurde nur noch herzzerreißender. "Mama! Ich will meine Mama haben!"
"Man sollte sie verhauen!" sagte Miss Minchin ärgerlich. "Wenn du nicht aufhörst, du unartiges Kind, werde ich dir den Hintern verhauen!"
Daraufhin kreischte Lottie nur noch lauter. Miss Amelia brach ebenfalls in Tränen aus, und Miss Minchins Stimme überschlug sich fast. Plötzlich sprang sie aus ihrem Stuhl auf. Ohnmächtig vor Wut rauschte sie aus dem Zimmer und überließ es Miss Amelia, die Sache wieder in Ordnung zu bringen.
Sara stand in der Halle und überlegte, ob sie den Raum betreten sollte. Vielleicht gelang es ihr ja, Lottie zu beruhigen.

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Als Miss Minchin fluchtartig das Zimmer verließ, fiel ihr Blick auf Sara. Sie wurde noch ärgerlicher, als ihr klär wurde, daß man ihre zornige Stimme in der Halle hatte hören können.
"Oh, hallo Sara!" rief sie, und ein verkrampftes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
"Ich habe nur zugehört, weil es Lottie ist, die da so schreit. Vielleicht, ich dachte. .. Vielleicht kann ich sie beruhigen. Darf ich es versuchen, Miss Minchin?"
"Wenn du willst. Du bist ja so geschickt in solchen Dingen", erwiderte Miss Minchin spitz. Doch sie änderte ihr Verhalten sofort, als sie bemerkte, daß Sara durch ihr schroffes Benehmen irritiert war. "Ich glaube schon, daß du es schaffen könntest. Geh ruhig zu ihr." Mit diesen Worten verließ sie Sara.


Als Sara den Raum betrat, lag Lottie auf dem Fußboden. Sie kreischte unablässig und trat wie wild mit ihren fetten Beinchen um sich. Eine völlig aufgelöste und verschwitzte Miss Amelia beugte sich voller Bestürzung über das kleine, schreiende Ungeheuer. Lottie hatte bereits im Kinderzimmer ihres Elternhauses herausgefunden, daß sie nur lange genug schreien und mit den Beinen strampeln mußte, um alles zu bekommen, was sie haben wollte. Die arme Miss Amelia tat ihr Möglichstes, um das Kind zu beruhigen.
Erst versuchte sie es mit schönen Versprechungen, dann mit Drohungen aber nichts half.
Sara näherte sich den beiden langsam. Sie hatte noch keine Ahnung, was sie eigentlich tun wollte. Aber in ihrem Innern war sie fest davon überzeugt, weder Schmeicheleien noch Drohungen das richtige Mittel waren, um ans Ziel zu gelangen.
"Miss Amelia", sagte sie leise. "Miss Minchin hat gesagt, ich darf versuchen Lottie zu beruhigen. Sind Sie auch einverstanden?"
Miss Amelia drehte sich ganz verzweifelt zu ihr um. "Meinst du denn, daß du das schaffst?" keuchte sie.
"Ich weiß es nicht", antwortete Sara immer noch flüsternd, "aber ich kann es doch immerhin versuchen."
Ächzend und seufzend erhob sich Miss Amelia, während Lottie weiter wie wild um sich trat.
"Sie können ruhig gehen", sagte Sara. "Ich werde bei ihr bleiben."
"Ach, Sara!" Miss Amelias Stimme war nur noch ein Wimmern. "So ein furchtbares Kind hatten wir noch nie. Ich glaube nicht, daß wir sie hier behalten können."
Dann verließ sie erleichtert den Raum.
Ein paar Minuten lang stand Sara einfach nur da und betrachtete das heulende, zornige Kind, ohne ein Wort zu sagen.

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Dann setzte sie sich still neben Lottie auf den Fußboden und wartete. Nur Lotties wütende Schreie waren noch zu hören. Das hatte die kleine Miss Legh noch nie erlebt. Sie war daran gewöhnt, daß die Leute ihr drohten oder schmeichelten, um sie zu beruhigen. Daß aber jemand einfach still neben ihr saß, während sie schrie und trat und strampelte, erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie öffnete ihre verheulten Augen, um zu sehen, wer denn da neben ihr saß. Und siehe da, es war das Mädchen, dem so viele faszinierende Dinge gehörten, wie zum Beispiel die wunderschöne Puppe Emily. Vor lauter Staunen vergaß Lottie zu weinen, so ungewohnt war es für sie, beim Schreien nur ruhig beobachtet zu werden. Einen halbherzigen Versuch machte sie noch.
"Ich habe, habe keine Mama, Mama!" verkündete sie, aber ihre Stimme war viel leiser geworden. Sie schluchzte noch ein bißchen.
Sara schaute sie verständnisvoll an. "Ich habe auch keine", sagte sie.
Das kam so unerwartet, daß Lottie vor Verblüffung ihre Beinchen ausstreckte, stillliegen blieb und Sara anstarrte. Diese neue Idee fasziniene sie und lenkte sie von ihrem Kummer völlig ab. Außerdem mochte sie Sara, während sie Miss Minchin unausstehlich und Miss Amelia einfach blöd fand. Eigentlich wolte Lottie zwar ihren Kummer keineswegs vergessen, aber ihre Gedanken waren abgelenkt. Sie wälzte sich herum und fragte schmollend: "Wo ist deine Mama"
Sara überlegte einen Augenblick. Man hatte ihr oft erzählt, daß ihre Mutter im Himmel sei. Darüber hatte sie viel nachgedacht, und wie immer war sie zu ganz anderen Schlußfolgerungen gekommen, als die anderen Leute.
"Sie ist im Himmel", sagte sie dann. "Aber ich bin sicher, daß sie manchmal herunter kommt, um mich zu beobachten, auch wenn ich sie nicht sehen kann. Deine Mama macht das bestimmt auch. Wahrscheinlich schauen sie uns beide zu, hier in diesem Raum."
Lottie setzte sich kerzengerade hin und schaute sich um. Sie war ein hübscher, kleiner Lockenkopf, und ihre großen Kulleraugen schimmenen dunkelblau wie Vergißmeinnicht. Wenn ihre Mama sie in der letzten halben Stunde beobachtet hatte, war sie bestimmt böse mit ihr. Denn Lottie hatte sich wie ein kleiner Teufel benommen, nicht wie ein Engelchen.
Sara fuhr mit ihrer Geschichte fort und ihre Erzählung war so anschaulich daß Lottie, ohne es zu wollen, anfing zuzuhören. Bis jetzt hatte man ihr erzählt, daß ihre Mama nun Flügel hätte und eine Krone auf dem Kopf. Man hatte ihr sogar Bilder von Frauen in langen, weißen Nachthemden gezeigt. So sollten angeblich Engel aussehen. Doch das hatte Lottie alles nicht überzeugt. Aber die Personen aus Saras Geschichte schienen wirklich zu existieren.

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"Da gibt es viele, viele Wiesen mit Blumen" , sagte Sara, und wie immer, wenn sie eine Geschichte erzählte, hatte sie alles um sich herum vergessen. "Wiesen mit tausenderlei Lilien, über die der Wind hinwegstreicht und deren Duft er überall verteilt, so daß jeder ihn einatmen kann. Kleine Kinder tummeln sich
in den Lilienfeldern. Sie lachen, pflücken Blumen und flechten Kränze. Die Straßen glänzen wie Gold, und niemand wird jemals müde, ganz gleich lange er spazierengeht. Die Leute dürfen überall hingehen. Es gibt zwar eine Mauer rund um die Stadt. Doch sie ist aus lauter Perlen und Gold und nur so hoch, daß sich die Menschen bequem daran anlehnen können, um von dort auf die Erde hinabzuschauen und kleine Botschaften herunterzusenden. "
Sicher hätte auch jede andere Geschichte Lotties Kummer besänftigt. Aber diese Erzählung erschien ihr schöner als alles, was sie je zuvor gehört hatte. Sie drängelte sich näher an Sara heran und sog jedes Wort begierig ein, um nur ja nichts zu verpassen. Als Sara mit ihrer Erzählung aufhörte, schien neues Unheil heraufzuziehen. Lottie zog eine Schnute und schluchzte: "Da will ich auch hin. Hier habe ich überhaupt keine Mama."
Da klingelte eine Alarmglocke in Saras Kopf, und sie tauchte aus ihren Träumemereien wieder auf. Sie nahm Lotties Patschhändchen und zog sie noch näher zu sich heran.

"Ich werde deine Mama sein", sagte sie. "Wir werden einfach so tun, als wärst
du meine kleine Tochter. Und Emily wird deine Schwester sein."
Lotties Augen leuchteten auf.
"Wirklich?" fragte sie.
"Na klar", antwortete Sara und sprang auf. "Komm, wir wollen es ihr gleich
erzählen. Anschließend werde ich dir das Gesicht waschen und deine Haare kämmen."
Lottie war mehr als einverstanden und trottete hinter Sara her. Sie hatte völ­lig vergessen, daß das ganze Drama der letzten Stunde nur deshalb entstanden war, weil sie sich geweigert hatte, sich vor dem Mittagessen zu waschen und zu kämmen.
Von diesem Tag an war Sara Lotties Adoptivmutter.





Tante Elizabeths Stimme erstummte. Ich saß immernoch auf meinem Bett und irgendwie fühlte ich mich gar nicht müde.

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"Stimmt etwas nicht Saskia?" Ich schaute Tante Elizabeth an
"Nein alles in ordnung, ich habe nur nachgedacht. Die Sara ist schon ein wundervolles Mädchen... sie kann fast alles und ich stelle sie mir sehr hübsch vor."
"Ja das ist sie, sie ist Klug und auch wunderschön, so wie du"
Ich seufzte leise " Wenn ich gross bin und dann werde ich ein Mädchen bekommen, sie wird dann auch Sara heissen und ich weiss dass sie hübsch und klug sein wird"
Tante Elizabeth lächele mich an und man konnte es ihr ansehen dass dieser Gedanke ihr gefiel. "und du Tante Elizabeth wirst auch da sein denn immerhin habe ich den Namen von dir, dann kannst du ihr auch Geschichten erzählen."
"Ja so machen wir das. Aber nun legst du dich hin und schläfst ein wenig. Ich komme morgen wieder und erzähle dann weiter."

Sie stand auf und ging zur Tür, da drehte sie sich nochmal um "Gute Nacht kleine Saskia und träum was schönes"

"Gute Nacht Tante Elizabeth...."
Kaum war die Tür geschlossen trugen mich meine Gedanken ganz weit weg....


******

Ich hoffe dieser Teil hat Euch gefallen. Ich versuche schnell wieder eine Fortsetzung zu machen :hallo:









 
Naduah schrieb:
gefällt mir echt gut

Danke Für dein Kommi, ich hoffe der rest gefällt dir auch :)

~*Kurai*~hey,
klasse ^.^ mir tut die saskia immer noch leid u,u
ansonsten gefällt mir immer noch alles und die bilder find ich auch supi ^_^
babü ^-^

Auch bei dir möchte ich mich bedanken :)

~single1~Tschuldige, dass ich erst jetzt schreibe, habs nicht gesehen. Suupaa, Maggy!! Ich kipp gleich vom Stuhl und bin am Heulen, wenn ich deine FS lese!!!

Du brauchst dich nicht zu entschuldigen :) .
Ich muss zugeben ich hatte auch nicht soo viel Zeit. Aber ich bemühe mich euch nicht all zu lang warten zu lassen.
*Single ein Taschentuch rüber reicht* Du musst nicht weinen, obwohl als ich am schreiben war kamen mir manchmal auch eins zwei tränchen.

Freue mich wenn ihr weiter lest :)



 
hey ^^
uuuuh... danke das du dich bedankst @.@ *grinsii*
nayu.... ich kann nur wieder sagen das es mir super gefällt O.O
babü
 
~*Kurai*~ schrieb:
hey ^^
uuuuh... danke das du dich bedankst @.@ *grinsii*
nayu.... ich kann nur wieder sagen das es mir super gefällt O.O
babü


Freut mich tierisch dass es Dir gefällt.
So macht das schreiben um so mehr spass wenn man weiss dass die Geschichte auch gefällt :)

Ich werde vorraussichtlich am Samstag den nächsten Teil online stellen :)
 
Maggy79 schrieb:
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"Papa!', wisperte sie geheimnisvoll, "Papa."

"Was ist los, mein Liebes?" fragte Captain Crewe und drückte sie fester an sich. .


Mitschülerin­nen
uner­schütterlichem
Nie­mand
völ­lig




Lottie war mehr als einverstanden und trottete hinter Sara her. Sie hatte völ­lig vergessen, daß das ganze Drama der letzten Stunde nur deshalb entstanden war, weil sie sich geweigert hatte, sich vor dem Mittagessen zu waschen und zu kämmen.
Von diesem Tag an war Sara Lotties Adoptivmutter.






Tante Elizabeths Stimme erstummte. Ich saß immernoch auf meinem Bett und irgendwie fühlte ich mich gar nicht müde.


"Stimmt etwas nicht Saskia?" Ich schaute Tante Elizabeth an
"Nein alles in ordnung, ich habe nur nachgedacht. Die Sara ist schon ein wundervolles Mädchen... sie kann fast alles und ich stelle sie mir sehr hübsch vor."





Hallo Maggy :hallo:

Erstmal finde ich deine FS sehr schön und interessant, habe sie heute erst endeckt. zum 1 Kapitel: du schreibst das sie sich eng an den Papa Kuschelt (drückt) aber auf dem Bild ist so viel Platz zwischen den beiden. naja egal ist mir nur aufgefallen.

das Problem mit den &shy ist schon mal angesprochen worden, es hat sich auch gebessert nur ist dir da noch was durchgerutscht. Ist aber nicht so schlimm.
Wo du noch drauf Achten solltest, da du dich für 2 Schrifttypen entschieden hast, das du sobald sich Tante Elisabeth wieder mit Saskia unterhält die Schrift ändert. siehe oben

Ansonsten kann ich nur sagen MACH WEITER SO ,

Bitte nicht Böse sein wegen meiner Kritik, ist nicht böse gemeint :D

Ach wegen meines Nick: jessy1192005 Es reicht wenn du jessy schreibts.

Liebe Grüsse jessy
 
Zuletzt bearbeitet:
jessy1192005 schrieb:
Hallo Maggy :hallo:

Erstmal finde ich deine FS sehr schön und interessant, habe sie heute erst endeckt. zum 1 Kapitel: du schreibst das sie sich eng an den Papa Kuschelt (drückt) aber auf dem Bild ist so viel Platz zwischen den beiden. naja egal ist mir nur aufgefallen.

das Problem mit den &shy ist schon mal angesprochen worden, es hat sich auch gebessert nur ist dir da noch was durchgerutscht. Ist aber nicht so schlimm.
Wo du noch drauf Achten solltest, da du dich für 2 Schrifttypen entschieden hast, das du sobald sich Tante Elisabeth wieder mit Saskia unterhält die Schrift ändert. siehe oben

Ansonsten kann ich nur sagen MACH WEITER SO ,

Bitte nicht Böse sein wegen meiner Kritik, ist nicht böse gemeint :D

Ach wegen meines Nick: jessy1192005 Es reicht wenn du jessy schreibts.

Liebe Grüsse jessy

Hallo Jessy,
Danke schön für dein Komentar, das Freut mich riesig :)
Ich bin dir überhaupt nicht böse, das mit dem &shy kann daher kommen dass ich es von MS word rauskopiere und hier einfüge, keine ahnung, aber ich versuche natürlich immer dies zu korrigieren.

Leider hatte ich dank meines Umzuges die letzten Tage kaum Zei zum Spielen, eben habe ich meinen PC aufgebaut. Inet funktioniert endlich auch wieder. Das heisst sobald ich hier soweit erledigt habe geht es weiter.
 
Becky

So nach einer Längeren Zwangspause geht es nun hier weiter.

Ich hoffe Euch gefällt diese Geschichte weiterhin :)




Becky

Heute war es mir wieder sehr schlecht, ich glaube ich war mal wieder zu übermutig.
Ich hatte mich so sehr gefreut dass ich wieder einige Schritte alleine Laufen kann und dann kam ein böser Rückfall. Nun wurde mir strenge Bettruhe verordnet und alle Stunde kommt eine Schwester in mein Zimmer und schaut nach ob ich diese auch einhalte.

Ich lag in meinem Bett und machte meine Augen zu, die Wände dieses Krankenhauses ödeten mich schon langsam an. Ich wollte wieder zur Schule gehen, wieder mit meinen "Freunden" aus dem Heim spielen, doch ich war hier gefangen in einem Krankenbett.
Ich horchte au, als ich eine bekannte Stimme im Flur erkannte. Ich wollte mich aufsetzen doch nicht mal das schaffte ich alleine. Ich hasste diese Medikamente, manchmal glaube ich dass diese mich so schwach machten. Ich versuchte angestrengt mitzubekommen um was es da ging doch ich verstand kein Wort.
Ich ließ mich einfach wieder ins Kissen sinken und wartete ab.

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"Ich möchte Sie bitten die kleine Saskia nicht zu sehr zu überfordern. Sie ist in letzter Zeit sehr schwach und das macht auch ihrern Zustand sehr Kritisch" - " Du meine Güte was ist denn mit der kleinen, gibt es da nicht etwas was ihr helfen würde?"
"Saskia wird von Tag zu Tag schwächer, wir sind leider keine Wunderheiler, aber wir haben eine Zusage dass wir die neuen Medikamente aus den USA bald bekommen. Wenn wir Glück haben wird es ihr bald besser gehen, aber bis dahin muß sie sich schonen"

Tante Elizabeth nickte traurig und machte sich auf den Weg zu meinem Zimmer.

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Als sie das Zimmer betrat hatte sie eine sehr traurigen Ausdruck in ihrem Gesicht.
"Tante Elizabeth , schön dass du gekommen bist" meite ich als ich sie erkannte, doch mich aufsetzen konnte ich nicht.
Sie nahm sich einen Stuhl und setze sich an mein Bett, als sie die ganzen Infusionen sah konnte man die Traurigkeit in ihren Augen sehr deutlich sehen.

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"Hallo kleine Saskia, wie geht es dir heute?"
"Danke schon besser. Erzählst du mir wieder wie die Geschichte Weitergeht?" fragte ich schwach und bittend.
Tante Elizabeth schluckte und meinte sie würde gleich beginnen.

Ich konnte nicht mehr auf der linken Seite liegen und drechte mich so gut wie es ging um, damit ich es gemütlich habe.

"Tante Elizabeth?" - " Ja Saskia?" - " Wenn ich die neuen Medikamente bekomme, können wir dann zusammen Eis essen gehen?"
Eine Pause enstand und man merkte dass Tante Elizabeth mit den Tränen kämpfte. Ich musste es nicht sehen ich konnte es spühren. Dafür schämte ich mich.
"Ja natürlich Saskia. Du bekommst dann von mir so viel Eis wie du nur essen kannst. Aber nun mach es dir bequem ich fange mal mit der Geschichte an."


Saras größtes Talent, um das sie alle beneideten, war ihre Fähigkeit, herrliche Geschichten zu erfinden.
Alles, was sie erzählte, klang wie ein Märchen, gleichgültig, ob es wahr war oder nicht.
Dieses Talent verschaffte ihr mehr Anhängerinnen, als all ihr Luxus oder die Tatsache, daß sie der Star der Schule war.
Jeder, der während seiner Schulzeit einen Märchenerzähler in seiner Klasse gehabt hat, weiß, wie unglaublich toll das ist.
Er hat bestimmt miterlebt, wie toll das ist. Er hat bestimmt miterlebt, wie der jeweillige Schüler oder die Schülerin immer wieder
flehentlich gebeten wird, neue Abenteuer zu erfinden, und wie alle anderen um die Gunst buhlen, zuhören zu können.
Sara liebte es über alles, Geschichten zu erzählen. Wenn sich eine Gruppe um sie scharte und sie anfing, wundersame Begebenheiten auszumalen,
wurden ihre grünen Augen größer und leuchteneder und ihre Wangen bekamen einen rosigen Schimmer. Sie redete nicht nur, sondern ließ ihre Geschichten lebendig werden, indem sie ihre Stimme veränderte und das Gesagte durch die Bewegungen ihrer Hände und ihres Körpers verdeutlichte.
Dabei vergaß sie völlig, daß sie Zuhörer hatte. Sie ging ganz in ihren Geschichten auf. Ja, sie wurde eins mit den Personen, die sie erfand, mit Feen und Elfen, mit Königinnen und Hofdamen. Manchmal war sie am Ende einer Geschichte völlig außer Atem vor Aufregung und mußte dann ein bißchen über sich selbst lächeln.
"Während ich meine Geschichten erzähle, kommt mir alles ganz wirklich vor. Ich vergesse immer, daß ich mir die Sachen selbst ausdenke", sagte sie.
"Meine Erfindungen erscheinen mir echter als ihr oder das Klassenzimmer. Ich habe das Gefühl, daß ich alle Personen, von denen ich spreche, auch verkörpere,
eine nach der anderen. Seltsam!"
Es geschah an einem nebligen Winternachmitag, als Sara von einer Spazierfahrt zurückkam. Sie lebte jetzt bereits seit zwei Jahren in Miss Minchins Mädchenpensionat.
Wohlig verpackt in ihren wärmsten Samtmantel, die Hände in einem Muff aus Pelz vergraben, stieg sie aus ihrer Kutsche.

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Als sie auf dem bürgersteig vor Miss minchins Haus stand, erblickte sie
plötzlich auf der Kellertreppe ein schmutziges, kleines Mädchen, das sich den Hals verrenkte und mit weit aufgerissenen Augen durch die Gitterstäbe nach Sara Ausschau hielt. Sara fühlte sich von dem verschmierten Gesichtchen, das so eifrig und furchtsam zugleich zu ihr aufschaute, sofort angezogen, und sie lächelte dem fremden Mädchen zu.
Der kleine Dreckspatz mit den großen Augen verkroch sich erschreckt. Ein Küchenmädchen hatte schließlich nicht das Recht, eine der Schülerinnen anzu­starren. So plötzlich, wie sie gekommen war, verschwand sie wieder in der Küche. Hätte sie nicht so einen verlorenen, hilfsbedürftigen Eindruck gemacht, hätte Sara sicher über sie gelacht.

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Am gleichen Abend saß Sara wieder einmal umgeben von ihrer treuen Zuhörerschaft in einer Ecke des Klassenzimmers und erzählte eine neue Geschichte. Da bemerkte sie, wie die ängstliche, kleine Gestalt vom Nachmittag den Raum betrat. Das Mädchen schleppte einen Eimer mit Kohlen, der viel zu schwer zu sein schien, und kniete vor dem Kamin nieder, um das Feuer wieder anzufachen und die Asche wegzuräumen.
Es war sauberer als am Nachmittag, als es durch die Gitterstäbe gespäht hatte, aber es schien immer noch sehr furchtsam zu sein. Es hatte ganz offensichtlich Angst, die Mädchen anzusehen oder der Geschichte zu lauschen. Ganz behut­sam, Stück für Stück legte es die Kohlen ins Feuer, um nur ja kein störendes Geräusch zu verursachen. Als Sara bemerkte, daß das Küchenmädchen so lang­sam wie möglich arbeitete, um wenigstens hier und da ein Wort aufzuschnappen, begann sie sogleich lauter und deutlicher zu sprechen.
"Die Meerjungfrauen tummelten sich in dem kristallklaren, grünen Wasser und zogen ein Fischernetz aus schwarzen Perlen hinter sich her" , sagte sie. »Die Prinzessin saß auf einem weißen Felsen und schaute ihnen zu."
Sara hatte sich eine wundervolle Geschichte ausgedacht, in der es um die Lie­be zwischen einem Meeresprinzen und einer Menschenprinzessin ging. Das Märchen endete damit, daß die Prinzessin ihrem Geliebten in die glänzenden Höhlen auf dem Grund des Meeres folgte und dort mit ihm zusammenlebte.
Das Küchenmädchen fegte den Kamin wieder und wieder - einmal, zweimal, dreimal. Sie hatte ganz und gar vergessen, daß sie eigentlich kein Recht hatte, der Geschichte zuzuhören. Sie kniete vor dem Kamin und hielt den Besen untätig in ihren Händen. Saras Stimme nahm sie gefangen und entführte sie auf den Grund des Meeres, in verschlungene Meeresgrotten, die von sanftem, bläulichem Licht erleuchtet wurden und mit goldenem. Sand gepflastert waren. Seltsame Seepflanzen umwehten sie, und wie von weitem drang das Echo von glockenhellem Gesang und märchenhafter Musik an ihr Ohr.
Der Kaminbesen entfiel ihren Händen, die durch die harte Arbeit schon ganz rauh geworden waren, und Lavinia Herbert drehte sich um.
"Das Mädchen hat gelauscht", sagte sie.

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Die Missetäterin schnappte ihren Besen und sprang auf. Sie griff sich den
Kohleneimer und hastete wie ein erschrecktes Kaninchen aus dem Raum.
Sara wurde wütend.

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"Ich hab gewußt, daß sie zuhört", sagte sie. "Warum auch nicht?"
Mit einem eleganten Schwung warf Lavinia ihren Kopf zurück und sagte schnippisch: "Ich weiß nicht, ob deine Mama es gern hätte, wenn du Dienst­mädchen Geschichten erzählst. Meine Mama hätte mit Sicherheit etwas dagegen. "
"Meine Mama!" sagte Sara mit einem sonderbaren Ausdruck in den Augen. "Ich glaube nicht, daß sie irgend etwas dagegen hätte. Sie weiß, daß Geschichten für alle da sind."
"Und ich dachte, daß deine Mutter tot ist", erwiderte Lavinia schlagfertig.
"Wie kann sie da überhaupt etwas wissen?"
"Glaubst du etwa, daß sie nicht Bescheid weiß?" entgegnete Sara finster.
"Saras Mutter weiß alles", piepste Lottie. "Und meine Mama auch. Außer­
dem ist Sara in Miss Minchins Schule meine Mama. Meine richtige Mutter weißaber alles. Da sind glänzende Straßen und ganz, ganz viele Lilien, die jeder pflücken darf. Sara erzählt mir immer davon, wenn sie mich ins Bett bringt."
"Weißt du nicht, daß man keine Märchen über den Himmel erzählen darf", wollte Lavinia von Sara wissen.
"In der Bibel stehen noch viel tollere Geschichten", gab Sara ihr patzig zur Antwort. "Du brauchst nur nachzusehen! Woher willst du denn wissen, daß ich Märchen erzähle? Du wirst es jedenfalls nie herausfinden, bevor du nicht ein bißchen netter zu den Menschen bist als jetzt." Dann nahm sie Lottie an die Hand und fuhr fort: "Komm, Lottie, wir gehen!" Wütend stapfte sie aus dem Zimmer. Vergeblich versuchte sie, das kleine Dienstmädchen aufzustöbern. Es war wie vom Erdboden verschluckt.
"Wer ist das kleine Mädchen, das für die Kaminfeuer zuständig ist?" fragte sie ihre Zofe Mariette.
Mariette freute sich, daß sie Sara ein bißchen Klatsch erzählen konnte, und
berichtete alles, was sie wußte. .
Das kleine Ding, das so einsam aussah, hatte gerade die Stelle als Küchenmagd angetreten, aber im Grunde war sie Mädchen für alles. Sie mußte nicht nur die Kamingitter reinigen, sondern auch Schuhe putzen, schwere Kohleneimer schleppen, den Fußboden schrubben und Fenster putzen. Jeder nutzte sie nach Kräften aus. Sie war vierzehn Jahre alt, aber so klein für ihr Alter, daß sie höch­stens wie zwölf aussah. Sie tat Mariette schrecklich leid. Sie war so ängstlich und furchtsam. Selbst wenn man sie nur ansprach, schienen ihr vor Schreck fast die Augen aus dem Kopf zu fallen.
"Kennst du ihren Namen?" wollte Sara wissen. Sie saß am Tisch, den Kopf
in beide Hände gestützt, und lauschte aufmerksam Mariettes Bericht.
Der Name des Küchenmädchens war Becky. Mariette hatte ihn schon oft gehört, weil es andauernd hieß: "Becky, tu dies. Becky, tu das."
Lange nachdem Mariette sie verlassen hatte, saß Sara immer noch da, starrte ins Feuer und dachte über Becky nach. Sie erfand eine Geschichte, in der Becky die Hauptrolle spielte. Sie war eine unglückliche Heldin, der man übel mitgespielt hatte. Sara fand, daß Becky aussah, als hätte sie noch nie genug zu essen bekommen. Ihre Augen bettelten förmlich vor Hunger. Sara wollte sie unbe­dingt wiedersehen. Sie traf sie auch einige Male auf der Treppe. Aber entweder war Becky zu beschäftigt, oder sie hatte Angst davor, gesehen zu werden, so daß es unmöglich war, mit ihr zu sprechen.

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Erst ein paar Wochen später - es war wieder ein nebeliger Nachmittag - er­gab sich eine Gelegenheit. Als Sara ihr Wohnzimmer betrat, stutzte sie über den ungewohnten Anblick. Da saß Becky in ihren rußigen Kleidern, das Gesicht voller Kohlenstaub in Saras Lieblingssessel vor dem lodernden Kaminfeuer und schlief. Ihr Häubchen war verrutscht, und ein leerer Kohleneimer stand neben ihr. Sie schien völlig erschöpft zu sein, obwohl sie doch seit langen Jahren an harte Arbeit gewöhnt war. Man hatte ihr befohlen, die Schlafzimmer in Ordnung zu bringen, und so war sie den ganzen Tag treppauf und treppab gerannt. Saras Zimmer hatte sie sich bis zuletzt aufgehoben, denn ihre Räume waren an­ders als die anderen. Die meisten Zimmer waren nur spärlich möbliert, weil man von den Schülerinnen erwartete, daß sie sich mit dem Notwendigsten zufrieden gaben. Saras gemütliches Wohnzimmer erschien dem Küchenmädchen daher unvorstellbar luxuriös, obwohl es im Grunde nur ein geräumiges, helles Zimmer war. Aber da gab es viele Bilder und Unmengen von Büchern und seltsame Gegenstände, die aus dem fernen Indien stammten. Da stand ein Sofa und ein niedriger, weicher Sessel. Emily hatte einen Stuhl ganz für sich allein, auf dem sie wie eine Göttin thronte. Im Kamin brannte ständig ein behagliches Feuer, und das Kamingitter glänzte vor Sauberkeit. Becky sparte sich Saras Zimmer immer bis zuletzt auf, denn hier fühlte sie sich besonders wohl. Manch­mal gelang es ihr sogar, sich für ein paar Minuten in den weichen Sessel zu setzen und sich auszuruhen. Dann schaute sie sich für gewöhnlich mit staunenden Augen um, völlig verwundert darüber, daß man im Leben soviel Glück haben konnte wie Sara.
Als Becky sich an diesem Nachmittag in dem Sessel niedergelassen hatte, um ihre schmerzenden Beine auszuruhen, hatte sie sich sofort viel besser gefühlt. .

Die wohlige Wärme des Kamins hatte sie eingelullt. Sie hatte ins Feuer gestarrt, ein kleines Lächeln auf ihrem schmutzigen Gesichtchen, bis ihr vor Müdigkeit die Augen zufielen. Im Nu war sie fest eingeschlafen.


Als Sara zehn Minuten später das Zimmer betrat, schlief Becky so fest wie Dornröschen, auch wenn sie nicht im entferntesten wie eine schlafende Prinzessin aussah,sondern wie eine häßliche, erschöpfte, kleine Küchenmagd.


Im Vergleich dazu erschien Sara wie ein Wesen aus einer anderen Welt.
Sie kam gerade von der Tanzstunde, die immer das wichtigste Ereignis der
gesamten Woche darstellte. An diesem Tag trugen die Schülerinnen ihre hübschesten Kleider, und Sara ließ sich von Mariette immer besonders fein machen. Sara besaß ein natürliches Gefühl für Rhythmus, und sie bewegte sich leicht und ungezwungen. Daher fiel ihr der Unterricht leicht und sie machte große Fortschritte.
An diesem Nachmittag trug Sara ein rosafarbenes Kleid. Mariette hatte ihr echte Rosenknospen gekauft und daraus ein Haarkränzchen geflochten. Sara hatte einen neuen Tanz gelernt, und sie war durch den Tanzsaal geschwebt wie ein großer Schmetterling. Ihr Gesicht hatte voller Freude gestrahlt.

Mit ein paar zierlichen Tanzschritten betrat sie ihr Zimmer - und da saß
Becky und schlief.
"Oh!" rief Sara leise aus. "Das arme Ding!"
Sie war nicht böse darüber, daß ihr Lieblingssessel von einem kleinen,
schmutzigen Wesen in Beschlag genommen worden war. Sie freute sich sogar darüber. Jetzt war endlich die Gelegenheit gekommen, um mit Becky zu sprechen. Sara näherte sich ihr vorsichtig und schaute Becky an, die leise vor sich. hin schnarchte.
"Hoffentlich wacht sie von alleine auf", sagte Sara. "Ich möchte sie nicht wecken. Aber Miss Minchin wird sehr verärgert sein, wenn sie herausfindet, daß Becky eingeschlafen ist. Ein paar Minuten werde ich noch warten."
Sie setzte sich auf die Tischkante, schaukelte mit ihren schlanken, rosigen Beinen und überlegte, was sie tun sollte. Jeden Augenblick konnte Miss Amelia
hereinkommen, und dann würde Becky ausgeschimpft werden.

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"Aber sie ist so müde", dachte Sara. "So abgrundtief müde!"
Ein glühendes Stück Kohle bereitete ihrer Unentschlossenheit ein Ende. Zischend brach es auseinander und fiel auf das Kamingitter . Becky erwachte und schnappte ängstlich nach Luft. Sie hatte gar nicht gemerkt, daß sie eingeschlafen war. Sie hatte sich doch nur einen Augenblick lang hingesetzt und ausgeruht. Mit schreckgeweiteten Augen starrte sie die wunderhübsche Schülerin an, die sie interessiert beobachtete und ihr wie eine rosafarbene Elfe vorkam.
Becky sprang auf und versuchte hastig, ihr verrutschtes Häubchen wieder zu ordnen. Oh Gott, dafür würde sie sicher gehörig bestraft werden! Wie konnte sie nur so frech sein und sich einfach in diesen wundervollen Sessel setzen und dann auch noch einschlafen! Sicher würde man sie aus dem Haus werfen.
Sie schluchzte verzweifelt.
"Oh, Miss! Bitte!" stammelte sie "Tschuldigung, Miss. Tut mir leid, ehrlich." Sara hüpfte von ihrer Tischkante.
"Du mußt keine Angst haben", sagte sie und näherte sich Becky. "Das macht
doch überhaupt nichts."
"Aber ich hätt's nich' tun sollen, Miss", entgegnete Becky.

"Die Hitze war schuld - ich war so müde. Ich wollt' nicht' unhöflich sein!"
Sara lächelte sie freundlich an und legte ihr beruhigend die Hand auf die
Schulter.
"Du warst müde und konntest nichts dafür", sagte sie. "Du bist auch jetzt
noch nicht richtig wach."
Becky starrte sie an. Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte jemand so nett und freundlich mit ihr gesprochen. Sonst wurde sie immer nur herumkomman­diert, ausgeschimpft und geohrfeigt. Aber dieses kleine Mädchen in seinem rosa Tanzkleid behandelte sie kein bißchen von oben herab. Sie gestand ihr sogar das Recht zu, müde zu sein und einzuschlafen!
"Und Sie sin' nich' böse, Miss?" wollte Becky wissen. "Sie werden's nich' weitersagen?"
"Nein", rief Sara schnell. "Natürlich nicht."
Sara konnte die nackte Verzweiflung, die in Beckys kohlen verschmiertem
Gesicht zu lesen war, nicht ertragen. Plötzlich hatte sie wieder einen ihrer seltsamen Einfälle. Sanft berührte sie Beckys Wange und sagte: "Im Grunde sind wir doch völlig gleich. Ich bin doch auch nur ein kleines Mädchen. Es ist nur ein Zufall, daß ich nicht du bin und du nicht ich!"
Becky verstand überhaupt nichts mehr. An solche erstaunlichen Gedankengänge war sie nicht gewöhnt. Für sie gab es nur schlimme Zufälle. Ein böser Zufall war es, wenn jemand überfahren wurde, von der Leiter fiel oder ins Krankenhaus gebracht werden mußte.
"Ein Zufall, Miss", flüsterte sie unterwürfig. "Ist es das?"
"Ja", antwortete Sara und schaute sie einen Augenblick lang verträumt an.
Erst einige Sekunden später fiel ihr auf, daß Becky nichts von dem verstanden hatte, was sie ihr zu sagen versuchte.
"Hast du deine Arbeit erledigt?" fragte sie. "Oder kannst du noch ein paar
Minuten hierbleiben?"
Das verschlug Becky erneut den Atem.
"Hier, Miss? Ich?"
Sara rannte zur Tür, öffnete sie und schaute sich suchend um.
"Es ist niemand zu sehen", erklärte sie. "Wenn du mit den Schlafzimmern fertig bist, kannst du doch ein bißchen bei mir bleiben. Wir könnten ein Stück Kuchen zusammen essen."
Die folgenden Minuten erschienen Becky wie ein Traum. Sara öffnete einen Schrank und gab ihr ein dickes Stück Kuchen. Es machte ihr Spaß zuzusehen, wie es hungrig verschlungen wurde. Sie redete mit Becky und lächelte, bis Beckys Furcht langsam weniger wurde. Nach einer Weile hatte sie genügend Mut gefaßt, um ein paar Fragen zu stellen, die ihr am Herzen lagen.
"Ist das dein bestes?" wollte sie von Sara wissen und zeigte auf das rosafarbene Kleid. Sie nuschelte so leise vor sich hin, daß ihre Worte kaum zu verstehen
waren.
"Es ist eines meiner Tanzkleider" , antwortete Sara. "Mir gefällt es, und dir?" . Becky war sprachlos vor Bewunderung. Mit ehrfürchtiger Stimme sagte sie:
"Ich hab' mal 'ne Prinzessin geseh'n. Bei Covin' Garden. Da gingen lauter feine Leute in die Oper. Eine wurde am meisten angestarrt. Das war 'ne Prinzessin. Ich hab's genau gehört. Sie war schon alt, aber alle ihre Sachen war'n rosa das Kleid, der Mantel, sogar die Blumen. Als ich Sie da auf'm Tisch sitzen sah, hab' ich gleich dran gedacht. Sie sah'n genauso aus."
"Ich habe schon oft überlegt, ob es mir gefallen würde, eine Prinzessin zu sein", sagte Sara nachdenklich. "Ich habe keine Ahnung, wie ich mich dabei fühlen würde. Ich glaube, ich werde einfach eine Zeitlang so tun, als wäre ich eine.
Becky himmelte Sara voller Bewunderung an, obwohl sie schon wieder

nichts verstanden hatte. Einen Moment später wollte Sara noch etwas wissen.

"Becky", sagte sie, "du hast doch damals zugehört, als ich die Geschichte erzählt habe?"
Ja, Miss", gab Becky zu und war gleich wieder auf der Hut.

"Ichweiß, das war nich' recht, aber es war zu toll - ich konnt' einfach nich' anders."
"Ich habe mich gefreut, daß du zugehört hast", sagte Sara. "Ich freue mich immer, wenn den Menschen meine Geschichten gefallen. Möchtest du, daß ich
dir das Ende des Märchens erzähle?"
Becky verschluckte sich fast vor Schreck.
"Mir?" rief sie ungläubig. "Ich bin doch keine Schülerin, Miss! Diese Geschichte mit dem Prinzen und den Seejungfrauen, die herumschwimmen und
lachen und Sterne im Haar tragen?"
Sara nickte.
Jetzt ist die Zeit leider zu kurz", sagte sie. "Aber wenn du mir sagst, wann
du meine Zimmer aufräumst, werde ich hier sein und dir jeden Tag ein bißchen erzählen. Es ist eine wundervolle, lange Geschichte, und ich erfinde immer noch etwas Neues dazu."
"Dann isses mir egal, wieviel Kohleneimer ich schleppen muß, oder was die Köchin mit mir macht", sagte Becky. "Endlich hab' ich was, auf das ich mich freu'n kann."

Als Becky die Treppe zur Küche hinunterging, war sie ganz verändert. Sie hatte ein weiteres Stück Kuchen in ihrer Schürzentasche und fühlte sich satt und warm. Daran war nicht nur der Kuchen schuld, den Sara ihr gegeben hatte. Es war vor allem Saras Freundlichkeit gewesen, die Becky gewärmt und genährt hatte.


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Nachdem Becky gegangen war, blieb Sara noch eine Weile lang auf ihrem Lieblingsplatz, der Tischkante, sitzen. Die Füße hatte sie auf einen Stuhl ge­stellt, die Ellbogen auf die Knie gestützt und ihr Kinn in den Händen vergraben. Versonnen schaute sie ins Feuer.
"Wenn ich eine Prinzessin wäre - eine richtige Prinzessin", murmelte sie, "wäre ich immer großzügig zu meinem Volk. Aber selbst wenn ich keine echte Prinzessin bin, kann ich doch etwas für die Menschen tun. Kleine Dinge nur, aber das ist besser als gar nichts. Becky war so glücklich, obwohl es doch nichts Großartiges war, was ich für sie getan habe. Aber darauf kommt es wohl nicht an."



Tante Elizabeth hatte das Kapitel beendet und blieb noch ein Weilchen bei mir sitzen.


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Sie schien nachzudenken, und als ich dann ganz fest eingeschlafen war deckte sie mich zu und ging nach Hause.

















So das wars mal für heute, Bis zum nächsten mal.




 
Wow. ich les die Geschichte schon eine Weile mit und bin erstaunt wie schön man schreiben kann! Ich mag diese Geschichte und finde sie wunderschön. Denkst du sie dir selbst aus?

Gruß Hoshi
 
Dein Schreibstil ist sehr schön, es ist fesselnd, obwohl sehr viel Text zum lesen da ist. Es ist toll wie du die Geschichte umsetzt.
Doch ich finde, es sind zu wenig Bilder. Aber ist nicht besonders tragisch.
 
@ Single1
Schön dass es dir wieder gefallen hat. Ich habe nicht genug Leerzeichen? *wunder* Oh das muss ich evtl heute korrigieren.

@Hoshi
Danke für dein Lob :) nun ja ich habe eine kleine Vorlage aber das meiste entspring doch meiner Fantasie. Die Geschichte der kleinen Sara kenne ich aus meiner Kindheit, und da kam ich auf die Idee diese auch mit anderen zu teilen.

@Belly
Vielen Dank für dein Lob. Ich liebe Geschichten und da vergesse ich meistens die Bilder. Aber ich werde versuchen mehr Bilder zu machen. Versprochen ! ;)
 
*Fortsetzung* Die Diamantmine

Hallo Ihr Lieben,

ich möchte mich bei Euch entschuldigen dass ich Euch so lange habe warten lassen, aber ich hatte viel um die Ohren.

Aber nun gehts weiter, viel Spass beim Lesen :)



Die Diamantenmine


Es war ein schöner Tag heute. Ich habe mich soweit wieder erholt. Ich darf auch wieder mein Bett verlassen, aber nur unter Aufsicht.

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Tante Elizabeth ist heute wieder zu mir bekommen.
Wir unterhielten uns über alles mögliche, die Zeit verging wie im Flug.
Es war so schön sich mit ihr zu unterhalten, wie schlau sie doch ist...

Manchmal denke ich dass sie der klügste Mensch auf der Welt ist. Es ist immer schön ihr zu zuhören wenn sie irgentetwas erzählt.

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"Sag mal Saskia, soll ich dir heute wieder von Sara erzählen?"
Ich stutze kurz "Nun ja es wird langsam spät, wir können das auch auf morgen verschieben..."
sofort unterbrach ich sie :" Nein bitte Tante Elizabeth erzähle mir heute noch von Sara...."
Sie lächelte mich an und began zu erzählen.....


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Kurz darauf geschah etwas Aufregendes, das für Sara und alle ihre Mitschülerinnen lange Zeit ein schier unerschöpfliches Gesprächsthema abgab. In einem seiner Briefe hatte Captain Crewe berichtet, daß ein ehemaliger Klassenkamerad ihn ganz überraschend besucht hatte. Diesem gehörte ein großes Stück Land, auf dem man Diamanten gefunden hatte. Wenn alles gut ging, würde er unvorstellbar reich werden. Dieser Schulfreund hatte Captain Crewe den Vorschlag gemacht, sich an der Ausbeutung der Diamantenmine zu beteiligen. So jedenfalls hatte Sara den Brief verstanden. Jedes andere Geschäft hätte die Mädchen mit Sicherheit kalt gelassen, aber Diamanten - das hörte sich an, wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Sara war fasziniert und erzählte Lottie und Irmingard nur noch Geschichten von verschlungenen unterirdischen Gängen, in denen fremdartige dunkelhäutige Männer mit Spitzhacken tausende von funkelnden Steinen losschlugen und einsammelten. Irmingard und Lottie konnten von der Geschichte nicht genug bekommen, und Sara mußte sie immer wieder erzählen. Nach einer Weile konnte Lavinia es einfach nicht mehr aushalten. In ihrer gehässigen Art sagte sie ihrer Freundin Jessie, sie glaube nicht an die Existenz dieser Diamantenmine.


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"Meine Mutter hat einen Diamantring, der vierzig Pfund gekostet hat", sagte sie. "Und der ist nicht mal besonders groß. Wenn es wirklich Bergwerke voll von Diamanten gäbe, wären die Besitzer so reich, daß es einfach lächerlich wirken würde."
"Vielleicht wird Sara eines Tages so reich sein", kicherte Jessie.
"Sie macht sich auch jetzt schon lächerlich genug, dazu muß sie nicht noch
reicher werden", schnaubte Lavinia verächtlich.
"Ich glaube, du magst sie nicht", entgegnete Jessie.
"Das hat nichts damit zu tun", fuhr Lavinia sie an. "Ich glaube nur nicht an
Bergwerke voller Diamanten."
"Nun, schließlich müssen sie ja irgendwoher kommen, bevor Leute sie kaufen können", sagte Jessie und kicherte albern. "Lavinia, was glaubst du, wird Gertrud dazu sagen?"
"Ich habe keine Ahnung, und dieses andauernde Gerede über Sara interessiert mich nicht die Bohne."
"Ach, hör doch mal zu. Wußtest du schon, daß Sara selbst während des Unterrichts so tut, als sei sie eine Prinzessin. Sie behauptet, daß sie dann besser lernen kann. Am liebsten möchte sie aus Irmingard auch eine Prinzessin machen. Aber lrmingard sagt, sie ist zu dick."


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"Die ist nicht dick, die ist fett", sagte Lavinia. "Und Sara ist dürr."
Jessie kicherte.
"Sara meint, es ist ganz gleich, wie du aussiehst, oder was du bist. Wichtig
ist nur, woran du glaubst und wie du dich benimmst."
"Ich schätze, sie würde sich sogar für eine Prinzessin halten, selbst wenn sie betteln müßte", sagte Lavinia. "Wir wollen sie von jetzt an mit ,Königliche Herlichkeit' anreden. Machst du mit?"

Nach dem Ende des Unterrichts saßen die Mädchen im Klassenzimmer zusammen und vergnügten sich. Um diese Zeit zogen sich Miss Minchin und Miss Amelia für gewöhnlich in ihre Privaträume zurück und tranken Tee. Die Mädchen konnten sich also völlig unbehelligt fühlen. Stimmengewirr erfüllte den Raum, und unter dem Siegel der absoluten Verschwiegenheit wurden die neue­sten Geheimnisse ausgetauscht. Solange sich die jüngeren Schülerinnen ruhig verhielten, wurden sie geduldet und durften zuhören. Aber wehe, wenn sie Lärm machten. Dann wurden sie von den Älteren erbarmungslos herumgeschubst und geschüttelt. Es wurde von ihnen erwartet, daß sie sich ordentlich benahmen, damit Miss Minchin oder Miss Amelia bloß nicht aufmerksam wurden und dem Treiben ein Ende bereiteten. Als Lavinia gerade dabei war, etwas zu erzählen, öffnete sich die Tür und Sara betrat den Raum, dicht gefolgt von Lottie, die wie ein Hündchen hinter ihr her zockelte.
"Da ist sie ja, und dieses gräßliche Kind ist auch dabei!" flüsterte Lavinia ihrer Nachbarin zu. "Wenn sie sie so sehr liebt, warum geht sie dann nicht mit ihr in ihr eigenes Zimmer? Lottie kann doch keine fünf Minuten still sein, sondern heult bei jeder Kleinigkeit los."

Es war ein plötzlicher Einfall Lotties gewesen, im Klassenzimmer zu spielen, und sie hatte Sara angebettelt, doch mit ihr zu den anderen hinunterzugehen. Sie gesellte sich zu den Kleinen, die in einer Ecke still vor sich hin spielten.


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Sara setzte sich an die Fensterbank, öffnete ein Buch und begann zu lesen. Das Buch schilderte die Ereignisse der Französischen Revolution, und es dauerte nicht lange, bis Sara völlig in die erschütternde Geschichte der Gefangenen der Ba­stille vertieft war. Da war die Rede von Menschen, die eine halbe Ewigkeit in den Kerkern eingesperrt gewesen waren. Als man sie aus den Verliesen befreite, waren ihre Haare schneeweiß geworden und ihre Bärte so dicht, daß die Gesichter kaum noch zu erkennen waren. Sie hatten bereits die Hoffnung aufgegeben, je wieder frei zu sein, und die Freiheit kam ihnen wie ein Traum vor.

Sara war mit ihren Gedanken meilenweit vom Klassenzimmer entfernt, als ein Aufschrei Lotties sie plötzlich in die Wirklichkeit zurückriß. Sie haßte es,
beim Lesen gestört zu werden, und mußte sich stark zusammenreißen, um nicht allzu wütend oder bissig zu reagieren. Die meisten Leseratten werden dieses Gefühl nur zu genau kennen.

"Es ist, als bekäme ich einen Schlag in den Magen", hatte Sara Irmingard im Vertrauen mitgeteilt. "Am liebsten möchte ich dann zurückschlagen. Ich muß mich ganz schön zusammennehmen, damit ich in solchen Augenblicken nichts Verkehrtes sage."

So erging es Sara auch jetzt. Sie beherrschte sich so gut es ging, legte ihr Buch beiseite und hüpfte von ihrer geliebten Fensterbank.
Lottie hatte den Fußboden des Klassenzimmers als Rutschbahn benutzt. Erst hatte sie Lavinia und Jessie nur mit ihrem Krach gestört, aber dann war sie auch noch hingefallen und hatte sich das Knie aufgeschrammt. Jetzt schrie sie aus Leibeskräften und hüpfte vor Schmerz auf und ab. Da half weder Schmeicheln noch Drohen.
"Hör auf, du Heulsuse! Du hörst jetzt sofort auf!" befahl Lavinia ihr. "Ich bin keine Heulsuse. Bin ich überhaupt nicht!" jammerte Lottie, und
dann schrie sie: "Sara, Sara!"
"Wenn sie nicht bald aufhört, dann haben wir die Bescherung. Früher oder später wird Miss Minchin sie auch hören und herunterkommen", rief Jessie. "Lottie, Schätzchen", bettelte sie, "hör doch auf. Du kriegst auch einen Penny. "
von mir.
"Ich will dein blödes Geld nicht", schluchzte Lottie. Sie schaute auf ihr blutendes Knie und brach erneut in Wehklagen aus.
Sara flog durch den Raum, kniete sich neben Lottie hin und legte beruhigend die Arme um sie.
"Lottie", sagte sie. "Lottie, du hast mir doch etwas versprochen."
"Aber sie hat Heulsuse zu mir gesagt", jammerte Lottie.
Sara streichelte sie und sagte mit fester Stimme zu ihr: "Wenn du weinst, dann bist du auch eine. Lottie, Herzchen, du hast es doch versprochen."
Lottie wußte genau, daß sie Sara versprochen hatte, nicht mehr zu weinen, aber sie wollte nicht ruhig sein, sondern schrie nur noch lauter: "Ich habe keine Mama mehr. Ich habe gar keine Mama."
"Natürlich hast du eine Mama", sagte Sara freundlich. "Hast du es etwa schon vergessen, daß ich deine Mama bin? Willst du nicht mehr, daß Sara deine Mama ist?"
Lottie schnüffelte noch ein bißchen. Dann kuschelte sie sich an Sara an und ließ sich weiter trösten.
"Komm setz dich mit mir auf die Fensterbank", fuhr Sara fort. "Dann erzähl ich dir eine schöne Geschichte."
"Wirklich?" wimmerte Lottie. "Erzählst du mir wieder von dem Diamantenbergwerk?"
"Diamantenbergwerk - das ich nicht lache!" entfuhr es Lavinia. "Du dummes, verwöhntes Balg. Am liebsten würde ich dir eine runterhauen. "

Sara sprang auf. Jetzt reichte es ihr aber. Es war schon schlimm genug,daß sie mitten in der Geschichte über die Bastille so unsanft durch Lotties Schreie
gestört worden war. Aber schließlich war Sara auch kein sanftmütiger Engel und obendrein konnte sie Lavinia nicht leiden.


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"Dir würde ich auch gerne eine runterhauen", fauchte sie Lavinia an." Aber ich tu es nicht. Ihr hättet beide eine Ohrfeige verdient. Zum Glück bin ich zu gut erzogen, um mich zu prügeln. Wir sind doch schließlich keine Straßenkinder. Außerdem sind wir alt genug, um zu wissen, was sich gehört."
Jetzt war die Gelegenheit da, auf die Lavinia schon lange gewartet hatte
"Sehr wohl, Königliche Hoheit", entgegnete sie. "Wir sind schließlich Prinzessinnen. Zumindest eine von uns. Ich bin sicher, daß Miss Minchins Instiut zu ungeahntem Ruhm kommen wird, jetzt, wo eine der Schülerininnen eine Prinzessin ist."
Mit geballten Fäusten ging Sara auf Lavinia los. Sie war zutiefst beschämt, weil eines ihrer Geheimnisse so brutal ans Licht gezerrt worden war. Heiße Röte stieg ihr ins Gesicht, und das Blut rauschte in ihren Ohren. Erst in letzter Sekunde fand sie ihre Beherrschung wieder. Ihre Hände sanken herab, und einen Augenblick lang stand sie nur still da. Als sie zu sprechen began, war ihre Stimme wieder ruhig und fest. Unwillkürlich hörte jeder zu.
"Es stimmt", sagte sie. "Manchmal tue ich so, als wäre ich eine Prinzessin. Ich mache das, um zu lernen, wie sich eine Prinzessin benimmt."
Lavinia verschlug es die Sprache. Dem hatte sie nichts entgegenzusetzen. Das war ihr schon öfter passiert, wenn sie einen Streit mit Sara vom Zaun brach.


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Immer schienen die anderen auf Saras Seite zu stehen. Auch jetzt konnte man förmlich sehen, wie sie die Ohren spitzten. Prinzessinnen - das war ein überaus
faszinierendes Thema, und die Mädchen waren begierig, mehr darüber zu hören, und so rückten sie näher an Sara heran.
Lavinia wagte einen neuen Vorstoß, aber sie hatte bereits veroren.
"Oh, Gott!" sagte sie. "Ich hoffe nur, daß du uns nicht vergißt, wenn du Königin wirst."
"Das werde ich bestimmt nicht!" sagte Sara. Dann verstummte sie wieder und sah schweigend zu, wie Lavinia ihre Freundin Jessie am Arm packte und mit
ihr den Raum verließ.
Von diesem Tag an sprachen diejenigen, die eifersüchtig auf Sara waren noch hämisch von ihr als "Prinzessin Sara". Aber ihre Freundinnen benutzten untereinander diesen Namen, um ihrer Bewunderung Ausdruck zu verleihen.
Niemand rief sie einfach ,Prinzessin' anstelle von ,Sara'. aber der Klang des Titels beflügelte alle. Sogar Miss Minehin benutzte ihn, um in Gesprächen mit Eltern ihrer Schule einen königlichen Anstrich zu verleihen.

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Für Becky war es Selbstverständlich dass Sara eine Prinzessin war.
Ihre Freundschaft, die an jenem nebligen Nachmittag begonnen hatte, als Becky in Saras Zimmer eingeschlafen war, hatte sich vertieft. Doch Miss Minchin und Miss Amelia durften natürlich nichts davon wissen. Es blieb ihnen zwar nicht verborgen, daß Sara zu dem Küchenmädchen besonders freundlich war. Aber sie hatten keine Ahnung von den kostbaren Augenblicken des Tages, wenn Becky mit einem Seufzer der Erleichterung ihren Kohleneimer in Saras Zimmer abstellte, nachdem sie schnell wie der Blitz die anderen Zimmer aufgeräumt hatte. Dann erzählte Sara ihr ein Kapitel einer spannenden Geschichte und versorgte sie reichlich mit leckerem Essen. Manchmal versteckte Becky die Leckerbissen auch in ihrer Schürzentasche und nahm sie abends mit in ihr winziges Dachkämmerlein.

"Ich muß ganz vorsichtig essen", sagte sie einmal zu Sara. "Wenn ich Krümel rumliegen laß, komm'n die Ratten und fress'n alles auf."

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"Ratten!" schrie Sara angewidert. "Du hast Ratten in deinem Zimmer?"
"Jede Menge, Miss", antwortete Becky, als sei das das Selbstverständlichste in
der Welt. "Auf jedem Dachboden gibt's Ratten und Mäuse. Man muß sich erst 'n bißchen dran gewöhnen, aber so lange sie nicht über mein Kopfkissen laufen, is' mir's egal."
"Huch!" sagte Sara und verzog das Gesicht.
"Nach 'ner Weile gewöhnt man sich an alles", sagte Becky. "Geht nun mal
nich' anders, wenn man als Küchenmagd gebor' n wird. Ratten sin' mir lieber als Kakerlaken."
"Mir auch", sagte Sara. "Ich schätze, mit Ratten kann man sich anfreunden, aber mit Kakerlaken ist das absolut unmöglich. Die sind zu eklig."

Manchmal konnte Becky nur ein paar Minuten in Saras hellem, warmem Zimmer verbringen. Dann wechselten sie schnell ein paar Worte, und Sara steckte ihr etwas Gutes zu. Becky hatte eine alte Tasche gefunden, die sie unter ihrem Kleid mit einem Band um die Taille festgebunden hatte. Darin konnte sie alles verstecken, was Sara ihr mitbrachte. Seit Sara mit Becky befreundet war, bestand eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen darin, Eßbares aufzutreiben, das klein genug war, um nicht aufzufallen. Wenn sie spazierenging, hielt sie ständig danach Ausschau. Als es ihr das erste Mal gelang, zwei oder drei kleine Fleischpasteten ins Haus zu schmuggeln, war sie überglücklich. Denn als Sara die Pasteten auspackte, trat ein dankbares Leuchten in Beckys Augen.
"Oh, Miss!" murmelte sie. "Davon werd' ich bestimmt satt. Das is' viel besser als Kuchen. Der verschwindet immer so schnell im Magen, und dann bin ich gleich wieder hungrig. Das versteh'n sie doch, Miss. Aber das hier, das bleibt ganz lange im Bauch."
"Nun", sagte Sara nachdenklich. "Ich glaube zwar nicht, daß es für immer vorhält, aber heute wird es dich auf jeden Fall satt machen."
Die Fleischpasteten erfüllten wirklich ihren Zweck, ebenso wie die Schinkenbrote und die Brötchen mit Mortadella, die Sara für Becky mitbrachte. Nach und nach fühlte sich Becky nicht mehr ständig hungrig und war auch nicht mehr so müde. Selbst der Kohleneimer erschien ein bißchen leichter als früher.
Selbst wenn sie einen harten Tag hatte, an dem alle etwas an ihr auszusetzen hatten, so konnte sich Becky doch immer auf die Zeit mit Sara freuen. Sie lebte
nur für die paar Minuten am Nachmittag, an denen sie Miss Sara in ihrem Zimmer besuchen konnte. Es reichte Becky schon, Sara zu sehen, auch wenn es keine Fleischpastete gab. Selbst wenn die Zeit knapp war, hatte Sara immer ein paar freundliche Worte für Becky, die ihr Herz berührten. Und wenn die Zeit dafür reichte, erzählte sie ihr eine neue Fortsetzung einer Geschichte, so daß Becky immer eine schöne Erinnerung hatte, wenn sie abends in ihrer Dachkammer im Bett lag. Sara war sich nicht bewußt, welche ungeheure Bedeutung sie für Becky hatte. Sie tat ganz unbewußt nur das, was ihr sowieso am liebsten war - sie verschenkte ihre Liebe.
Von Natur aus freigiebige Menschen können nicht anders. Sie teilen mit offenen Händen aus, was sie besitzen. Und wenn ihre Hände leer sind, so haben sie doch immer noch ihr liebevolles Herz, das sie verschenken können, ihre Wärme, Anteilnahme und ihr Lachen. Damit bereiten sie manchmal mehr Freude als mit allen Schätzen der Welt.
In Beckys armseligem, harten Leben hatte es bisher kaum Anlaß zur Freude gegeben. Erst durch Sara lernte sie lachen, und diese Fröhlichkeit war nahrhafter als alle Fleischpasteten zusammen.


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Einige Wochen vor Saras elftem Geburtstag erreichte sie ein Brief ihres Vaters, der nicht so lustig war, wie seine anderen Briefe. Es schien ihm nicht sehr gut zu gehen. Ganz offensichtlich hatte er geschäftliche Sorgen, die irgendwie mit der Diamantenmine zusammenhingen.

"Liebe Sara", schrieb er. "Dein Papa ist im Grunde seines Herzens kein Geschäftsmann. Zahlen und Schriftstücke sind ihm eher lästig. Er versteht nicht wirklich, damit umzugehen. Die Sachen wachsen ihm einfach über den Kopf. Ich bin so aufgeregt und wälze mich die halbe Nacht lang schlaflos im Bett herum, und die andere Hälfte plage ich mich mit Alpträumen. Wenn mein kleines Fräulein hier wäre, gäbe sie mir sicher einen guten Rat. Das würdest du doch,
kleine Missus, nicht wahr?" .

Er hatte sie oft ,kleine Missus' genannt, weil sie so ein altkluges Benehmen an den Tag legte. Das war einer seiner vielen Späße gewesen.
Captain Crewe hatte alle nur erdenklichen Vorbereitungen für Saras Geburtstag getroffen. Er hatte in Paris eine neue Puppe bestellt, deren Garderobe nicht mehr zu überbieten war. Als er sie in einem Brief gefragt hatte, ob sie gern eine neue Puppe zum Geburtstag geschenkt haben möchte, hatte Sara in ihrer un­nachahmlichen Art geantwortet.
"Ich werde schon bald erwachsen sein", hatte sie ihrem Vater geschrieben. "Dann wird mir keiner mehr eine Puppe schenken. Dies wird also meine letzte Puppe sein. Das ist ein feierlicher Augenblick. Wäre ich eine Dichterin, würde ich ein Gedicht verfassen mit dem Titel ,Die letzte Puppe'. Das wäre doch schön, nicht wahr? Aber leider kann ich keine Gedichte schreiben. Ich habe es schon versucht, aber sie waren einfach nur komisch und hörten sich kein bißchen wie die Gedichte von Watts, Coleridge oder Shakespeare an. Niemand kann Emilys Platz einnehmen, aber ich werde die ,Letzte Puppe' immer in Ehren halten. Außerdem bin ich sicher, daß die ganze Schule sie lieb haben wird.
Die Mädchen hier sind alle ganz verrückt nach Puppen, selbst wenn die fast Fünfzehnjährigen so tun, als wären sie schon zu alt, um noch mit Puppen zu spielen. "

Als Captain Crewe diesen Brief erhielt, quälten ihn unerträgliche Kopfschmerzen. Auf seinem Schreibtisch stapelten sich bergeweise Briefe, die ihn in Angst und Schrecken versetzten. Trotzdem mußte er über Saras Brief so lachen, wie er schon seit Wochen nicht mehr gelacht hatte.
"Ach", sagte er, "sie wird jedes Jahr witziger. Hoffentlich geht das Geschäft glatt, dann kann ich nach England fahren, um sie zu sehen. Ich gäbe alles dafür, wenn sie jetzt hier wäre und mich umarmte! Wirklich alles!"

Saras Geburtstag sollte ganz groß gefeiert werden. Das Klassenzimmer wurde geschmückt, denn hier sollte die eigentliche Party stattfinden. Die Schachteln mit den Geschenken sollten feierlich überreicht und ausgepackt werden, und
in Miss Minchins geheiligten Privaträumen wurde ein herrliches Festmahl vorbereitet. Als der große Tag endlich anbrach, war das ganze Haus in heller Aufregung. Tausenderlei Vorbereitungen mußten noch getroffen werden, und im Nu war der Morgen vorbei. Das Klassenzimmer war über und über mit Girlanden geschmückt. Die Tische hatte man an den Wänden entlang aufgestellt und rote Tischdecken darauf gelegt.


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Als Sara morgens ihr Wohnzimmer betrat, fand sie auf dem Tisch ein kleines, in braunes Papier eingewickeltes Päckchen. Sie sah sofort, daß es ein Geschenk
war, und sie konnte sich auch schon denken, woher es stammte. Sie öffnete es behutsam und fand ein viereckiges Nadelkissen darin, das aus rotem, nicht ganz sauberem Flanell gemacht war. Schwarze Nadeln waren sorgfältig so hineinge­steckt, daß man die Worte ,Herzliche Glückwünsche' erkennen konnte.
"Oh!" rief Sara voller Rührung. "Welche Mühe sie sich gemacht hat! Ich
könnte weinen vor Freude."
Aber im nächsten Augenblick stutzte sie, denn auf der Rückseite des Nadelkissens befand sich eine Karte, auf der säuberlich geschrieben stand ,Miss Amelia Minchin'.
Sie war völlig verblüfft und schaute die Karte von allen Seiten an, ohne ihr
Geheimnis ergründen zu können.
"Miss Amelia!" sagte sie zu sich selbst. "Das kann doch nicht sein!"
In diesem Augenblick wurde vorsichtig die Tür geöffnet, und Becky lugte um
die Ecke.
Sie schlurfte heran, ein breites, glückliches Grinsen auf dem Gesicht. Dann
blieb sie stehen und zog nervös an ihren Fingern.
"Gefällt's Ihnen, Miss Sara?" fragte sie. "Wenigstens ein bißchen?"
"Ob es mir gefällt?" rief Sara aus. "Du bist ein Schatz, Becky! Du hast das
für mich gemacht. Du ganz allein!"
Becky schniefte geräuschvoll, aber glücklich vor sich hin, und ihre Augen
strahlten.
"Ich hatt' nichts andres, bloß so'n Stück ollen Flanell. Aber ich wollt' Ihnen unbedingt was schenken. Ich hab's nachts gemacht. Sie können doch bestimmt so tun, als wär's aus Seide und die Nadeln aus Diamanten. Ich hab's auch versucht, als ich's gemacht hab'. Es is' doch nich' so schlimm, daß ich die Karte aus dem Ascheneimer gefischt hab'. Miss Melia hat sie weggeworfen. Ich hab ja keine eigene Karte, aber zu 'nem Geschenk gehört 'ne Karte, sons' isses nich' richtig. Da hab' ich die von Miss Melia genommen."


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Sara flog zu ihr hin und umarmte sie. Sie konnte nicht sprechen, weil sie
einen dicken Kloß im Hals hatte.
"Oh, Becky!" rief sie, hin- und hergerissen zwischen Lachen und Weinen.
"Ich liebe dich, Becky, wirklich."
"Oh, Miss!" Becky atmete schwer. "Dank' auch schön, Miss. Sie sin' so
freundlich. Das hab' ich nich' verdient. Der - der Stoff war doch nicht mal neu."


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Tante Elizabeths Stimme erstummte.
Ich war noch ganz in gedanken. Mir hatte dieser Teil der Geschichte sehr gefallen, er war so mitreissend...
"Tante Elizabeth? Danke dass du mir die Geschichten erzählst."
Sie lächelte mich an :" Aber das mache ich doch gerne Saskia."

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"Aber nun musst du wieder ins Bett. Ich habe ganz die Zeit vergessen, schau es ist schon Dunkel."
Tante Elizabeth erhob sich und holte die Schwester, die mir half in mein Bett zu kommen. Tante Elizabeth deckte mich noch zu und ich wünschte ihr noch eine Gute Nacht. Ich hörte noch wie die Tür zugemacht wurde und schon bagnagen meine Gedanken abzuschweifen, Weg aus diesem grellen Krankenzimmer, weg von diesem Desinfektionsmittel Gestank. Ich tauchte in eine andere Welt ... in Saras Welt, wo laute schöne Sachen waren, schöne Kleider, schöne Puppen und ... und .... und....



**************************
So das war es für heute, ich hoffe es hat Euch gefallen :)



 
Super Story!

@ Maggy79

Ich habe deine Geschichte bis jetzt immer still gelesen und wollte jetzt sagen wie toll ich sie finde.
Gut geschrieben, gute Idee, tolle Bilder, genau was ich mag.
Ich genieße jede Sekunde die ich die Story lese.
Vielen dank, daß du sie online gestellt hast.
Ich freue mich auf die weitere Fortsetzungen.
Liebe Grüße,
Sarah
 
@ Maggy79

Ich habe deine Geschichte bis jetzt immer still gelesen und wollte jetzt sagen wie toll ich sie finde.
Gut geschrieben, gute Idee, tolle Bilder, genau was ich mag.
Ich genieße jede Sekunde die ich die Story lese.
Vielen dank, daß du sie online gestellt hast.
Ich freue mich auf die weitere Fortsetzungen.
Liebe Grüße,
Sarah

@Sarah
Ich freue mich tierisch dass ich eine stille Leserin habe :)
Vielen Lieben dank für dein Kommentar es hat mich eben riesig gefreut als ich das gelesen habe :)

@ Single1
Supi das es dir gefallen hat. Ich hoffe die Fortsetzung war nicht zu Langweilig *g*
 
Hey Maggy!

Ich finde deine FS immer schöner aber mir kommt die Geschichte wirklich ein klein wenig bekannt vor. Ist sie von einem Buch oder so? Ich mein die hat mir meine Mum mal vorgelesen...

Gruß Hoshi
 
Hallo Ihr Lieben,

ich möchte mich für meine Längere Abwesenheit entschuldigen, aber heute kommt ein Längerer Teil :)

@Hoshi
Ja die Geschichte ähnelt die eines Buches, diese Geschichte wurde mir auch mal vor vielen vielen Jahren (als ich noch Kind war) erzählt.

So und nun fange ich mal an :)



Neues von der Diamantenmine

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Es war ein schöner Tag heute, und ich saß mit Tante Elizabeth draussen im Flur. Wir unterhielten uns einwenig. Und wir beide freuten uns dass sich mein Gesundheitszustand gebessert hatte.
Ich war froh nicht mehr in dem Bett eingesperrt zu sein...

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"Saskia, ich habe heute eine Überaschung für dich", am Liebsten wäre ich aufgesprungen vor Freude, ich Liebe Überraschungen...
"Eine Überaschung ? Für mich? Was ist es denn?" Tante Elizabeth lacht auf,
"ach Saskia du bist so goldig. Wenn ich es dir nun sagen würde wäre es dann keine Überaschung mehr"
Ja sie hatte ja recht aber ich war doch sooo neugierig.

Langsam wurde es Abend und Tante Elizabeth brachte mich mit einer Schwester in mein Zimmer, doch nicht ins Bett. Ich wurde aus dem Rollstuhl gehoben und durfte mich an den Tisch setzten.
Oh man nun war ich aber gespannt

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Tante Elizabeth kam ins Zimmer mit einen Karton in der Hand und es roch nach.... Pizza.

"Oh lecker, du hast Pizza mitgebracht. Tante Elizabeth du bist die beste"
Sie grinste und man konnte spühren wie froh sie war das ich mich über die bestellte Pizza freute.
"Das freut mich dass die Überaschung gelungen ist. Und nun bedien dich, bevor die Pizza kalt wird."

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Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Endlich gab es wieder was gutes zu essen. Denn den Krankenhausfraß kann man ungenießbar nennen.
Tante Elizabeth sah mir mit Freude beim Essen zu, wir unterhielten uns auch bis der Pizzakartin halb leer war. Ich war papp satt.
"So kleine Saskia, und nun legen wir dich wieder in dein Bett. Dann kann ich dir die Geschichte weiter erzählen"
"Au ja. Danke Tante Elizabeth. Die Pizza war echt lecker." Ich stralte übers ganze Gesicht. Eine Schwester kam ins Zimmer und half mir in mein Bett.
Tante Elizabeth stellte sich einen Stuhl neben mein Bett und setzte sich.


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Ich zog meine Deck bis ans Kinn hoch und schaute Tante Elizabeth an, die leise anfing zu erzählen :



Am Nachmittag desselben Tages betrat Sara an der Spitze eines feierlichen Umzuges qas girlandengeschmückte Klassenzimmer. Miss Minchin, die ihr bestes Seidenkleid angelegt hatte, hielt Saras Hand. Ihnen folgte ein Diener, der die Schachtel mit der ,Letzten Puppe' trug. Dann kam ein Hausmädchen mit einem weiteren Geschenkkarton, und den Schluß bildete Becky, die eine saubere Schürze umgebunden und ein neues Häubchen aufgesetzt hatte. Auch sie trug eine Geschenkschachtel. Sara fand den Umzug im Grunde lächerlich und häne diesen Aufwand gern vermieden, doch Miss Minchin hatte darauf bestanden.
"Dies ist ein außergewöhnlicher Tag", hatte sie zu Sara gesagt, "und deshalb verlangt er außergewöhnliche Maßnahmen."
Daher wurde Sara mit feierlichem Pomp ins Klassenzimmer geleitet. Sie war verlegen, weil die älteren Mitschülerinnen sie anstarrten,
während die Kleinen in freudiger Erregung auf ihren Plätzen herumrutschten.
"Ein biß ehen mehr Ruhe, meine Damen!" sagte Miss Minchin, um das Stimmengewirr zu übertönen. James, stellen Sie die Schachtel auf den Tisch und nehmen Sie den Deckel herunter. Emma, stellen Sie die andere Schachtel auf den Stuhl. Becky!" rief sie plötzlich energisch.
Becky hatte vor lauter Aufregung fast vergessen, wo sie war. Sie grinste Lottie an, die ihre Neugier kaum noch beherrschen konnte. Als Miss Minchin sie plötzlich anfuhr, hätte Becky beinahe vor Schreck die Schachtel fallen lassen. Zitternd stammelte sie ein paar Entschuldigungen und machte einen ungeschickten Knicks, so daß Lavinia und Jessie laut loskicherten.
"Es steht dir nicht zu, die jungen Damen zu beobachten", sagte Miss Minchin. "Stell die Schachtel hin und benimm dich!"
Becky gehorchte auf der Stelle und eilte zur Tür.
"Sie dürfen sich jetzt zurückziehen." Mit einer Handbewegung entließ Miss
Minehin die Dienstboten.
Becky trat einen Schritt zur Seite, damit die ranghöheren Dienstboten als erste den Raum verlassen konnten. Sie warf der Kiste auf dem Tisch einen raschen Blick zu. Ein Stückehen blauer Satin lugte aus dem Seidenpapier hervor.

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"Wenn Sie erlauben, Miss Minchin", bat Sara plötzlich. "Könnte Becky nicht
hierbleiben?" Das war der Gipfel der Kühnheit. Miss Minchin versetzte es einen leichten
Schlag. Sie starrte ihre Vorzeigeschülerin ungläubig an.
"Becky!" rief sie. "Aber liebstste Sara!" Sara näherte sich ihr.
"Ich weiß, daß sie gerne meine Geschenke sehen möchte. Sie ist doch auch
ein kleines Mädchen", erklärte sie. "Bitte, Miss Minchin."
Miss Minchin schaute völlig von einer zur andern.
"Meine liebe Sara", sagte sie schließlich. "Becky ist kein kleines Mädchensondern eine Küchenmagd. "
Miss Minchin konnte es einfach nicht fassen. Küchenmädchen waren für sie keine Menschen, sondern Maschinen, die Kohleneimer schleppen konnten und
dafür zu sorgen hatten, daß das Feuer brannte. Sara ließ nicht locker.
"Ich weiß, daß sie gern hierbleiben möchte. Bitte, Sie müssen es erlauben. Es ist doch mein Geburtstag."
Miss Minchin gab nach und erwiderte in würdevollem Ton: "Nun gut.Wenn du es dir so sehr wünschst, darf Becky bleiben. Aber nur, weil es dein Geburtstag ist. Rebecca, bedanke dich bei Miss Sara für ihre Freundlichkeit."
Becky hatte die ganze Zeit abwartend in einer Ecke gestanden und voller Spannung die Unterhaltung verfolgt. Jetzt eilte sie nach vorne und stammelteein Dankeschön nach dem andern, nachdem sie mit Sara einen schnellen..verständnisvollen Blick gewechselt hatte.
"Oh, danke, Miss! Ich bin Ihnen so dankbar! Ich möchte so gern die Puppe sehen, Miss. Danke! Und vielen Dank auch für Ihre Erlaubnis, Madam."
Miss Minchin gab ihr mit einem Wink zu verstehen, daß sie in der Ecke an der Tür stehen bleiben sollte.
"Stell dich dort drüben hin", befahl sie. "Komm den jungen Damen nicht zu nahe."
Becky ging lächelnd wieder an ihren Platz. Es war ihr völlig egal, wo sie stand, solange sie nur bei diesem Fest im Klassenzimmer bleiben durfte und nicht in die Küche verbannt wurde. Es machte ihr auch nichts aus, daß Miss Minchin sich unheilverkündend räusperte und offensichtlich eine Rede halten wollte.
"Nun, meine Damen, ich möchte euch ein paar Worte sagen", kündigte sie an.
"Oh Gott, jetzt hält sie auch noch eine Rede", flüsterte eines der Mädchen "Ich wollte, es wäre schon vorbei."
Sara fühlte sich sehr unbehaglich. Da es ihre Party war, würde Miss Minchin sicher über sie sprechen. Das war ihr äußerst unangenehm.
"Meine Damen", begann Miss Minchin. "Ihr wißt, daß die liebe Sara heute ihren elften Geburtstag feiert."
'
"Die liebe Sara!" murmelte Lavinia vor sich hin.
"Einige von euch sind ebenfalls elf Jahre alt, aber Saras Geburtstag unterscheidet sich deutlich von den Geburtstagsfeiern anderer kleiner Mädchen, die ihr erlebt habt. Wenn sie erwachsen ist, wird sie ein großes Vermögen erben, und es wird dann zu ihren Pflichten gehören, einen Teil davon für wohltätige
Zwecke auszugeben."

"Die Diamantenmine", flüsterte Jessie und unterdrückte ein Kichern.
Sara hörte sie nicht. Sie stand nur da, fixierte Miss Minchin mit ihren graugrünen Augen und fühlte, wie ihr langsam eine heiße Röte ins Gesicht stieg. Als Miss Minchin über Geld sprach, wurde Sara bewußt, daß sie sie vom ersten Augenblick an gehaßt hatte, auch wenn es unhöflich war, einen Erwachsenen zu hassen.
"Als ihr lieber Vater, Captain Crewe, sie von Indien hierhergebracht und in meine Obhut gegeben hat", fuhr Miss Minchin in ihrer Rede fort, "hat er im Spaß zu mir gesagt ,Ich fürchte, Miss Minchin, Sara wird eines Tages sehr reich sein'. Darauf habe ich geantwortet: ,In meinem Internat wird sie die dafür notwendige Erziehung erhalten, Captain Crewe, keine Sorge.' Sara ist meine beste Schülerin. Ihr Französisch und ihr Tanz machen der Schule alle Ehre. Ihr Benehmen, das euch veranlaßt hat, sie Prinzessin zu nennen, ist untadelig. Ihre Liebenswürdigkeit stellt sie heute Nachmittag unter Beweis, indem sie für euch diese Party arrangiert hat. Ich hoffe, ihr wißt diese Großzügigkeit zu würdigen, und ich möchte, daß ihr eurer Dankbarkeit Ausdruck verleiht, indem ihr alle zusammen laut sagt: ,Danke, Sara!'"
Wie auf ein Kommando standen alle auf, und Sara fühlte sich an ihren ersten Schultag zurückversetzt.
"Danke, Sara!" riefen ihre Mitschülerinnen und Lottie hüpfte dabei wie ein kleiner Springfrosch auf und ab. Einen Augenblick lang wußte Sara vor lauter Verlegenheit nicht, was sie als nächstes tun sollte. Dann machte sie einen netten kleinen Knicks und sagte: "Danke, daß ihr alle zu meiner Party gekommen seid."
"Sehr hübsch, Sara", lobte Miss Minchin. "So benimmt sich eine richtige Prinzessin, wenn das Volk ihr zujubelt. Lavinia", versetzte sie gleich darauf ungehalten. "Das hörte sich fast wie ein Schnauben an. Wenn du eifersüchtig auf deine Mitschülerin bist, so wäre es immerhin angebracht, wenn du deinen Gefühlen einen etwas damenhafteren Ausdruck verliehest. Jetzt werde ich euch aber allein lassen. Ich wünsche euch viel Spaß."
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Kaum hatte Miss Minchin den Raum verlassen, war der Bann gebrochen. Niemanden hielt es an seinem Platz. Alle sprangen kreuz und quer durcheinander, weil jede als erste Saras Geschenke sehen wollte. Sara hatte sich über eine Schachtel gebeugt und strahlte übers ganze Gesicht.
"Da sind bestimmt Bücher drin", sagte sie. Enttäuschtes Murmeln machte sich bei den Kleinen breit, und Irmingard sah sie entgeistert an.
"Schenkt dein Vater dir etwa Bücher zum Geburtstag?" rief sie aus. "Der ist ja genauso schlimm, wie meiner. Mach' die Kiste lieber gar nicht erst auf, Sara."
"Aber ich liebe Bücher", entgegnete Sara lachend. Doch dann wandte sie sich der größten Kiste zu. Sie nahm die ,Letzte Puppe' heraus. Sie war so überwältigend, daß die Mädchen in Entzückensschreie ausbrachen, und sie in atemlosen Staunen anstarrten. "Sie ist fast so groß wie Lottie", keuchte eine von ihnen.
Lottie klatschte vor Begeisterung in die Hände und hüpfte kichernd durch den Raum.
"Sie ist für einen Theaterbesuch gekleidet und trägt ein Abendkleid" sagte Lavinia. "Schau nur, ihr Umhang ist mit Hermelin gefüttert."
"Oh!" schrie Irmingard und stürzte nach vorne. "Sie hat sogar ein Opernglas in der Hand - ein blaugoldenes. Sieh nur!"
"Komm, wir wollen ihren Koffer aufmachen und nachsehen, was sie noch für Sachen mitgebracht hat", sagte Sara.

Sie setzte sich auf den Fußboden und schloß den Koffer auf. Die Mädchen drängten sich näher an sie heran und das Stimmengewirr wurde immer lauter. je mehr Sachen Sara auspackte. So einen Tumult hatte das Klassenzimmer noch nicht erlebt. Da gab es Spitzenkragen, Seidenstrümpfe und Taschentücher, ein Schmuckkästchen mit einer Kette und einem Diadem, deren Steine aussahen wie echte Diamanten, einen Mantel und einen Muff aus Seehundfell. Dann kamen jede Menge Kleider zum Vorschein, Ballkleider, Nachmittagskleider. Kostüme, Hüte und Fächer. Selbst Lavinia und Jessie hatten völlig vergessen, daß sie eigentlich schon zu alt waren, um mit Puppen zu spielen.

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"Ich stelle mir gerade vor, daß sie versteht, was wir sagen, und stolz darauf ist, bewundert zu werden", sagte Sara, die neben dem Tisch stand und der Puppe gerade einen großen, schwarzsamtenen Hut aufsetzte.
"Du stellst dir doch dauernd irgendetwas vor", sagte Lavinia hochmütig.
"Ich weiß", entgegnete Sara ungerührt. "Es gibt nichts, was ich lieber tue. Da­bei komme ich mir fast wie eine Zauberin vor. Wenn du dir etwas nur stark genug vorstellst, erscheint es dir fast wirklich."
"Es ist ziemlich leicht, sich Dinge einzubilden, wenn man alles hat", sagte Lavinia. "Glaubst du etwa, du könntest auch in deiner Fantasiewelt leben, wenn du eine Bettlerin wärst, die in einer Dachkammer lebt?"
Nachdenklich strich Sara über die Straußenfedern, die den Puppenhut schmückten.
"Ich glaube schon, daß ich das könnte", sagte sie. "Wenn man bettelt, muß man sich die ganze Zeit etwas vormachen. Doch das wird nicht leicht sein."

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Später überlegte sie oft, welch seltsamer Zufall es wohl gefügt hatte, daß genau in diesem Augenblick Miss Amelia
den Raum betrat.
"Sara", sagte sie. "Mr. Barrow, der Anwalt deines Vaters hat angerufen. Er möchte mit Miss Minchin unter vier Augen sprechen. Da in ihrem Salon die Erfrischungen stehen, kann sie ihn nicht dort empfangen.
Kommt also bitte mit und feiert dort weiter, damit meine Schwester im Klassenzimmer mit Mr. Barrow sprechen kann."
Das ließ sich niemand zweimal sagen. Miss Amelia ließ die Schülerinnen in einer Reihe antreten und führte sie in den Salon. Die ,Letzte Puppe' blieb inmitten all ihrer Schätze allein zurück.
Becky, die natürlich nicht an dem Büfett teilnehmen durfte, lungerte noch ein bißchen im Klassenzimmer herum und bestaunte die herrlichen Puppenkleider.
"Geh zurück an deine Arbeit, Becky", hatte Miss Amelia zu ihr gesagt. Aber Becky konnte sich nicht sofort losreißen. Erst nahm sie einen kleinen Muff in ihre Hände, dann bewunderte sie einen Puppenmantel. Erst als sie Miss Minchins Schritte hörte, bekam sie es mit der Angst zu tun und versteckte sich rasch unter dem Tisch, unter dessen langem Tischtuch sie nicht zu sehen war.

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Miss Minchin betrat den Raum in Begleitung eines dürren kleinen Mannes mit scharfen Gesichtszügen, der sehr verärgert wirkte. Auch Miss Minchin schien beunruhigt zu sein.
Sie setzte sich würdevoll hin und wies auf einen Stuhl. "Bitte setzen Sie sich doch, Mr. Barrow", sagte sie.
Mr. Barrow kam dieser Aufforderung nicht sofort nach, denn seine Aufmerk­samkeit wurde durch die ,Letzte Puppe' und die vielen anderen Geschenke abgelenkt. Mißbilligend rückte er seine Brille zurecht. Die ,Letzte Puppe' nahm keinerlei Notiz von ihm. Sie saß unbeweglich da und erwiderte gleichgültig seinen Blick.
"Einhundert Pfund", bemerkte Mr. Barrow kurz. "Die Sachen kommen aus Paris und sind aus kostbaren Materialien gemacht. Der junge Mann ist sehr verschwenderisch mit seinem Geld umgegangen."
Miss Minchin fühlte sich angegriffen. Wie konnte Mr. Barrow es wagen ihren größten Gönner so herabzusetzen.
Selbst ein Anwalt hatte nicht das Recht, sich jede Freiheit herauszunehmen.
"Entschuldigen Sie bitte, Mr. Barrow", sagte sie förmlich. "Ich glaube, ich verstehe nicht richtig."
"Solche Geburtstagsgeschenke für ein elfjähriges Kind!" Mr. Barrows Stimme hatte immer noch denselben kritischen Tonfall. "Das nenne ich absolut verrücktI"
Miss Minchin setzte sich kerzengerade hin.
"Captain Crewe ist ein vermögender Mann", sagte sie. "Allein seine Diamantenmienen..."

Mr: Barrow drehte sich zu ihr um.
"Diamantenminen!" brach es aus ihm heraus. "Es gibt keine! Und es gab auch nie welche!"
Vor Schreck fuhr Miss Minchin von ihrem Stuhl hoch.
"Was!" schrie sie. "Was meinen sie damit?"

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"Es wäre auf jeden Fall besser gewesen, wenn es nie eine Diamantenmine gegeben hätte", erwiderte Mr. Barrow schnippisch.
"Keine Diamantenmine?" stieß Miss Minchin atemlos hervor und hielt sich an der Lehne eines Stuhls fest. All ihre herrlichen Träume waren mit einem Schlag zerstört.
"Diamantenminen bringen öfter Unglück als Glück", sagte Mr. Barrow.
"Wenn jemand mit seinem besten Freund zusammenarbeitet, ohne etwas von Geschäften zu verstehen, dann ist es meistens besser, die Finger davonzulassen.
Ganz gleich, ob es sich um Diamantenminen oder Goldbergwerke oder was auch immer handelt. Der verstorbene Captain Crewe -"
An dieser Stelle wurde er durch Miss Minchin unterbrochen, die keuchend nach Luft schnappte und schrie: "Der verstorbene Captain Crewe!? Sie sind doch
nicht etwa gekommen, um mir mitzuteilen, daß Captain Crewe nicht mehr am Leben ist!"
"Er ist tot, Madam", antwortete Mr. Barrow schroff. "Dschungelfieber und geschäftlicher Ärger haben seinen Tod verursacht. Das Fieber allein hätte ihn wahrscheinlich nicht umgebracht, und auch nicht die geschäftlichen Probleme. Aber beides zusammen war einfach zuviel für ihn. Wie ich eben bereits sagte: Er ist tot!"
Miss Minchin sank fassungslos in ihren Stuhl. Diese Mitteilung beunruhigte sie zutiefst.
"Was für geschäftliche Probleme hatte er denn?" erkundigte sie sich.
"Die Diamantenmine und gute Freunde haben ihn ruiniert", antwortete Mr.Barrow.
Miss Minchin war sprachlos. "Ruiniert!" keuchte sie entsetzt.
"Er hat jeden Penny verloren, obwohl er soviel Geld hatte. Sein bester Freund war felsenfest davon überzeugt, daß die Diamantenmine einen Gewinn abwerfen würde. Er hat sein gesamtes Geld investiert und das von Captain Crewe ebenfalls. Dann hat sich der Freund aus dem Staub gemacht. Als Captain Crewe diese Nachricht erfuhr, war er bereits vom Fieber geschwächt. Der Schock hat ihn vollends umgeworfen. Er starb im Fieberwahn und verlangte unablässig nach seiner kleinen Tochter. Er hat ihr nicht einen Penny hinterlassen. "


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Jetzt war für Miss Minchin alles klar. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie einen solchen Schock erlebt. Ihre Vorzeigeschülerin und ihr Gönner, all ihre Hoffnungen waren mit einem einzigen Streich hinweggefegt worden. Es kam ihr so vor, als hätte man ihr Gewalt angetan und sie beraubt. Und schuld dar an waren Captain Crewe, Sara und Mr. Barrow.
"Sie wollen mir also im Ernst erzählen, daß er nichts hinterlassen hat?" rief sie aus. "Sara besitzt also keinerlei Vermögen? Er hat es gewagt, eine Bettlerin meiner Obhut anzuvertrauen? Keine reiche Erbin?"
Ohne jedes Zögern macht er Miss Minchin deutlich, daß er in keiner Weise für die entstandene Situation verantwortlich gemacht werden konnte.
"Sie besitzt nichts", erwiderte er, "und sie befindet sich in Ihrer Obhut, Madam, soviel steht fest. Soweit wir wissen, hat sie auf der ganzen Welt keine Verwandten. "
Miss Minchin fuhr hoch. Aus der Ferne war das Juchzen der Mädchen zu hören, die sich lärmend über das kalte Büffet hermachten. Einen Augenblick lang schien es so, als wollie Miss Minchin den Raum verlassen, um der Geburtstagsparty unverzüglich ein Ende zu bereiten.
"Das ist ungeheuerlich!" sagte sie. "Da sitzt sie in meinem Wohnzimmer mit ihrem Seidenkleid und den Spitzenpetticoats und gibt eine Party, die ich bezahlen muß!"
"Das müssen Sie wohl, Madam", sagte Mr. Barrow ruhig. "Barrow und Skipworth übernehmen keinerlei weitere Verantwortung. Captain Crewe ist gestorben, ohne unsere letzte Rechnung zu begleichen, und die war ganz schön hoch.
Entrüstet drehte sich Miss Minchin um. Die Situation war offensichtlich noch schlimmer, als sie vermutet hatte.
"Und das muß mir passieren!" rief sie. "Ich war so sicher, daß er alles bezahlt ist. Sonst hätte ich all diese unsinnigen Ausgaben überhaupt nicht gebilligt. Ich habe die Rechnung für diese lächerliche Puppe und ihre extravagante Garderobe bezahlt. Das Kind sollte schließlich alles bekommen, was es sich wünscht. Sie hat eine eigene Kutsche, ein Pony und eine Zofe. Alles von mir bezahlt, seit der letzte Scheck verbraucht ist."
Mr. Barrow hatte nicht die Absicht, sich noch länger Miss Minchins Gejammere anzuhören. Er hatte seine Pflicht getan und sie über die veränderte Sachlage aufgeklärt. Darüber hinaus verspürte er keine Lust, die wütende Leiterin des Mädchenpensionats zu bedauern.
"Es wird wohl besser sein, wenn Sie in Zukunft keine weiteren Zahlungen übernehmen, Madam", bemerkte er. "Es sei denn, Sie möchten der jungen Dame ein Geschenk machen. Aber erwarten Sie keinen Dank dafür. Sie ist so arm wie eine Kirchenmaus."
"Was soll ich bloß machen?" fragte Miss Minchin ihn hilflos, als ob es seine Aufgabe wäre, die verfahrene Situation zu retten. "Was soll ich denn nur tun?"
"Ich kann Ihnen nicht helfen", sagte Mr. Barrow. Er nahm seine Brille ab und steckte sie in die Tasche. "Captain Crewe ist tot. Das Mädchen bleibt mittellos
zurück und Sie tragen für Sara die Verantwortung."
"Ich trage keinesfalls die Verantwortung für sie. Wie komme ich dazu?" Miss Minchin wurde blaß vor Wut.

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Mr. Barrow wollte gerade gehen.
"Damit habe ich nichts zu tun, Madam", sagte er gleichgültig. "Barrow und Skipworth sind auf jeden Fall nicht haftbar zu machen. Es tut mir furchtbar leid. "
"Wenn Sie glauben, daß Sie mir die Verantwortung für Sara einfach aufdrängen können, dann haben Sie sich gewaltig geirrt", schimpfte Miss Minchin. "Man hat mich ausgeraubt und betrogen. Ich werde sie ganz einfach vor die Tür setzen!"
Ohnmächtige Wut hatte Miss Minchin gepackt. Die Aussicht, für ein mit allem Luxus verwöhntes Mädchen aufkommen zu müssen, das sie zudem im Grunde ihres Herzens verabscheute, ließ sie völlig die Beherrschung verlieren.
Mr. Barrow setzte seinen Weg zur Tür unbeirrt fort.
"Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun, Madam", gab er zu Bedenken. "Das würde in der Gesellschaft mit Sicherheit keinen guten Eindruck hinterlassen. Stellen Sie sich nur vor, es wird bekannt, daß Sie eine mittellose und verwaiste Schülerin weggejagt haben."
Er war ein guter Geschäftsmann, der genau wußte, wovon er sprach, und er wußte auch, daß Miss Minchin Geschäftsfrau genug war, um einzusehen, daß er Recht hatte. Sie konnte es sich unter keinen Umständen leisten, daß die Leute sie für grausam und hartherzig hielten.
"Es ist besser, Sie behalten sie hier und setzen Sie gewinnbringend ein", fügte er hinzu. "Soweit ich weiß, ist sie sehr intelligent. Sobald Sie ein bißchen älter ist, kann Sara für Sie von großem Nutzen sein."
"Ich werde eine geeignete Verwendung für sie finden, und zwar sofort!" keifte Miss Minchin.
"Davon bin ich überzeugt, Madam", sagte Mr. Barrow mit einem finsteren Lächeln. "Da bin ich ganz sicher. Guten Tag!"
.
Mit einer kleinen Verbeugung verließ er das Zimmer und machte die Tür hinter sich zu. Ein paar Augenblicke lang stand Miss Minchin mitten im Raum und starrte vor sich hin. Sie wußte, daß Mr. Barrow Recht hatte. Da war absolut niemand, den sie haftbar machen konnte. Ihre Vorzeigeschülerin hatte sich in Luft aufgelöst, und zurück blieb nur ein armes kleines Waisenkind. Das Geld, das sie vorgestreckt hatte, war und blieb verloren.
Sie stand da, fassungslos über die bodenlose Ungerechtigkeit, die man ihr angetan hatte, als sie plötzlich das fröhliche Stimmengewirr wahrnahm, das aus ihren Privaträumen zu ihr herüberschallte. Das Fest war offensichtlich in vollem Gange. Wenigstens das konnte sie sofort unterbinden, flog es ihr durch den Kopf, wenigstens das!

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Sie war schon auf dem Weg zur Tür, als Miss Amelia den Raum betrat. Sie trat unwillkürlich einen Schritt zurück, als sie das wütende Gesicht ihrer
Schwester bemerkte.
"Was ist los, Schwester?" fragte sie.
Eiskalt vor Wut antwortete Miss Minchin: "Wo ist Sara Crewe?"
Miss Amelia war verwirrt.
"Sara?" stammelte sie. "Wieso? Sie ist mit den anderen Mädchen in deinem Zimmer. Wo soll sie denn sonst sein?"
"Gibt es ein schlichtes, schwarzes Kleid in ihrer Luxusgarderobe?" Miss Minchins Stimme klang bitter.
"Ein schwarzes Kleid?" stammelte Miss Amelia nur. "Wozu denn ein Schwarzes?"
"Sie hat doch Kleider in jeder nur denkbaren Farbe. Ich frage dich, ob sie auch ein Schwarzes besitzt?"
Miss Amelia wurde blaß.
"Nein - ja!" erwiderte sie. "Aber es ist ihr zu kurz. Sie hat nur das alte schwarze Samtkleid, aus dem sie herausgewachsen ist."
"Du gehst sofort zu ihr. Sieh zu, daß sie dieses lächerliche rosafarbene Seidenkleid auszieht. Und sag ihr, sie soll das Schwarze anziehen, ganz gleich wie es aussieht. Mit dem Luxus ist es ein für allemal vorbei!"
Händeringend begann Miss Amelia zu weinen.
"Aber Schwester!" schluchzte sie. "Was ist denn nur geschehen?"
Miss Minchin hielt sich nicht mit langen Erklärungen auf. .
"Captain Crewe ist tot", sagte sie. "Er ist völlig mittellos gestorben und hat dieses verzogene, verzärtelte und verrückte Kind ohne jeden Pfennig zurückgelassen. Jetzt müssen wir wohl oder übel für die Bettlerin aufkommen."
Miss Amelia sank auf den nächstbesten Stuhl.
"Unmengen von meinem Geld habe ich für sie ausgegeben. Keinen Pfennig werde ich davon wiedersehen. Diese lächerliche Party muß sofort aufhören. Geh und sag Sara, sie soll sofort ein anderes Kleid anziehen.
"Ich soll ihr das sagen?" jammerte Miss Amelia. "Muß das denn wirklich sofort sein?"
"Sofort!" lautete die grimmige Antwort. "Sitz nicht da wie eine dumme Gans. Los!"
Die arme Miss Amelia war schon daran gewöhnt, als dumme Gans beschimpft zu werden und alle unangenehmen Pflichten aufgebürdet zu bekommen. Es war ihr ungeheuer peinlich, mitten in die Party hineinzuplatzen und den fröhlichen Kindern mitzuteilen, daß aus ihrer Gastgeberin von einem Augenblick zum anderen eine mittellose Waise geworden war. Aber es blieb ihr wohl nichts anderes übrig.

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Miss Amelia trocknete ihre rotgeweinten Augen, stand auf und verließ wort­los den Raum. Wenn ihre ältere Schwester in dieser Stimmung war, war es am besten, wenn man ihren Anordnungen kommentarlos und ohne zu widersprechen Folge leistete.
Miss Minchin ging unruhig auf und ab. Ohne es zu merken, sprach sie laut mit sich selbst. Das ganze letzte Jahr über war sie fasziniert gewesen von der Diamantenmine und den zuvor nicht für möglich gehaltenen Chancen, die sich daraus ergeben konnten. Sie hatte die Absicht gehabt, Aktien zu kaufen, um reich zu werden. Und jetzt! Statt des erhofften Reichtums gab es nur Verluste zu beklagen.
"Prinzessin Sara, natürlich!" sagte sie. "Das Kind ist verwöhnt worden, als wäre es die Königin höchstpersönlich!"
Mit diesen Worten rauschte sie wütend um den Tisch herum, als sie unvermittelt durch ein lautes Schluchzen abgelenkt wurde, das unter dem Tischtuch hervorzukommen schien.
"Wer ist da?" rief sie aus. Da war das laute Schluchzen schon wieder. Miss Minchin bückte sich und hob eine Ecke des Tischtuches hoch.
"Wie kannst du es wagen!" schrie sie. "Das ist unerhört! Komm sofort da heraus!"
Becky krabbelte aus ihrem Versteck hervor. Das Häubchen hing nur noch auf einem Ohr und ihr Gesicht war rotverschwollen vom Weinen.
"Bitte, Ma'am. Ich bin's nur", versuchte sie zu erklären. "Ich weiß, es war nich' recht. Aber ich wollt' doch bloß die Puppe anschaun. Und dann sind Sie gekommen, da hab' ich's mit der Angst gekriegt und hab mich versteckt."
"Du hast mir nachspioniert" , sagte Miss Minchin.
"Nein, nein, Ma'am", wehrte Becky ab. "Ich hab nich' zugehört. Ich wollt bloß warten, bis ich mich unbemerkt davonschleichen konnte. Aber es ging nich', und da bin ich geblieben. Ich wollt wirklich nich' zuhören, Ma'am. Ich kann nix dafür, wirklich nich'!"
Plötzlich schien sie überhaupt keine Angst mehr vor der furchteinflößenden Gestalt von Miss Minchin zu haben. Sie brach wieder in Tränen aus.
"Oh, bitte, Ma'am", sagte sie. "Bitte um Vergebung, Ma'am, aber die arme Miss Sara. Sie tut mir so leid!"
"Verlaß sofort den Raum!" befahl ihr Miss Minchin.
Becky machte einen Knicks. Die Tränen liefen ihr über die Backen.
"Ja, Ma'am, sofort, Ma'am", sagte sie mit zitternder Stimme. "Aber, ich meine, ich möchte - Miss Sara war doch eine reiche junge Lady, sie isses doch nich gewöhnt, sich allein anzuziehen und so. Was soll sie denn ohne Zofe machen? Bitte, darf ich nich' für sie sorgen, wenn ich meine Arbeit gemacht habe. Ich beeil mich auch - Bitte!" Sie brach erneut in Tränen aus. "Die arme Miss Sara wo wir sie doch immer Prinzessin genannt haben."
Miss Minchin wurde noch wütender. Daß selbst das Küchenmädchen für Sara Partei ergriff, war einfach zuviel. Sie stampfte mit dem Fuß auf und sagte "Du wirst nichts dergleichen tun. Sie wird lernen, sich allein anzuziehen, wie alle andern auch. Wenn du nicht sofort den Raum verläßt, laß ich dich aus dem Haus werfen. Verstanden?"
Becky hielt sich die Schürze vors Gesicht und verließ fluchtartig das Klassen­zimmer. Sie rannte in die Küche zu ihren Töpfen und Schüsseln und weinte als würde ihr das Herz brechen.
"Es ist genau wie in den Geschichten, die Sara mir erzählt hat", schluchzte sie. "Die arme Prinzessin muß ganz allein in die Welt hinaus."


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Ein paar Stunden später wurde Sara in Miss Minchins Zimmer gerufen. Nie zuvor hatte Miss Minchin Sara so unbewegt und kalt angesehen, wie in diesem Augenblick.
Bereits zu diesem Zeitpunkt erschien es Sara, als wäre die ganze Geburtstagsfeier nur ein Traum gewesen, oder etwas, das sich im Leben eines ganz anderen Mädchens abgespielt hatte.
Die Spuren der Feierlichkeiten waren in der Zwischenzeit restlos beseitigt worden. Die Girlanden waren von den Wänden verschwunden, und die Tische und Stühle standen wieder dort, wo sie hingehörten. Miss Minchins Wohnzimmer war aufgeräumt, nichts erinnerte mehr an die Feier, und Miss Minchin trug wieder ihr normales Alltagskleid. Auch die Schülerinnen waren aufgefordert worden, ihre festlichen Kleider auszuziehen. Nun standen sie in kleinen Gruppen im Schulraum herum und tuschelten aufgeregt miteinander. Sie fragten sich, wie es nun weitergehen würde.
"Sara soll in mein Zimmer kommen", hatte Miss Minchin zu ihrer Schwester gesagt. "Und ich wünsche nicht, daß sie weint oder herumjammert. Mach ihr das klar!"
"Das würde Sara niemals tun, und das weißt du auch", erwiderte Miss Ame­lia. "Sie ist ein seltsames Kind. Erinnerst du dich nicht mehr daran, wie sie sich benommen hat, als ihr Vater zurück nach Indien fuhr? Als ich ihr vorhin erzählt habe, was passiert ist, hat sie keine Miene verzogen. Sie stand ganz still da, nur ihre Augen schienen immer größer zu werden, und sie wurde leichenblaß. Als ich endlich fertig war, starrte sie mich ein paar Sekunden lang an, und ihr Kinn zitterte ein bißchen. Dann hat sie sich umgedreht und ist ohne ein Wort nach oben gerannt. Ein paar von den anderen Kindern haben geweint, aber sie hat sie überhaupt nicht beachtet und mir nur regungslos zugehört. Ich habe mich sehr unwohl gefühlt, weil sie mich nichts gefragt hat. Jeder normale Mensch, der so einen Schicksalsschlag erleidet, hätte irgendetwas gesagt. Aber nicht unsere Sara."
Niemand außer Sara wußte, was hinter den verschlossenen Türen ihres Zimmers vorgegangen war. Selbst Sara hatte keine klare Erinnerung. Sie wußte nur noch, daß sie sinnlos auf und ab gegangen war und ununterbrochen vor sich hingestammelt hatte: "Mein Papa ist tot! Mein Papa ist tot!"
Einmal hatte sie vor lauter Verzweiflung Emily angeschrien, die auf ihrem Stuhl saß und sie anschaute: "Hast du gehört, Emily? Mein Vater ist tot! Er ist in Indien gestorben. Tausende von Meilen entfernt!"
Als Sara Miss Minchins Wohnzimmer betrat, war ihr Gesicht bleich, und unter ihren Augen lagen dunkle Schatten. Nichts erinnerte mehr an die kleine, rosagekleidete Elfe, die mit großen, staunenden Augen ihre Geschenke bewundert hatte.
Ohne Mariettes Hilfe hatte sie das alte schwarze Samtkleid angezogen, das sie schon eine ganze Weile nicht mehr getragen hatte. Es war zu kurz und zu eng, so daß ihre dünnen Beinchen ein ganzes Stück darunter hervorschauten. Da sie kein schwarzes Haarband gefunden hatte, hingen ihre kurzen, dicken, braunen Haare lose um ihr Gesicht. Sie hielt Emily im Arm, die sie in ein schwarzes Stück Stoff eingewickelt hatte.
"Leg deine Puppe weg", sagte Miss Minchin. "Was fällt dir ein sie mitzubringen?" .
Aber Sara weigerte sich. "Ich werde sie nicht weglegen", sagte sie. "Sie ist alles, was ich habe. Mein Vater hat sie mir geschenkt."
Miss Minchin hatte sich immer schon in Saras Nähe unbehaglich gefühlt. Daran hatte sich nichts geändert. Sara war keineswegs unhöflich. Aber sie sprach mit einer Bestimmtheit, der Miss Minchin nichts entgegenzusetzen hatte.
"Von heute ab wirst du keine Zeit mehr haben, um mit deinen Puppen zu spielen", sagte Miss Minchin. "Du mußt von nun an arbeiten und dich nützlich machen. "
Sara schaute sie mit ihren großen Augen unverwandt an und sagte kein einziges Wort.
"Ab jetzt wird alles anders", fuhr Miss Minchin fort. "Ich schätze, Miss Ame­lia hat dir bereits erklärt, was passiert ist."
"Ja", erwiderte Sara. "Mein Vater ist tot. Er hat mir nichts hinterlassen. Ich bin ganz arm." .
"Du bist eine Bettlerin", sagte Miss Minchin, die allein der Gedanke daran schon wütend machte. "Es sieht so aus, als hättest du keinerlei Verwandte, kein Zuhause und niemanden, der sich um dich kümmert."
Ein kleines Zucken lief über das dünne, bleiche Gesicht, aber Sara sagte wieder nichts.
"Was starrst du mich so an?" fragte Miss Minchin scharf. "Bist du so,dumm, daß du nicht verstehst, worum es geht? Ich habe dir mitgeteilt, daß du eine Waise bist, um die sich niemand kümmert, es sei denn, daß ich dich aus Barmherzigkeit hier behalte."
"Ich verstehe", sagte Sara mit leiser Stimme. "Ich verstehe vollkommen."
"Ich habe diese Puppe bezahlt", rief Miss Minchin und zeigte auf das herrliche Geburtstagsgeschenk, das neben ihr saß, "und nicht nur diese lächerliche Puppe, sondern auch all die anderen nutzlosen, extravaganten Dinge!"
Sara warf einen Blick auf die Puppe.
"Die ,Letzte Puppe''', sagte sie. "Meine ,Letzte Puppe'." Ihre traurige Stimme bekam einen seltsamen Klang.
"Das ist wirklich die letzte Puppe für dich gewesen!" sagte Miss Minchin. "Aber sie gehört mir und nicht dir. Alles was du besitzt, gehört mir. Hast du verstanden?"
"Dann nehmen Sie sie bitte weg", sagte Sara. "Ich will nichts mehr davon wissen."

Wenn Sara geweint und geschluchzt hätte, oder wenn sie irgendein sichtbares Zeichen von Furcht gezeigt hätte, wäre Miss Minchin sicher geduldiger mit ihr gewesen. Sie war eine Frau, die sich gerne überlegen und mächtig fühlte, doch Saras unverwandter Blick und ihr stolzes Stimmchen verursachten ihr Unbehagen.
"Du brauchst gar nicht so hochnäsig zu tun", sagte sie. "Diese Zeiten sind endgültig vorbei. Du bist keine Prinzessin mehr. Deine Kutsche und dein Pony werden verkauft, und deine Zofe wird entlassen. Du wirst deine ältesten und einfachsten Kleider tragen, denn die anderen sind deinem jetzigen Stand nicht mehr angemessen. Ab jetzt wirst du für deinen Lebensunterhalt arbeiten müssen, genau wie Becky."
Zu Miss Minchins großer Überraschung trat ein kleiner Hoffnungsschimmer in Saras Augen.
"Ich darf arbeiten?" sagte sie. "Wenn ich arbeiten darf, wird es für mich nicht so schwer sein. Was soll ich tun?"
"Du wirst alles tun, was man dir aufträgt", lautete die Antwort. "Du bist ein kluges Kind und lernst schnell. Wenn du dich nützlich machst, werde ich dich hierbehalten. Du sprichst gut Französisch und kannst den kleineren Kindern dabei helfen."
"Darf ich?" rief Sara aus. "Oh, bitte, das möchte ich gern. Ich weiß, daß ich sie unterrichten kann. Ich mag sie und sie mögen mich."
"Erzähl keinen Unsinn", sagte Miss Minchin. "Du wirst nicht nur die Kleinen unterrichten, sondern noch eine ganze Menge mehr zu tun haben. Du wirst Botengänge erledigen und in der Küche und im Klassenzimmer helfen. Wenn ich nicht mit dir zufrieden bin, werde ich dich hinauswerfen. Vergiß das nicht. Und jetzt geh."

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Einen kurzen Augenblick lang stand Sara da und schaute Miss Minchin an. Verrückte Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Dann drehte sie sich um und wollte das Zimmer verlassen.
"Halt!" sagte Miss Minchin. "Willst du dich nicht wenigstens bei mir bedanken?"
Verdutzt blieb Sara stehen und fragte: "Wofür denn?"
"Dafür, daß ich so freundlich bin und dir ein Zuhause biete", antwortete Miss Minchin.
Sara näherte sich ihr ein paar Schritte.Ihr Atem ging schwer, und als sie sprach, hatte ihre Stimme nichts Kindliches mehr an sich.
"Sie sind nicht freundlich", sagte sie. "Sie sind kein bißchen freundlich, und dies ist auch kein Zuhause." Dann drehte sie sich um und rannte aus dem Zimmer, bevor Miss Minchin sie aufhalten konnte.
Mit heftig klopfendem Herzen stieg sie die Treppe hinauf und hielt Emily fest an sich gepreßt.
"Wenn sie doch nur sprechen könnte", sagte sie zu sich selbst. "Oh, könntest du doch nur sprechen."
Sara hatte nur noch einen Wunsch. Sie wollte sich in ihrem Zimmer verkriechen, an das große Tigerfell anschmiegen und ins Feuer starren. Doch noch ehe sie den sicheren Hafen erreichen konnte, trat Miss Amelia aus Saras Zimmer und machte die Tür hinter sich zu. Sie war nervös, denn Miss Minchin hatte ihr einen Auftrag gegeben, den sie insgeheim verabscheute - den sie aber ausführen mußte, ob sie wollte oder nicht.
"Da darfst du nicht mehr hinein", sagte sie.
"Warum denn nicht?" rief Sara aus und trat unwillkürlich einen Schritt zurück. "Das ist nicht mehr länger dein Zimmer", erwiderte Miss Amelia mit scham rotem Gesicht.
Indiesem Augenblick verstand Sara, wovon Miss Minchin gesprochen hatte. Nichts würde mehr wie früher sein.
"Wo soll ich denn jetzt wohnen?" fragte sie und hoffte nur, daß niemand das Zittern ihrer Stimme bemerken würde.
"Du wirst in der Dachkammer neben Beckys Zimmer schlafen."

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Sara wußte, was das bedeutete. Becky hatte ihr schon von der kleinen Kammer erzählt. Sie drehte sich um und stieg zwei Stockwerke höher. Je weiter sie nach oben kam, um so schmaler wurde die Treppe, auf der ein schäbiger alter Teppich lag. Sara hatte das Gefühl, sich immer weiter von dem Leben zu entfernen, das sie bislang geführt hatte. Die Sara von heute, in dem engen, alten Kleid, die in einer Dachstube lebte, hatte mit jener anderen Sara nichts mehr gemeinsam.
Als sie endlich ihr Zimmerchen erreichte, holte sie tief Luft. Sie schloß die Tür hinter sich und schaute sich um.
Das war wirklich eine andere Welt. Das Zimmer hatte keine Tapeten. Der ehemals weiße Putz war schmutzig und bröckelig. Ein rußiger Kamin stand in einer Ecke des Zimmers, und in der anderen befand sich ein altes, Hölzernes Bettgestell mit einer harten Matratze und einer dünnen Bettdecke. Lauter verwohnte Möbelstücke, die sonst keiner mehr haben wollte. Unter dem kleinen Dachfenster, durch das man ein Stückchen grauen Himmels sehen konnte, stand ein verbeultes rotes Fußbänkchen. Darauf ließ Sara sich nieder. Sie weinte fast nie, und auch jetzt kamen ihr keine Tränen. Sie setzte sich Emily auf den Schoß und verbarg ihr Gesicht in ihrem Haar und saß einfach nur da, ohne einen Laut von sich zu geben.
Jemand klopfte leise und vorsichtig an der Tür, so leise, daß Sara es zuerst gar nicht hörte. Langsam öffnete sich die Tür, und ein tränenverschmiertes Gesicht lugte um die Ecke. Es war Becky, die stundenlang in der Küche gesessen und geweint hat. Ihre Augen waren ganz verheult und sie sah ziemlich merk­würdig aus.
"Oh, Miss", sagte sie zögernd und ängstlich. "Darf ich - kann ich reinkommen?"
Sara hob den Kopf und schaute sie an. Sie versuchte zu lächeln, aber es gelang ihr nicht. Ihr frühreifer Gesichtsausdruck war plötzlich verschwunden und sie sah sehr kindlich aus. Sara streckte ihre Hand aus und seufzte.

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"Ach, Becky", sagte sie. "Ich hab dir ja gesagt, daß es überhaupt keinen Unterschied zwischen uns beiden gibt. Wir sind nur zwei kleine Mädchen, sonst nichts. Jetzt kannst du selbst sehen, daß ich recht hatte. Ich bin keine Prinzessin mehr."
Becky rannte auf sie zu, nahm ihre Hand und drückte sie fest an ihre Brust.
Dann kniete sie laut schluchzend neben Sara nieder.
"Doch, das sin' Sie", weinte sie, und der Kummer brach ihr fast das Herz. "Was auch passiert - ganz egal- Sie sin' und bleiben 'ne Prinzessin. Das kann keiner ändern!"







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Tante Elizabeth sagte nichts mehr, ich kuschelte mich nun in meine Decke, denn ich wollte nicht dass sie die kleien Träne sieht die mir über die Wange lief.
Dieser Teil der Geschichte war so traurig. Tante Elizabeth stand auf und deckte mich nochmal zu. "Schlaf gut kleine Saskia" und verließ das Zimmer... ich lag noch eine Weile wach da und meine Gedanken waren bei dem heutigen Teil der Geschichte.












 
~single1~ schrieb:
Schön, schön, schöööööön!!! Darf ich fragen, woher du den Rollstuhl hast? Mit Recolors, also dass er auch andere Farben hat? :)

Ich habe den Rollstuhl von ModtheSims2 habe bei Downloads Suche Wheelchair eingegeben und da war er den gibts in 3 Farben.
 
Einfach truamhaft!!!

Das warten hat sich gelohnt! :)

Oh, wunderschöne Fortsetzung...!
Sehr traurig aber trotzdem sehr Gefühlsvoll.

Freue mich riesig auf den nächsten Kapitel.

Liebe Grüße,
Sarah.


PS - Danke für die Benachrichtigung, habe mich gefreut! ;)
 
SarahJust schrieb:
Das warten hat sich gelohnt! :)

Oh, wunderschöne Fortsetzung...!
Sehr traurig aber trotzdem sehr Gefühlsvoll.

Freue mich riesig auf den nächsten Kapitel.

Liebe Grüße,
Sarah.


PS - Danke für die Benachrichtigung, habe mich gefreut! ;)

Es tut mir wirklich Leid dass ich nicht so viel Zeit hatte um das Kapitel schon früher zu posten. Abe rmein RL war ziemlich stressig in letzter Zeit, aber es Freut mich das auch diese Fortsetzung Euch Gefallen hat :)

Ich werde heute mit den Bildern des nächsten Kapitels anfangen... mal sehen wie schnell ich fertig sein werde :)
 
Liebe Maggy, ich liebe deine Geschichte und weiß auch , daß es noch ein RL gibt. Deshalb, lass dir ruhig Zeit und stress dich nicht. Wir verstehen das und warten mit mehr Freude auf den nächsten Teil.
Sarah:hallo:
 
Hallo Ihr Lieben :hallo: ,

Ich habe heute doch mehr Zeit gehabt als ich dacht und stelle nun ein Neues Kapitel online.

Es ist kein besonderer Langer Teil aber ich hoffe es gefällt Euch trotzdem :)

************

In Der Dachkammer


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Tante Elizabeth war zuhause und saß eine Weile auf ihrem Sofa.
Sie überlegte, ab und an seuftzte sie leise und dann war sie wieder ganz in ihren Gedanken versunken.

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Nach ein paar Stunden ging sie die Treppen in die nächste Etage hoch, sie blieb in einem Rosanen Zimmer stehen und schaute sich da um, und wieder seufzte sie.
Es schienen ihr wieder jede menge Gedanken durch den Kopf zu gehen, sie grübelte schon den ganzen Tag. Sie hatte kaum was gegessen und war nur am überlegen.

Sie blieb nicht all zu lange in dem rosanen Zimmer, es schien sie Traurig zu machen. Langsam schloss sie die Tür hintersich und ging wieder die Treppe hinunter.

In einem Weisen Sessel liess sie sich nieder und da passierte es.

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Tante Elizabeth schlug die Hände vor ihr Gesicht und weinte.
"Wieso? Wieso? Wieso?"
Immer wieder schluchzte sich diese Worte. Irgendwas an dem Rosanem Zimmer machte sie traurig.
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Die Zeit verging und Tante Elizabeths Stimmung war bedrückt. Doch um sich abzulenken nahm sie ein Buch zur Hand und fing an darin zu blättern, doch richtig konzentrieren konnte sie sich nicht.

Nach einigen Stunden schaute sie auf die Grosse Standuhr in ihrem Zimmer und machte sich fertig.
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Langsam ging sie zu ihrem Wagen ... immernoch sehr nachdenklich stieg sie ein und schnallte sich an.

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Dann fuhr sie los, in Richtung Krankenhaus.
Sie fuhr nicht schnell .... ganz gemütlich aber doch noch sehr in Gedanken versunken.
Immer wieder wiederholte sie einen Satz " Ich werde es bald wissen, ja das werde ich ".
Was dies zu bedeuten hatte wusste ich zu Anfang nicht. Das sollte ich erst später erfahren was sie so nachdenklich machte.

Fünfzehn Minuten später Parkte Tante Elizabeth ihr Auto auf dem Parkplatz des Krankenhauses.
Als sie das Krankenhaus betrat, kam gleich eine Schwester zu ihr gelaufen.
Die Schwester erklärte Tante Elizabeth dass die ich Fieber hatte und schon den ganzen Tag nach ihr rief.
Tante Elizabeth sagte kein Wort sondern ging auf dem Direkten Weg in Mein Zimmer.

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Sie setzte sich an mein Bett und sagte kein wort, ich glaube sie dachte dass ich schlafe...

"Tante Elizabeth..... wann ist sie da?" Im Fieberwahn rif ich immer wieder nach ihr, dann spührte ich eine warme hand in meinen Haaren, "Ich bin doch da kleine Saskia, ich bin doch da".

Ich drehte mich un und tatsächlich da war sie... meine Tante Elizabeth. Ein lächeln huschte über mein Gesicht, am liebsten hätte ich sie umarmt, doch ich war irgendwie nicht in der Lage aufzustehen.
"Bleib liegen kleines," "Tante Elizabeth, erzählst du mir eine Geschichte? Erzählst du mir wieder von Sara?" Sie antwortete nicht sofort man merkte dass sie in Gedanken war. "Ja meine kleine, aber nur wenn du mir versprichst schön im Bett zu bleiben".
Ich versprach es ihr und sie deckte mich nochmal fest zu bevor sie anfing zu erzählen:

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Diese erste Nacht in der Dachkammer würde Sara in ihrem ganzen Leben nicht vergessen. Niemand konnte ermessen, wie unendlich tief der Kummer war, den sie in dieser Nacht durchlitt. Niemand konnte auch nur ahnen, wie groß ihr Schmerz war. Es war nur gut, daß sie ab und zu durch die ungewohnten Geräusche abgelenkt wurde, sonst wäre sie vielleicht verrückt geworden. Denn ihr Leid war einfach zu groß für ein kleines Mädchen.
"Mein Papa ist tod" flüsterte sie ohne Unterlaß. "Mein Papa ist tod"
Erst nach einer ganzen Weile bemerkte sie, wie hart ihr Bett war, viel zu hart, um bequem darin zu schlafen. Die Nacht erschien ihr dunkler, als jede Nacht zuvor. Das Heulen des Windes im Schornstein klang wie lautes Wehklagen. Aber es kam noch schlimmer. Hinter den Wänden und den Fußleisten war ein ständiges Scharren und Kratzen und Quietschen zu hören. Sara wußte, was das war, denn Becky hatte ihr davon erzählt. Das waren die Ratten und Mäuse, die miteinander spielten und kämpften. Ein paar Mal war das Scharren ganz nah, als die Ratten über den Fußboden von Saras Zimmer huschten. Sara zitterte am ganzen Körper vor Furcht. Sie setzte sich in ihrem Bett auf, und es dauerte eine ganze Weile, bis sie wagte, sich wieder hinzulegen. Sie zog sich die Bettdecke über den Kopf.
Der Wechsel in ihrem Leben war einfach zu plötzlich gekommen.
"Sara muß sofort lernen, was sie von jetzt an zu tun und zu lassen hat", sagte Miss Minchin zu Miss Amelia.
Bereits am nächsten Morgen verließ Mariette das Haus. Ein flüchtiger Blick in ihr ehemaliges Wohnzimmer machte Sara klar, daß sich von einem Tag zum anderen alles verändert hatte. Ihre wunderbaren Sachen waren verschwunden. Jetzt stand ein Bett in der Ecke des Zimmers, denn hier sollte eine neue Schülerin schlafen.
Als Sara zum Frühstück nach unten ging, war der Platz neben Miss Minchin von Lavinia besetzt. Miss Minchin wandte sich an Sara und befahl ihr: "Du wirst sofort mit deinen neuen Pflichten beginnen, Sara. Ab heute wirst du bei den Kleinen am Tisch sitzen. Du hast dafür zu sorgen, daß sie ruhig sind, sich ordentlich benehmen und nicht mit dem Essen herumspielen. Das nächste Mal stehst du früher auf. Lottie hat bereits ihre Teetasse umgeworfen."

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Damit fing alles an, und mit jedem Tag wurden Saras Pflichten zahlreicher. Sie erteilte den kleinen Kindern Französischunterricht und beaufsichtigte sie während der übrigen Schulstunden. Aber das war noch das Wenigste. Zu jeder Tageszeit und bei jedem Wetter wurde sie nach draußen geschickt, um Besorgungen zu machen. Sie mußte alles das tun, wozu die anderen keine Lust hatten. Die Köchin und das Hausmädchen behandelten sie genauso von oben herab wie Miss Minchin. Es machte ihnen großen Spaß, die ,Kleine' herumzuschikanieren, um die man früher soviel Getue gemacht hatte. Endlich hatten sie jemanden gefunden, dem sie alle Fehler in die Schuhe schieben konnten.
In den ersten beiden Monaten hatte Sara noch geglaubt, sie könnte sich das Wohlwollen der anderen verdienen, wenn sie nur alle ihre Aufträge zur größten Zufriedenheit erfüllte. Sie war sehr stolz und haßte es, von der Mildtätigkeit anderer abhängig zu sein. Lieber wollte sie hart arbeiten. Aber nach einiger Zeit bemerkte Sara, daß gar nichts besser wurde. Im Gegenteil. Je bereitwilliger sie das tat, was man ihr auftrug, um so mehr wurde sie von den Hausmädchen tyrannisiert und von der Köchin ausgeschimpft.

Wenn sie älter gewesen wäre, hätte Miss Minchin ihr sicher aufgetragen, die älteren Mädchen zu unterrichten. Dann hätte sie eine Lehrerin entlassen und damit eine Menge Geld sparen können. Unglücklicherweise war Sara immer noch sehr jung. Daher war es einträglicher, sie als Botin und Mädchen für alles zu beschäftigen. Sie war intelligenter als ein gewöhnlicher Botenjunge und sehr verantwortungsbewußt. Man konnte sie beruhigt mit verzwickten Aufträgen und komplizierten Botschaften beauftragen. Sie war sogar zuverlässig genug, um Rechnungen zu bezahlen. Zudem war sie peinlich genau, wenn es darum ging, Staub zu wischen und die Zimmer aufzuräumen.


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Saras eigene Schulstunden waren in weite Ferne gerückt. Sie erhielt keinen Unterricht mehr. Den ganzen Tag lang mußte sie hierhin und dorthin rennen, um alle Aufträge auszuführen. Wenn alles zur Zufriedenheit erledigt war, wurde ihr von Zeit zu Zeit widerstrebend die Erlaubnis gewährt, nachts das Klassenzimmer zu benutzen, um zu lesen und zu lernen.
"Wenn ich nicht versuche, mich an die Dinge zu erinnern, die ich gelernt habe, werde ich bald alles vergessen", sagte sich Sara. "Ich bin nicht viel mehr als eine Küchenmagd, und wenn ich nicht aufpasse, werde ich bald genauso unwissend sein wie die arme Becky."
Am deutlichsten fühlte sie den Unterschied zwischen ihrer jetzigen Situation und ihrem früheren Leben, wenn sie mit den anderen Schülerinnen zusammen war. War sie vorher die Anführerin gewesen, die Prinzessin, die alle angehimmelt hatten, so zählte sie jetzt überhaupt nichts mehr. Da sie andauernd arbeiten mußte, hatte sie kaum noch Gelegenheit, mit irgend jemandem zu sprechen. Außerdem war es ganz offensichtlich, daß Miss Minchin ihr den Umgang mit den übrigen Mädchen am liebsten völlig verboten hätte.
"Ich möchte nicht, daß sie mit den anderen Kindern spricht", hatte Miss Minchin gesagt. "Mädchen haben eine Vorliebe für Schicksalsschläge, und wenn sie anfängt, eine ihrer romantischen Geschichten zu erzählen, wird man sie noch für eine Heldin halten, der man übel mitgespielt hat. Es ist besser, wenn sie mir den anderen nicht mehr zusammenkommt. Sie hat sich den veränderten Umständen anzupassen. Ich habe ihr ein Zuhause gegeben, und das ist mehr, als sie erwarten kann."
Sara hatte keine großen Erwartungen mehr. Außerdem war sie zu stolz. Daher versuchte sie erst gar nicht, ihre alten Freundschaften fortzusetzen. Denn es war offensichtlich, daß sich die Mädchen in ihrer Gegenwart unbehaglich und unsicher fühlten. Die meisten Schülerinnen von Miss Minchins Internat waren langweilige, fade Geschöpfe, die an Luxus und Komfort gewöhnt waren. Als sie bemerkten, daß Saras Kleidung immer schäbiger wurde, daß sie Schuhe trug, die voller Löcher waren und daß sie wie ein Küchenmädchen einkaufen und saubermachen mußte, begannen sie nach und nach ebenfalls, Sara wie ein Dienstmädchen zu behandeln.
"Wenn man bedenkt, daß ihr eine Diamantenmine gehört hat", sagte Lavinia. "Jetzt sieht sie komischer aus denn je. Ich mochte sie noch nie leiden, aber ihre Art, wie sie die Leute jetzt ansieht, ohne ein Wort zu sagen, finde ich absolut unverschämt. Als wollte sie uns alle durchschauen."
"Das stimmt", sagte Sara prompt, als sie das hörte. "Bestimmte Leute sehe ich mir ganz genau an, damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe."
Sie hatte sich schon manchen Ärger dadurch erspart, daß sie Lavinia genau beobachtete. Denn diese war nur darauf aus, Unfrieden zu stiften.
Sara machte nie irgendwelchen Ärger. Sie schuftete wie ein Packesel. Uner­müdlich streifte sie durch die nassen Straßen, schleppte Pakete und Einkaufskörbe und kämpfte gegen die Unaufmerksamkeit der kleinen Mädchen an, wenn sie ihnen Französischunterricht erteilte. Als ihre Kleider immer schäbiger wurden, befahl man ihr, mit den übrigen Dienstboten in der Küche zu essen. Niemand interessierte sich mehr für sie, und Saras Stolz ließ es nicht zu, jemandem zu erzählen, wie sie sich fühlte.
"Ein Soldat beklagt sich nicht", ermahnte sie sich und preßte die Lippen fest aufeinander. "Ich werde es auch nicht tun. Niemals. Ich werde so tun, als wäre ich im Krieg."
Aber es gab Stunden, da war der Schmerz so groß, daß ihr kindliches Herz fast unter der Einsamkeit zerbrochen wäre, wenn nicht drei Menschen doch noch zu ihr gehalten hätten.
Einer war Becky - die kleine, schmutzige Becky. In der ersten Nacht, die Sara in der Dachkammer verbrachte, hatte sie sich ein wenig damit getröstet, daß Becky nebenan schlief, nur durch eine dünne Wand von ihr getrennt. Seit dieser Zeit war ihre Freundschaft gewachsen. Während des Tages hatten sie kaum Zeit, um miteinander zu sprechen. Jede hatte bestimmte Pflichten zu erfüllen, die nicht vernachlässigt werden durften.
"Machen Sie sich nichts draus, Miss, wenn ich nich' höflich zu Ihnen bin", flüsterte ihr Becky am ersten Morgen zu. "In Gedanken sag' ich immer ,bitte' und ,danke' und ,tschuldigung'. Aber wenn ich's laut sagen würde, gäb's ein Donnerwetter. "
Ganz früh morgens schlüpfte Becky in Saras Dachkämmerchen und half ihr beim Anziehen, bevor sie in die Küche ging und das Feuer anzündete. Und abends klopfte sie wiederum an Saras Tür, um nachzusehen, ob ihre Hilfe benötigt wurde. In den ersten Wochen nach dem Tod ihres Vaters war Sara wie betäubt. Daher verging einige Zeit, bevor sie anfingen, miteinander zu sprechen und sich gegenseitig zu besuchen. Doch Becky hatte dafür volles Verständnis. Sie fühlte, daß Sara eine Zeitlang allein sein mußte, um mit ihrem Kummer fertig zu werden.
Die nächste in der Reihe der Trösterinnen war Irmingard. Aber es mußten erst einige seltsame Dinge geschehen, bis Irmingard wieder mit Sara zusammenkam.
Als Sara nach und nach aus ihrer Betäubung aufwachte, wurde ihr klar, daß sie Irmingard völlig vergessen hatte. Sie waren lange Zeit befreundet gewesen. Dabei war es Sara immer so vorgekommen, als wäre sie um Jahre älter als Irmingard. Irmingard war zwar nicht sehr intelligent, aber sie liebte Sara von ganzem Herzen.
Sie hing an Sara, brachte ihr ihre Aufgaben, damit Sara ihr helfen sollte, hörte ihr aufmerksam zu und drängelte sie immer wieder, neue Geschichten zu erzählen. Sie selbst hatte nichts Interessantes zu berichten, und sie verabscheute Bücher jeder Art. In dem Wirbelsturm der Gefühle, der über Sara hereingebrochen war, hatte sie Irmingard völlig vergessen.

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Das war um so einfacher gewesen, weil Irmingard plötzlich nach Hause gefahren war und einige Wochen bei ihren Eltern verbracht hatte. Nach ihrer Rückkehr dauerte es ein oder zwei Tage, bevor sie Sara zu Gesicht bekam. Sie trafen sich auf dem Gang. Sara war schwer beladen mit Kleidungsstücken, die ausgebessert werden mußten. Sie sah sehr blaß und ganz verändert aus und trug das komische Kleid, aus dem sie herausgewachsen war, so daß man ihre dünnen, schwarzbestrumpften Beine sehen konnte.
Irmingard war dieser Situation nicht gewachsen. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte. Natürlich hatte sie erfahren, was passiert war. Aber sie hatte sich einfach nicht vorstellen können, daß Sara so aussehen würde - so merkwürdig und armselig, fast wie ein Dienstmädchen. Irmingard fühlte sich bei Saras Anblick ganz elend und ihr fiel nichts anderes ein, als hysterisch zu lachen und zu rufen: "Oh, Sara! Bist du's?"
"Ja", antwortete Sara. Ein abwegiger Gedanke schoß ihr durch den Kopf und ihre Wangen verfärbten sich.
Sie hielt den Stapel mit Kleidern fest an sich gepreßt und schaute Irmingard unverwandt an, so daß sie noch verlegener wurde. Ihr kam es so vor, als hätte sich Sara in ein Mädchen verwandelt, das sie nie zuvor gesehen hatte. Das hatte sicher damit zu tun, daß sie plötzlich arm geworden war und wie Becky arbeiten mußte.
"Oh", stammelte sie. "Wie - wie geht es dir?"
"Keine Ahnung", antwortete Sara. "Und wie geht's dir?"
"Ganz gut", sagte Irmingard, der es vor lauter Schüchternheit fast die Sprache verschlug.
Krampfhaft überlegte sie, wie sie alte Vertrautheit wieder herstellen konnte. "Bist du - bist du sehr unglücklich?" fragte sie hastig.
Das war zuviel für Sara. Blind vor Kummer und Zorn war sie sehr ungerecht zu Irmingard. Ihr gebrochenes Herz pochte wie verrückt, und sie kannte nur noch einen Gedanken - mit so einem dummen Mädchen wollte sie nichts mehr zu tun haben.
"Was glaubst du denn?" fragte sie zurück. "Denkst du etwa, daß ich glücklich bin?" Dann schritt sie von dannen, ohne sich noch einmal umzudrehen.

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Erst einige Zeit später erkannte Sara, daß Irmingard es nicht böse
gemeint hatte. Schließlich konnte sie nichts für ihre langsame und unbeholfene Art. Es fiel ihr schwer, ihre Gefühle zu zeigen, und wenn sie es versuchte, benahm sie sich noch ungeschickter als sonst.
Aber der abwegige Gedanke, der Sara durch den Kopf geschossen war, hatte sich festgesetzt und machte sie überempfindlich.
"Sie ist genau wie die anderen auch", dachte sie. "Sie will nicht wirklich mit mir sprechen, weil die andern es auch nicht tun."
Mehrere Wochen lang gab es diese Barriere zwischen ihnen. Wenn sie sich zufällig trafen, schaute Sara einfach woanders hin, und Irmingard war zu unbeholfen und verwirrt, um sie anzusprechen. Manchmal nickten sie sich zu, aber es gab auch Zeiten, wo sie sich nicht einmal grüßten.
"Hoffentlich kommt sie nicht auf die Idee, mit mir zu reden", dachte Sara. "Ich werde ihr auf jeden Fall aus dem Weg gehen. Das entspricht auch genau Miss Minchins Wünschen."
Zum Schluß sahen sie sich so gut wie nie. Irmingard verhielt sich dümmer als je zuvor und sah teilnahmslos und unglücklich aus. Meistens saß sie wie ein kleines Häufchen Elend auf der Fensterbank und starrte schweigend aus dem Fenster. Einmal ging Jessie vorbei und schaute sie neugierig an.
"Warum weinst du, Irmingard?" wollte sie wissen.
"Ich weine ja gar nicht." Irmingard schnüffelte und ihre Stimme zitterte ein bißchen.
"Du weinst doch", sagte Jessie. "Dir ist gerade eine dicke Träne von der Nase gerollt. Und da ist noch eine."
"Na und", sagte Irmingard, "ich bin unglücklich, aber das geht keinen etwas an." Schroff drehte sie ihr den Rücken zu, nahm ein Taschentuch heraus und hielt es sich vors Gesicht.
An diesem Abend kehrte Sara noch später als gewöhnlich in ihre Dachkammer zurück. Sie hatte gearbeitet, bis die Schülerinnen sich schlafen legten. Dann hatte sie im Klassenzimmer gesessen und gelesen.


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Als sie die oberste Treppenstufe erreichte, stutzte sie, weil ein schwacher Lichtschein durch die Tür zum Dachboden fiel.
"Wer kann das nur sein?" überlegte sie. "Dort kommt doch niemand außer mir hin. Aber irgendjemand muß eine Kerze angezündet haben."
Und so war es auch. Da stand eine Kerze, aber sie steckte nicht in dem Kerzenleuchter, den Sara normalerweise benutzte. Diese Kerze gehöne einer Schülerin. Jemand saß auf dem wackeligen Fußbänkchen, bekleidet mit einem weißen Nachthemd und in einen roten Schal eingewickelt. Es war Irmingard.


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"Irmingard!" rief Sara. Sie war furchtbar erschrocken. "Du wirst Ärger bekommen. "
Irmingard richtete sich auf. Sie schlurfte in ihren viel zu großen Pantoffeln durch die Kammer. Ihre Augen und ihre Nase waren rot vom vielen Weinen.
"Ich weiß, daß ich Ärger bekomme, wenn man mich hier findet", sagte sie. "Aber das ist mir egal - das macht mir überhaupt nichts aus. Oh, Sara, bitte rede doch mit mir? Was ist denn bloß los? Warum magst du mich denn nicht mehr?"
Sara hatte plötzlich einen Kloß im Hals, als sie das hörte. Es war so liebevoll und simpel. Genau wie damals, als Irmingard sie gebeten hatte, ihre beste Freundin zu sein. Sollten die vergangenen Wochen nur ein großes Mißverständnis gewesen sein?
"Aber ich mag dich doch", antwortete Sara. "Ich dachte. . . Jetzt ist doch alles ganz anders. Ich hab gedacht, du bist jetzt auch anders."
Irmingard riß ihre verweinten Augen auf.
"Wieso ich? Du hast dich doch so komisch benommen!" rief sie. "Du wolltest nicht mit mir reden. Ich hab nicht gewußt, was ich tun soll. Du warst ganz verändert, seit ich zurück bin."
Sara dachte einen Augenblick lang nach. Ihr wurde klar, daß sie einen Fehler gemacht hatte. .
"Ich habe mich verändert", erklärte sie. "Aber nicht so, wie du denkst. Miss Minchin möchte nicht, daß ich mit den Mädchen spreche. Die meisten haben auch gar keine Lust dazu. Ich habe gedacht, du möchtest auch nicht mehr mit mir reden. Deshalb bin ich dir aus dem Weg gegangen."

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"Ach, Sara", vorwurfsvoll schaute Irmingard sie an. Dann stürzten sie aufeinander zu und umarmten sich. Sara ließ ihren Kopf auf Irmingards Schulter sinken. Sie hatte sich so furchtbar allein und verlassen gefühlt. Aber jetzt war alles wieder gut.
Dann setzten sie sich nebeneinander auf den Fußboden. Sara umklammerte ihre Knie mit den Armen, und Irmingard wickelte sich fester in ihren roten Schal. Sie schaute Sara bewundernd an.
"Ich konnte es einfach nicht mehr länger aushalten", sagte sie. "Ich weiß, daß du ohne mich leben kannst, Sara. Aber ich kann nicht ohne dich leben. Ich war schon fast tot. Ich habe nur noch geweint. Deshalb bin ich heute nacht hier heraufgekrochen, um dich zu fragen, ob wir nicht wieder Freunde sein können."
"Du bist viel netter als ich", sagte Sara. "Ich war viel zu stolz, um Freundschaft zu schließen. Jetzt, wo ich auf die Probe gestellt werde, zeigt sich eben doch, daß ich kein nettes Kind bin. Das hatte ich schon befürchtet." Sie verzog nachdenklich ihre Stirn. "Aber vielleicht muß das so sein."
"Ich weiß nicht, wofür diese Probe gut sein soll", widersprach Irmingard tapfer.
"Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß es auch nicht", gab Sara freimütig zu. "Aber ich glaube, daß dies hier auch seine guten Seiten haben kann, selbst wenn ich sie nicht erkennen kann." Und zweifelnd fügte sie hinzu "Vielleicht hat sogar Miss Minchin ihre guten Seiten."
Irmingard schaute sich ängstlich in der Dachkammer um und fragte: "Sara, glaubst du wirklich, daß du hier leben kannst?"
Sara folgte ihren Blicken.
"Ich stelle mir einfach vor, daß es der Schauplatz einer Geschichte ist. Dann geht es schon", antwortete sie.
Sie sprach langsam. Ganz allmählich kam ihre Vorstellungskraft zurück, die unter all ihrem Kummer verschüttet gewesen war.
"Es gibt Menschen, die haben an viel schlimmeren Orten gelebt. Denk doch nur mal an den Grafen von Monte Christo, der im Kerker von Chateau d'If eingesperrt war. Und denk an die Gefangenen der Bastille!"

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"Die Bastille", flüsterte Irmingard und beobachtete sie fasziniert. Sie erinnerte sich an die Geschichten aus der Zeit der Französischen Revolution. Es war ihr sogar gelungen, sie zu behalten, weil Sara so anschaulich darüber berichtet hatte. So konnte nur Sara erzählen.
Das altbekannte Leuchten trat in Saras Augen.
"Ja", sagte sie und umarmte ihre Knie. "Dies ist ein guter Ort, um so zu tun, als sei ich ein Gefangener der Bastille. Ich lebe schon seit vielen, vielen Jahren hier. Alle haben mich vergessen. Miss Minchin ist der Gefängniswärter und Becky ist der Gefangene, der in der Zelle neben mir lebt." Saras Augen strahlten wieder.
Sie drehte sich zu Irmingard um.
"Von nun an wird es viel leichter sein, hier zu leben", sagte sie. Irmingard war entzückt und ergriffen gleichzeitig.
"Wirst du mir auch alles darüber erzählen?" fragte sie. "Darf ich nachts zu dir heraufkommen, wenn es keiner merkt? Dann werden wir noch bessere Freundinnen sein,als vorher."
"Natürlich", Sara nickte. "Erst im Unglück kann man seine wahren Freunde erkennen, und mein Unglück hat jedenfalls bewiesen, wie nett du wirklich bist."













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Tante Elizabeth beendete diesen Teil der Geschichte und merkte dass ich schon eingeschlafen war.
Sie schaute mir beim schlafen zu sagte aber kein Wort, nur ab und an kam ein leises Seuftzen über ihre Lippen.
Ich weiss nicht wie Lange sie hier gessesn hat ... es war eine Weile bis sie aufstand und dann Heim ging.


***********

So ihr Lieben das wars für heute ... ich hoffe ich habe bald wieder Zeit um eine Fortsetzung zu posten :hallo:



 
:hallo: ich finde deine Geschichte großartig, allerdings muß ich sagen das mir die Geschichte bekannt vorkommt. aber egal, Du schreibst sehr schön.
Mach weiter so :)

hehe ich bin die erste
 
Ach, sooo schön... Wie immer, super!!! :)
Ich bin wirklich gespannt zu wissen was als nächstes mit Saskia und Sara passiert...

Kann es vielleicht sein, daß Saskia verwandt mit Tante Elizabeth ist? Sie war so traurig als sie im rosanen Zimmer war...
Naja, nur eine Vermutung...

Liebe Grüße,
Sarah
 
Ach das Buch kenn ich wirklich. Ich denk jetzt grad an früher und weiß doch noch wie die Geschichte ausgeht. Ich glaub ich bin wieder 4..*gggg*
 
@Sarah Wie es da noch weitergeht kann ich euch nicht verraten, aber es freut mich das es dir gefallen hat :)

@Jessy
Ja das kann dir bekannt vorkommen :) Ich bin froh dass du weiterliest

@Singel *dich auch zurück knuddel*

@Hoschi
Ja die Geschichte an sich wurde mehrfach geschrieben, verfilmt etc. Es gibt soweit ich weiss mehrere Versionen davon. :) Hoffe du liesst weiter :)

Ich wart Fleißig .... schon die 2te Seite Danke
 
Maggy79 schrieb:
@Sarah Wie es da noch weitergeht kann ich euch nicht verraten, aber es freut mich das es dir gefallen hat :)

@Jessy
Ja das kann dir bekannt vorkommen :) Ich bin froh dass du weiterliest

@Singel *dich auch zurück knuddel*

@Hoschi
Ja die Geschichte an sich wurde mehrfach geschrieben, verfilmt etc. Es gibt soweit ich weiss mehrere Versionen davon. :) Hoffe du liesst weiter :)

Ich wart Fleißig .... schon die 2te Seite Danke


Ich heiße Hoshi und ja ich lese sehr gern weiter. Ich find die einfach klasse!
 
ich finde die geschichte sehr gut, auch wenn ich die geschichte von tante elizabeth (welche sie erzählt) kenne. ich freue mich auch schon auf den nächsten teil, vielleicht erfahren wir ja was sie so traurig macht. :P
 
@Hoshi

Entschuldige Bitte manchmal bin ich zu Blind um die Namen richtig zu schreiben. Es Freut mich dass du weiterlesen wirst. :)

@ Lady_Oscar

Ich freue mich auch dass du weiter lesen magst.
Ich hätte nicht gedacht das man sich an diese wundevolle Geschichte noch erinnert.

 
Hallo Maggy, :hallo:
sicher lese ich weiter, mich interessiert ja nicht nur die geschichte in der geschichte, sondern auch die geschichte drumherum, und du schreibst auch sehr schön.
auserdem als ich das letzte mal die geschichte gehört habe liegt schon etwas zurück und wie du selber sagst, es gibt viele verschiedene verfilmungen und bücher. mich interessiert was du aus der geschichte machst, ich hoffe ja das du nicht nur aus einen buch abschreibst.

LG jessy :D
 
Wow. Klasse Geschichte!
Hab sie gerade erst entdeckt und bin überwältigt! Hab alles auf einmal gelesen, konnte nicht mehr aufhören!! Ich kenn das Buch (Gott sei Dank) nicht, deshalb bin ich wirklich gespannt wie es weiter geht!!
Freu mich schon auf die nächste Fortsetzung!! Wäre schön, wenn du mich benachrichtigen könntest!!
 
XBlackcorsaX schrieb:
Wow. Klasse Geschichte!
Hab sie gerade erst entdeckt und bin überwältigt! Hab alles auf einmal gelesen, konnte nicht mehr aufhören!! Ich kenn das Buch (Gott sei Dank) nicht, deshalb bin ich wirklich gespannt wie es weiter geht!!
Freu mich schon auf die nächste Fortsetzung!! Wäre schön, wenn du mich benachrichtigen könntest!!

Hallo Blackcorsa

es freut mich einen Neuen Leser dazubekommen zu haben, klar kann ich dich benachrichtigen, heute wird es auch weitergehen, ich werde versuchen heute einen "Längeren" Teil online zu stellen.

@Jessie

Ich werde mein Bestes Geben um Vorallem das Ende nach "meinen Wünschen" zu gestalten. Die Story selber (aus dem Buch) finde ich sollte nicht sonderlich geändert werden. Natürlich gibt es hier und da änderungen aber das sind eher kleinigkeiten, die evtl. nicht auffallen.

Hoffe es wird Euch der nächste Teil auch gefallen, Bis heute Mittag *g*
 

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