29. Kapitel: Zerschlagen
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Scheíße, was mach ich jetzt?! Warum musste er sich gerade jetzt wieder melden?![/FONT]
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Eigentlich dachte ich, ich hätte jetzt endlich mit ihm abschließen können. Die ganze Sache vergessen können. Er war nur ein Fehler meiner Vergangenheit und nichts weiter. Und ich hatte jetzt Noah. Naja ok, wohl eher nicht. [/FONT]
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Wie standen wir denn jetzt zueinander? Vor allem stellte sich jetzt aber die Frage – wie viele wussten jetzt, dass er und ich miteinander geschlafen hatten? Wusste Chase auch etwas davon? Ok, so wie ich ihn kenne, hätte er sich vermutlich gar nicht bei mir gemeldet. [/FONT]
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Auch, wenn die beiden Streit hatten, die Betonung liegt auf „hatten“, denn jetzt haben sie den ja nicht mehr, hat Noah ihn ja doch schon in einer gewissen Art und Weise hintergangen. Warum hatte ich mich überhaupt drauf eingelassen?[/FONT]
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So im Nachhinein fühlte ich mich wirklich schmutzig, wenn ich darüber nachdachte, dass ich mich komplett meinen Instinkten überlassen hatte. [/FONT]
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Am nächsten Tag ging ich wieder allein in die Schule. Ein wenig nervös streifte ich ziellos durch die Gänge, in der Hoffnung, jemand würde sich zu mir gesellen, doch jeder stand in seiner kleinen Gruppe und war dann unter sich. Es sah so aus, als würden sie, die Mädchen, mich ansehen, an denen ich vorbeiging. Und es sah auch so aus, als würden sie über mich reden. Oder bildete ich mir das ein? Hatten sie es etwa mitbekommen? Wie würde ich jetzt dastehen?[/FONT]
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Als die Hinterhältige, die schon immer etwas von ihm wollte? [/FONT]
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Der Gedanke war noch schlimmer als die Tatsache, dass Noah und ich wirklich miteinander geschlafen hatten. Damals sagte mein Gefühl mir in dem Moment, dass ich das Richtige tun würde, doch jetzt fühlte es sich ganz und gar nicht mehr danach an.
Aber von wem hätten sie das erfahren sollen? Lisa hatte es bestimmt niemandem erzählt, so viel Feingefühl traute ich ihr schon zu. Nein, wahrscheinlich war alles nur Einbildung. Wenn man etwas getan hat, was man bereut, dann fühlt man sich danach doch sowieso immer schäbig, oder?[/FONT]
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Irgendwie hatte ich Noah den ganzen Tag nicht gesehen, genauso wenig wie Chase.[/FONT]
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Eigentlich hatte ich vor, mit Noah zu reden, auch darüber, dass Chase sich wieder bei mir gemeldet hatte – falls er es nicht selbst wusste. [/FONT]
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Am liebsten hätte ich das Wasser nun in meine Hände laufen lassen und alles auf mein Gesicht draufgeklatscht. Doch das ging nicht. Mein Make-Up wäre ja völlig ruiniert sonst, also tupfte ich alles nur vorsichtig an die Wangen. Warum schminkte ich mich überhaupt? War ich so hässlich, dass ich es nötig hatte? Naja, meiner Meinung nach, sah das bei mir wohl nicht ganz so extrem aus. Denn außer Wimperntusche, Foundation und Rouge benutzte ich eigentlich gar nichts. [/FONT]
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Annie war bestimmt schon zu Hause. Vielleicht bekam sie ja jetzt sogar mein Zimmer, das größer als ihres ist. Mein Zimmer ist es ja nicht mehr. [/FONT]
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Vielleicht hatte Mum meine restlichen Sachen sogar genauso entsorgt wie die von Dad. Die Vorstellung erweckte in mir gemischte Gefühle, Wut und Traurigkeit zugleich. Aber es war doch mehr die Traurigkeit, die sich in mir breit machte. Wir hatten seit ich ausgezogen war nicht mehr miteinander geredet. Wahrscheinlich war ich in ihrem Leben immer nur ein Dorn im Auge gewesen, zumindest seit Dad weg war. Eine Belastung. Deswegen war sie wohl auch nie da und rief mich nur selten an. Ja gut, was ich mir eingestehen konnte war, dass sie mit Dad wirklich viel durchmachen musste. Wer findet es schon toll rassistische Schwiegereltern zu haben, die religiös-fundamentalistische Neigungen haben? Klang schon fast wie in einem überaus schlechten Film.[/FONT]
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Und wieder ging ich völlig allein nach Hause. Wenn ich aber so darüber nachdachte, störte es mich nicht wirklich, allein zu sein. Meistens war ich sogar lieber allein, wenn ich ehrlich sein sollte. Sogar jetzt, obwohl es draußen so stock dunkel war, die Straßen nur sehr spärlich beleuchtet und ich völlig allein bin. Als hätte ich so eine Situation nicht schon oft durchlebt, oder? Ich war schon oft allein. Ich bin allein. Daran hat sich nie wirklich was geändert, eigentlich. Ich mochte Lisa ja wirklich sehr, sie ist ein gutmütiger, fröhlicher Mensch – wahrscheinlich ist sie auch deswegen so beliebt. Allerdings waren wir beiden einfach nicht in einer Liga. Aber sie glaubte an Soetwas nicht. Wenn ich so beliebt gewesen wäre wie sie, wäre ich bestimmt eine von diesen ekelhaften Mitläuferinnen gewesen, die Außenseiter wie ich es jetzt bin meiden würden, als hätten wir eine höchst ansteckende Krankheit oder so. [/FONT]
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Ekelhafter Gedanke. Warum hab ich nur so ekelhafte Gedanken im Moment? [/FONT]
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Das Schlimmste war tatsächlich aber, dass ich morgen Sport hatte. Mannschaftssport, das, was ich wie die Pest hasse. Alle rennen einem Ball hinterher, prügeln sich gegenseitig die Köpfe ein, lachen dich aus, wenn du da nicht mithalten kannst und glauben dabei auch noch, dass du das nicht mitkriegen würdest und drehen sich ganz schnell um, sobald du sie ansiehst oder dich auch nur in ihre Richtung drehst. Aber wählen musste ich es ja. Wenn man mal so bedenkt, ist diese ganze Leistungsgesellschaft eigentlich nur ein ganzer verdreckter Scheíßhaufen. [/FONT]
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Jeder wird in irgendeine Schablone reingezwängt, die einen gleiten durch wie nichts und nehmen auch diese entsprechende Form an und manche wiederum passen einfach nicht rein. [/FONT]
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Und dieser Fall trifft wohl leider auf mich zu. Wobei ich auch selbst Schuld bin, weil ich so ein überaus negativer Mensch bin – sagte Noah mal. Und jetzt dachte ich schon wieder an ihn. Was er wohl gerade tat?[/FONT]
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Leider Gottes musste ich auf dem Weg nach Hause auch an meinem Haus vorbei. Zu allem Überfluss fing es an zu regnen, sodass ich mir schnell meine Jacke anzog, die ich Gott sei Dank dabei hatte – leider aber keine Kapuze oder einen Schirm.[/FONT]
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Ein wenig zögernd ging ich vorbei, versuchte noch einen Blick in das Innere des Hauses zu erhaschen. Oben war das Licht aus, im Flur auch, wahrscheinlich aßen sie gerade zu Abend oder schauten zusammen Fern. Als meine Mutter plötzlich jedoch mit einem riesigen Müllsack rauskam, suchte ich schnell irgendein Versteck, bevor sie mich sah. [/FONT]
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Ich stellte mich hinter einen Baum und berührte mit meinen Händen unbewusst die Baumrinde, bis ich spürte, wie nass und matschig sie war und völlig angewidert alles an meiner Hose abwischte. Total affig mich so zu verstecken, eigentlich. Ich hätte auch einfach an ihr vorbeigehen und sie dabei ignorieren können. Aber so cool war ich nunmal nicht, dass ich in dieser Situation ruhig bleiben könnte. So wie sie aussah, schien sie mich gar nicht zu vermissen. Schön gepflegt wie immer und neue Klamotten schien sie auch zu haben - zumindest kannte ich das Outfit gar nicht und viel Kleidung hatte sie nie, bis sie John hatte. Immer, wenn dieser Name in Verbindung mit dem Freund meiner Mutter fiel, konnte ich nicht anders, als diesen total abfällig in meinem Kopf zu betonen. Joooohn. Joooohhoooonnnn! Jooohn, isch liebe disch. So müsste man ihm das bestimmt sagen. Die Vorstellung, dass die beiden sich küssten, passte einfach nicht in meinen Kopf. Er mit seinem Möchtegern-drei-Tage-Bart, der mehr nach Unkraut im Beet aussah, haha.[/FONT]
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Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich schließlich zu Hause an. Müde zog ich meine Schuhe aus und wollte gerade auf Toilette gehen, als ich plötzlich sah, wie Dad in seinem teuer aussehenden Anzug das Abendessen zubereitete – zu teuer, als dass er ihn jetzt dabei ruinieren könnte. Aber solche Sachen musste man ja sowieso in die Reinigung bringen.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Haaaaaalloooo“, seufzte ich und legte den Hausschlüssel auf den Esstisch.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Gott, wie siehst du denn aus?“, entgegnete er mir erschrocken. „Hättest mich nur anrufen müssen, dann hätte ich dich auch gefahren!“[/FONT]
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Ja, ist schon gut. Der Weg ist ja eh nicht so weit.“ [/FONT]
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Doch ist er. [/FONT]
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Naja, egal. Jetzt wird’s ja bald Winter und dementsprechend früher dunkel. Warum fährt dieser Bengel dich nicht nach Hause?“[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Welcher Bengel?“[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Ja Noah.“ [/FONT]
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Bengel nannte mein Vater ihn, haha. Keine Ahnung, wieso er mich nicht nach Hause fuhr. Wir hatten ja immerhin miteinander geschlafen und seit dem kaum ein Wort miteinander gesprochen. Vielleicht deswegen.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Er ist wahrscheinlich arbeiten“, improvisierte ich. [/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Tja, fleißig wie immer, dieser Junge.“[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Sag mal Dad, willst du dich nicht eigentlich umziehen? Zum Kochen musst du ja keinen Anzug tragen, oder?“[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Ach ja, stimmt...“[/FONT]
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Mein Vater war schon immer in gewisser Weise ein Chaot gewesen. Nicht im Sinne der Ordentlichkeit, er war sogar sehr ordentlich, aber er war mehr der Verplante. [/FONT]
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Später unterhielten Lisa und ich uns noch einmal via Skype-Konferenz. Wenigstens hatte sie immer ein offenes Ohr für mich oder eher gesagt: wenigstens war sie die Einzige, der ich alles erzählen konnte und wollte.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Oh Gott, dieses blöde Wetter macht meine Haut schon wieder ganz trocken...“, murmelte sie verärgert und griff nach ihrer Bodylotion, die auf ihrem Schreibtisch stand (konnte ich über die Cam sehen).[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Normalerweise schmier ich von dem Mist ja vielleicht ein Tropfen pro Körperteil rauf, aber jetzt ist es so, als würde ich drin baden wollen, ehrlich.“[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Du, Lisa... Was soll ich machen?“[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Wie, was meinst du?“[/FONT]
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Zögerlich fing ich an. Ich wusste nicht, wie ich es formulieren sollte. Oder überhaupt, was ich sagen sollte. [/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Noah und ich hatten irgendwie bislang keinen richtigen Kontakt mehr und es ist jetzt 'ne Woche vergangen.“[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Du, ich weiß ehrlich nicht, was mit diesem Blödmann schon wieder los ist, aber ganz ehrlich, ich hab ihn seit ihr zusammen zur Schule gekommen seid auch nicht mehr gesehen. Vielleicht ist er viel beschäftigt oder so oder keine Ahnung, irgendwas ist bei ihm los.“[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Naja, er hat jetzt eine eigene Wohnung.“ [/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Ach wirklich? Ja... Ja, da war doch was. Keine Ahnung, Ruby hatte mich letztens gefragt, ob ich mit zu einer Einweihungsparty kommen will. Wahrscheinlich war es das.“[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Einweihungsparty?“, jetzt war ich aber neugierig. Wieso war ich dann nicht eingeladen, wenn sie stattfand?[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Du weißt nichts davon?“ [/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Neeee...“, irgendwie machte mich der Gedanke traurig, dass Noah sich auf der Party wahrscheinlich mit anderen Mädchen vergnügte und mich dabei völlig vergaß.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Ja, dann fand sie bestimmt nicht statt. Kennst das doch, die kommen alle dauernd zu ihm an und planen irgendwelche Parties bei ihm, ohne, dass er es überhaupt weiß. Sonst hätte er dich bestimmt eingeladen, er wollte dich ja sonst immer dabei haben, wenn er gefeiert hat.“[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Hmm... Kann sein...“[/FONT]
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Wir wurden vom Klingeln meines Handys unterbrochen – eine Sms.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Ohhh, SMS!“, rief Lisa euphorisch.[/FONT]
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Ohne das zu kommentieren, griff ich schon fast instinktiv nach meinem Handy und sah auf das Display – was für ein Timing, eine Nachricht von Noah! Ich freute mich innerlich schon fast und konnte es kaum erwarten sie zu lesen.[/FONT]
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„Hey,[/FONT]
[FONT=Verdana, sans-serif]tut mir Leid, dass ich mich die ganze Zeit nicht gemeldet hab. Hab im Moment viel um die Ohren... geht’s dir gut? Xd [/FONT]
[FONT=Verdana, sans-serif]Wenn ich wieder Zeit hab, müssen wir uns sehen, ok? “[/FONT]
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Das sollte es gewesen sein? Mehr nicht? Ich wusste nicht, ob ich mich jetzt freuen sollte, oder nicht.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Looos, sag schon! Was hat er geschrieben?“, hakte sie neugierig am anderen Ende nach.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Joa, keine Ahnung. Hat sich entschuldigt, dass er sich nicht gemeldet hat und meinte, dass wir uns wieder sehen sollten.“[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Wie jetzt? Mehr nicht? Aber das ist doch schon mal ein Anfang, weil das zeigt, dass er an dich denkt!“, versuchte sie mich aufzumuntern.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Ja, wer weiß, wieso er an mich denkt...“[/FONT]
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Tja, Sport. Mannschaftssport. Tennis. Ich hasse den Sportunterricht. Noch viel mehr hasste ich allerdings Mannschaftssport – und Tennis war das Schlimmste von allem, aber doch noch besser als Volleyball. [/FONT]
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Wie immer war ich die Letzte beim Umziehen, wahrscheinlich deswegen, weil ich diese Tortur so lange wie möglich hinauszögern wollte. Leider war Lisa nicht in meinem Kurs, ich war hier also völlig allein auf mich gestellt. Und natürlich musste Alison dabei sein – hätte ich gewusst, dass sie privat Tennis spielte, hätte ich diesen Kurs gar nicht erst gewählt.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Tja Lou, dann komm mal nicht zu spät, ne?“[/FONT]
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Lässig ging sie mit ihren Freundinnen, Zoe und Fay, an mir vorbei. Ihre Kommentare blendete ich mittlerweile größtenteils schon aus, aber was ich nicht ausblenden konnte war, dass die alle wirklich wunderschön waren. So schön straff, schlank und durchtrainiert. Hübsche Gesichter hatten sie, sahen allesamt so aus wie perfekte Barbiepuppen. Auf Sowas fuhren Männer also ab. Kein Wunder. [/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Hatte ja ganz vergessen, dass sie überhaupt in unserem Sportkurs ist, so oft, wie die sich krankmeldet“, hörte ich Zoe draußen noch sagen. Die dachte wohl auch, dass ich das nicht mitbekommen hätte, so hohl wie sie war. Doch diese Kommentare waren das, woran ich mich eigentlich schon gewöhnt hatte. Es verletzte mich innerlich zwar immer noch, aber zumindest überraschte es mich nicht mehr.[/FONT]
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Das Schlimmste sollte mir aber diese Stunde noch bevorstehen. Denn als wir uns alle versammelten, hakte Mrs Podrick erstmal ihre Anwesenheitsliste ab.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Lou, Sie sollten nicht mehr so oft fehlen. Sonst wird das knapp mit der Bewertung.“[/FONT]
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Dieser strenge und gleichzeitig heuchlerische Tonfall kotzte mich ja wirklich an. Als würde sie sich wirklich Sorgen um meine Bewertung machen. Sie wollte mir wohl eher drohen und mich einschüchtern, denn sie hasste mich schon immer – weil es in ihrer Welt anscheinend nur Menschen gab, die sportlich sind und alle anderen wohl zum Abschaum der Nation gehörten.[/FONT]
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Und wie immer leierte sie ihre Anfangsrede runter, von wegen, dass wir uns viel Mühe geben sollten, weil Sport ja wirklich wichtig für die körperliche Befindlichkeit war und, dass wir jedoch auch zusätzlich auf unsere Ernährung achten sollten, denn immerhin nützte das ja alles nichts, wenn man zwar viel Sport machte, aber trotzdem jeden Tag nur Fast Food zu sich nahm.[/FONT]
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Hat sie ja Recht damit, doch sie nervte. Einerseits damit, weil sie mich dabei immer nur ausschließlich ansah, so, als würde ich den Vortrag halten und andererseits, weil wir das jede Sportstunde zu hören bekamen. Doch dieses Mal sollte etwas anders sein und ich wünschte, ich hätte mich diese Stunde wirklich noch zum letzten Mal krank gemeldet.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Nun und heute steht noch eine andere Besonderheit auf dem Tagesplan, denn Alison und Ruby haben sich dazu bereit erklärt die Aufwärmübungen zu übernehmen. Wenn ihr eure Note verbessern wollt, dann solltet ihr das wohl auch machen, solange ihr noch die Gelegenheit dazu habt.“[/FONT]
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Ach du Scheíße. Hieß das jetzt etwa, dass sie mich herumkommandieren sollte?![/FONT]
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Das Erste, was sie uns machen ließ, war, dass wir uns erst einmal alle warm laufen sollten – kam mir allerdings aber so vor wie ein Cooper-Test.[/FONT]
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So, und jetzt Sprinten!“, hörte ich Ruby hinter mir rufen und im nächsten Moment sah ich sie auch schon an mir vorbeisprinten. Ruby war eigentlich nicht besonders hübsch, aber wirklich sehr sportlich – immerhin gewann sie für unsere Schule bei den Frauen den ersten Platz im Leichtathletik. Das war allerdings letztes Jahr. [/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Louuuuuuu, spriiiinteen hat sie gesagt!“, rief Alison spöttisch, als auch sie mich überholte.[/FONT]
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Ich konnte wirklich nicht mehr. Wir waren doch so lange gelaufen, gehüpft und sonst was und dann wollte sie noch, dass ich lange Sprints mache? Sie wusste ganz genau, dass ich unsportlich war. Und heute bot sich die perfekte Gelegenheit dazu, mich vor allen noch einmal bloßzustellen. Ich wollte in dem Moment am liebsten sterben. Oder sie zumindest schlagen.[/FONT]
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Als ich die Turnhalle verließ, konnte ich mittlerweile in den Himmel blicken, ohne geblendet zu werden. Die Sonne war mittlerweile beinahe untergegangen und das Rest-Licht von ihr, das die Stadt überall in ein immer dunkler werdendes Rot strahlen ließ, wirkte auf mich wieder ein wenig entspannend. Diesmal war ich die Erste – denn das war ich immer, wenn es darum ging, den Sportunterricht zu beenden. Vor allem dieses Mal. Erleichtert seufzte ich auf, richtete noch einmal meine Tasche, die beinahe von meiner Schulter rutschte und ging gerade los, als plötzlich mein Handy klingelte. Neugierig blickte ich auf das Handydisplay und sah, dass es Chase war, der anrief. Was wollte er von mir? Sollte ich jetzt rangehen? Ihn hatte ich ja mittlerweile irgendwie wieder fast komplett vergessen.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Hallo?“[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Hey du, wo bist du grad?“ [/FONT]
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Ich hörte einen lauten Verkehr in seinem Hintergrund. In meiner Nähe konnte er gerade nicht sein, wahrscheinlich war er im Stadtteil Reynold, da, wo fast alle ihren Arbeitsplatz hatten.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Ähm, hab grad Schluss und gehe jetzt nach Hause.“ [/FONT]
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Was wollte er?[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Gehst du allein?“[/FONT]
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Ich musste mich wirklich anstrengen, um ihn zu verstehen. Blöder Feierabendverkehr.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Ja, wieso?“[/FONT]
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Ok warte mal bitte da, wo du bist. Ich hol dich ab, ja? Bist du noch bei der Schule? Wenn ja, dann geh mal bitte ein Stück weiter, da wo dieser Brunnen und die Bushaltestelle ist, ja?“[/FONT]
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Eigentlich wollte ich ja gar nicht, dass er mich abholte, aber meine Faulheit übermannte mich in diesem Moment leider. Also sagte ich zu und setzte mich seufzend auf die Bank im Bushäuschen. [/FONT]
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Ich wurde wieder nervös wie damals, jedes mal dann, wenn er mich abholen wollte. Irgendwie hatte ich es nie wirklich geschafft mich hundert prozentig bei ihm wohl zu fühlen. In seiner Gegenwart musste alles einfach perfekt verlaufen. Vor allem war es aber seltsam, dass ich jetzt mit Noah geschlafen hatte und nicht mit ihm, obwohl Chase wirklich derjenige war, der sich viel mehr Mühe gemacht hatte. Bei dem Gedanken wurde mir schon fast übel, immerhin sollte ich jetzt gleich mit ihm in einem Auto sitzen. Die Reue machte sich in mir breit, ich hätte wirklich wieder zu Fuß gehen können. Heute würde es nicht einmal regnen und es war sogar Spätsommer, also auch nicht allzu kalt. Verdammte Faulheit! [/FONT]
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Um mich von all diesen blöden Gedanken abzulenken, kramte ich meinen I-Pod aus der Tasche, stellte schnell die Playlist zusammen und hörte ein wenig Musik. [/FONT]
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Aber gänzlich befreien konnte es mich nicht – noch immer war ich nervös. Ich hatte ja nicht mal geduscht nach dem Sport. Bestimmt stinke ich total fürchterlich und hab Mundgeruch! Ok, gegen den Mundgeruch hatte ich was. Ich wühlte eilig in meiner Hosentasche herum und siehe da, den letzten Kaugummi-Streifen konnte ich noch herausholen. [/FONT]
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Dann wäre das Problem zumindest schon mal beseitigt. Warum machte ich mir überhaupt so viele Gedanken darüber, was er über mich dachte? Er würde mich jetzt einfach nur nach Hause fahren und gut ist. Danach müsste ich nie wieder ein Wort mit ihm wechseln.[/FONT]
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Oh Papa, ab jetzt verspreche ich dir, dich jedes mal anzurufen, wenn ich wieder zu faul bin, um zu Fuß zu gehen!“, sprach ich innerlich zu ihm, fast so, als würde ich beten.[/FONT]
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Es dauerte nicht lange, bis ich schließlich durch ein lautes Hupen aus meinen Gedanken gerissen wurde. Aber Chases Auto sah ich nirgendswo, weit und breit, bis mir jedoch auffiel, wer in diesem überaus teuer aussehenden Auto direkt vor mir drin saß – Chase?! Wie hatte er in der Zeit so viel Geld angesammelt?![/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Komm, steig ein!“[/FONT]
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So wie er sich dabei aus dem Fenster lehnte und das Lenkrad hielt, dachte er bestimmt, er sei Vin Diesel. [/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Tschuldige, ich will nicht unhöflich sein, aber wie hast du es geschafft dir dieses...“, ich merkte gerade, wie peinlich meine Frage eigentlich war. [/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Jaa?“[/FONT]
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Klang wie eine rhetorische Frage. Eigentlich war es ja auch klar, worauf ich genau hinauswollte.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Du hast ja 'nen richtigen Sprung gemacht, so mit deinem alten Auto und diesem neuen hier.“[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Joa, ist auf Rate, aber ich hab die Stelle jetzt fest, von daher hab ich gedacht, dass ich mir das leiste.“[/FONT]
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Dass er sich das inklusive seiner Wohnung dazu noch leisten konnte, ließ mich einen Moment daran zweifeln, dass sein Job tatsächlich im legalen Bereich war. Aber das sollte mich ja nicht interessieren, es war nicht meine Angelegenheit. Und ich hatte ja sowieso gemerkt, dass es zwischen uns nicht klappte. Obwohl ich damals wirklich sehr verletzt war und im Grunde auch schon Gefühle für ihn hatte. [/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Hast du heute noch was vor?“[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Hmm...“, ich dachte laut nach. Einerseits hatte ich nichts vor, aber andererseits hatte ich gar keine Lust mich mit irgendwem zu verabreden. „Ich muss noch lernen, wir schreiben ja nächste Woche Mathe.“[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Soll ich dir dabei helfen?“ [/FONT]
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Der will ja einfach nicht aufgeben. Aber als er fragte, bekam ich schon ein leichtes Kribbeln in der Bauchgegend, das ich nicht deuten konnte. Konnte oder wollte, eher wollte. Ich wollte es nicht deuten. Ich wollte nicht zu meinem alten Leben, meinem alten Ich zurück. [/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Weißt du...“, fing er verlegen an. „Du siehst heute wirklich richtig gut aus.“[/FONT]
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Und das, obwohl ich Chucks trage?[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Danke...“[/FONT]
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Ich spürte, wie meine Wangen plötzlich ganz heiß wurden. Vielleicht lag es ja daran, dass ich nicht so oft Komplimente bekam. Vor allem nicht von Jungs. [/FONT]
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Nach einer Weile kamen wir in der Straße an, wo ich wohnte und wo auch Noah lebte. Wenn ich hier so vorbeifuhr, merkte ich eigentlich, wie schön und idyllisch diese Straße zu sein schien. Aber dass Noah und ich hier nicht mehr lebten, tauchte das Ganze in eine seltsame Atmosphäre ein.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Musst du hier nicht eigentlich aussteigen?“, fragte mich Chase verwundert und hielt an.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Nee, ich wohne jetzt bei meinem Vater.“[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Oh, achso?“[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Jap“, antwortete ich stumpf nickend.[/FONT]
[FONT=Verdana, sans-serif]
Mein Blick fiel noch einmal zufällig aus dem Fenster, doch als ich das sah, was sich mir da bot, wünschte ich mir, dass ich mich lieber mehr mit Chase unterhalten hätte.[/FONT]
„[FONT=Verdana, sans-serif]
Soll ich dir denn heute noch beim Lernen helfen?“[/FONT]