Ich fange auch schonmal mit der Bewertung an, und zwar mit der für die
Gedichte.
Gedicht 1:
Beim Lesen habe ich Gänsehaut bekommen, was ja schon einmal ein sehr gutes Zeichen ist...
Ich mag den Aufbau des Gedichts, die Strophen sind unterschiedlich lang, dadurch entsteht Abwechslung. Auch könnte man das damit verbinden, dass im Stadium des Wahnsinns alles durcheinander geht und keine Ordnung herrscht... (das sind aber nur meine wirren Gedanken, das muss ja so nicht beabsichtigt sein
) Die Reimlängen ergänzen sich gut, nur der Anfang der zweiten Strophe gefällt mir nicht so gut, da stoppt der Lesefluss - zumindest bei mir. Danach geht es wieder besser weiter, man wird regelrecht in den Text hineingezogen.
Rhetorische Stilmittel innerhalb des Gedichtes sammeln bei mir eigentlich immer Pluspunkte, es sei denn, es werden wirklich übertrieben viele davon verwendet. Das ist hier aber nicht der Fall, stattdessen finde ich auf Anhieb wohl dosierte Parallelismen (die Verse sind gleich aufgebaut, wie bspw in Strophe 3 die ersten beiden Verse, oder Strophe 4 die ersten beiden Verse), ein paar Alliterationen (der gleiche Anfangsbuchstabe) und Anaphern (das gleiche Wort am Anfang mehrerer Verse).
Komme ich zum Inhalt. Wie ich anfangs schon erwähnte, habe ich Gänsehaut beim Lesen bekommen. Der Autor/die Autorin richtet ihr Gedicht an ein lyrisches Du, dem viele Fragen gestellt werden. Diese snd jedoch rhetorisch und werden gleich im nächsten Satz beantwortet. Durch die bildliche Darstellung, die teilweise allerdings so gewählt wurde, dass ich nicht mehr ganz hinterherkomme, werden die Fakten des "verkorksten Lebens" nicht einfach so auf den Tisch geworfen, sondern nach und nach, schrittweise, aufgedeckt. Dabei ist die Vielfalt der Aspekte wahnsinnig groß, ihre Intensität steigert sich, lässt dann scheinbar wieder nach, um zum Ende hin neu aufzukochen. Die letzte Strophe ist der Höhepunkt, gleichzeitig der Abschluss. Auch wenn das lyrische Du das noch nicht gemerkt zu haben scheint. Das Leben ist schon vorbei, seine Tage sind gezählt. Auch wenn ich mir das nicht allzu bildlich vorstellen will, so hat mich doch der Wurm-Vers besonders berührt. Er zeigt die verzweifelte Lage, in der sich der Angesprochene befindet. Irgendwo abstoßend, gleichzeitig aber unglaublich anziehend.
9 Punkte.
Gedicht 2:
Im Gegensatz zum ersten Gedicht findet man hier nicht nur eine Umschreibung dessen, was man unter Wahnsinn verstehen kann, sondern das Wort selbst tritt mehrmals direkt auf. Wenn auch zu "Wahn" verkürzt. Das gefällt mir zwar prinzipiell ganz gut, aber einmal hätte das auch gereicht. Dadurch, dass es zweimal so kurz hintereinander fällt, wirkt es für mich schon ein bisschen "aufgezwungen". Zumal es ja auch schon im Titel auftritt, also in der ersten Hälfte des Gedichtes gleich dreimal zu finden ist. Soweit nur zum ersten Eindruck.
Der Aufbau ist ganz interessant - das Gedicht besteht aus sechs Strophen, von denen 5 genau vier Verse lang sind. Nur die vierte Strophe sticht heraus und beinhaltet zwei Verse mehr. Warum? Das "Horn des Ichs" scheint dem Autor/der Autorin wichtig zu sein, sonst würde seine Botschaft nicht zweimal wiederholt werden. Die Wiederholung erscheint mir als eine Art Echo, das langsam verklingt. Interessante Wahl, hier einen Break im Muster zu machen, daraus auszubrechen.
Die Sprache des Gedichtes gefällt mir ziemlich gut, da ich Reime sehr gerne mag ♥ Sie geben mir ein Gefühl von Beständigkeit innerhalb des Gedichtes, eine gewisse Grundordnung bleibt bestehen. Meist sind diese Reime auch klug gefunden, allerdings gibt es auch ein paar kleine Holpersteine, wo die Satzstellung verdreht werden musste (beispielsweise am Ende der ersten Strophe). Eventuell hätte man da durch eine andere Formulierung das Holpern vermindern können. Es ist nicht schlimm, zieht meine Bewertung jetzt also nicht ins Bodenlose, aber ist ein kleiner Punkt. Auch wenn ich es wirklich schätze, dass jemand sich die Mühe gemacht hat, die Reime zu suchen! Das ist ja auch keine leichte Arbeit.
Dass es um Wahn(-sinn) geht, wird ziemlich klar. Einmal durch das Wort "Wahn", wie ich oben schon erwähnt habe, auch durch die verschiedenen Bilder, die erzeugt werden. Auch hier wird ein lyrisches Du (z.T. mit Fragen) angesprochen und diskutiert. Am Ende kommt allerdings noch eine andere Instanz ins Spiel - Gott, bzw eine höhere Macht (Da musste ich gleich an die Meutereien denken...). Dieser Gedankensprung gefällt mir sehr. Er bildet einen schönen Abschluss und gleichzeitig einen Gegenpol zu dem, was vorher war.
8 Punkte.
Gedicht 3:
Huh? Märchen? Ein ungewöhnlicher Titel, da ich dieses Wort nicht gerade mit dem Thema "Wahnsinn" assoziiert hätte. Aber da diese Wahl ja bewusst getroffen worden ist, widme ich mich gespannt dem Gedicht, um herauszufinden, wo hier die Zusammenhänge bestehen. Das Interesse ist definitiv geweckt.
Während ich mich durch das Gedicht lese, gerate ich nicht einmal ins Stocken. Auch wenn kein Reim oder regelmäßiges Metrum zu finden ist, ist die Länge der einzelnen Verse gut aufeinander abgestimmt. Da stört es auch nicht, dass es nur eine lange Strophe gibt und keine kurzen Abschnitte. Wäre das Gedicht allerdings noch deutlich länger geworden, wäre dies etwas anstrengend gewesen. So jedoch hat es eine sehr schöne Länge.
Die zwei Bedeutungsebenen, die im Gedicht aufgedeckt werden, finde ich sehr schön, weil sie so unglaublich gegensätzlich sind! Auf der einen Seite steht das Märchen mit seinen Begriffen wie bunt, froh, märchenhafte Landschaft, Märchenschloss. Auf der anderen Seite ist das Mädchen in diesem sterilen Raum, deren Situation man die Wörter leer, Neonlicht, erblinden, abwesend, Nichts, zerträummern zuordnen kann. Die Unterschiede sind fast schon greifbar und unheimlich berührend.
Im Unterschied zu den ersten beiden Gedichten wird hier kein lyrisches Du angesprochen, sondern die ganze Zeit nur von einem Mädchen gesprochen. Ihre Situation wird beschrieben. Erst am Ende kommt der Wahnsinn ins Gespräch, früher ist es aber auch nicht nötig, da durch die äußeren Umstände schon eingeschätzt werden kann,worum es hier geht. Den Wahnsinn mit dem Lachen zu verbinden und nicht mit dem Mädchen, bzw dem Geist des Mädchens, ist eine sehr schöne Idee. Zumal das Lachen vorher ja schon erwähnt und teilweise charakterisiert wird.
Wow. Ein sehr ergreifendes Gedicht. Mit - wie ich im Nachhinein sagen kann - sehr passendem Titel. Vielleicht hätte man statt "Märchen" auch "Märchenland" nehmen können, aber mit Ersterem bin ich auch glücklich.
9,5 Punkte.
Gedicht 4:
Eine farbige Überschrift! Schonmal ein sehr interessanter Einstieg, bisher war ja alles, was ich gelesen habe, in schwarz weiß. Ist ungewöhnlich, aber eindrucksvoll und macht mich neugierig. Zumal mir als erste Assoziation dazu "Blut" in den Kopf schoss, ohne das Gedicht gelesen zu haben. Ich bin mal gespannt, ob sich das bewahrheitet.
Das Gedicht ist ziemlich kurz, nur 2 Strophen,die aber jeweils nicht so kurz sind, dass man es als "dahingeklatscht" empfinden könnte. 7 Verse pro Strophe ist eine ganz gute Länge, die auch reimtechnisch ganz gut umgesetzt wurde - ein Vers steht jeweils frei. Allerdings hätte ich mir noch gewünscht, dass das Muster in beiden Strophen einheitlich gewesen wäre - dass beispielsweise in beiden Strophen der letzte Vers, der ja identisch ist, allein steht und sich mit sich selber ergänzt.
Der Inhalt ist kurz und knapp gehalten,wiederholt sich zum Teil. Das ist mir aber seltsamerweise erst beim zweiten oder dritten Mal aufgefallen! Vorher war mir nur der letzte Vers ins Auge gesprungen und als ich mich näher mit dem Reimschema auseinandergesetzt habe, ist mir die Ähnlichkeit ins Auge gesprungen. Bzw dass Teile identisch sind. Das zeigt mir aber, dass diese gleichen Verse so gut in ihren Kontext eingebettet sind, dass es nicht im negativen Sinne sofort ins Auge springt! Sehr schön gelöst. So werden lediglich die Gefühle des lyrischen Ichs noch stärker dargestellt und prägen sich fest auf der Netzhaut des Rezipienten ein. Die Verzweiflung des Sprechers stürzt förmlich auf mich ein, ich fühle mich gefangen und meine sogar, zu spüren, was er spürt. In Maßen natürlich. Aber dennoch - seine Sprache ist simpel genug, dass man sich ganz genau in seine Lage versetzen kann. Trotz der vielen Anaphern, die für meinen Geschmack fast schon zu häufig vorkommen (speziell das "und"), bleibt man die ganze Zeit über dabei und sieht am Ende diese eine Träne, die er vor Schmerz weint. Ein sehr ergreifendes Gedicht mit klug eingesetzten sprachlichen Mitteln, die mich darüber hinwegtrösten, dass meine Assoziation zu "Blut" am Anfang nicht richtig war.
8,5 Punkte.
Gedicht 5:
Oh, da hat sich der Autor/die Autorin allein schon mit dem äußeren Teil des Gedichtes extrem viel Mühe gegeben - finde ich toll! Auch passen diese dunklen Wolken schon gut zum Titel und sind nicht bloß so dahingeklatscht, um ein paar Effekte zu erzielen.
Als ich den Anfang las, schoss mir automatisch "Ich bin klein, mein Herz ist rein, will auch immer artig sein" durch den Kopf. Hat nichts mit dem Gedicht zu tun, das kam durch die Reime. Anfangs habe ich auch die Verbindung zum Thema nicht so ganz verstanden, weil eben nur Schönes beschrieben wird und ich "Wahnsinn" doch eher mit etwas Negativem verbinde. Dann jedoch wandelt sich die Stimmung des Gedichtes, es wird nachdenklicher, die Farben, die man sich vorher ausmalen konnte, sind verschwunden, stattdessen sind jetzt die Gewitterwolken da. Alles wird grau. Wenn man gerade dabei ist, in diese melancholische Stimmung zu versinken, wird man auf einmal wieder herausgerissen. Für mich sehr unerwartet! Ich hatte nicht damit gerechnet, dass nun noch ein "Happy End" folgen könnte, sondern hab mich gefragt, wie jetzt noch die Bresche zum Wahnsinn geschlagen werden soll und mit welchen katastrophalen Erscheinungen das lyrische Ich jetzt noch zu kämpfen haben könnte. Stattdessen finde ich eine ungewöhnliche Interpretation des Wahnsinns und ein schönes Ende. Sehr unerwartet, das gefällt mir.
Dass Reime im Gedicht verwendet werden, finde ich prima (wie schon gesagt, ich bin ja ein großer Reim-Fan), es passt auch eigentlich in allen Versen gut, so dass man nicht das Gefühl hat, dass irgendetwas gequetscht wurde oder da eigentlich nicht hingehört. Lediglich die Apostrophe hätte man meiner Meinung nach auch weglassen können, die reißen das Auge immer ein Stück vom Text weg.
Ein schönes, irgendwie positive Gefühle weckendes Gedicht!
8,5 Punkte.
Gedicht 6:
Eieieiei.
Ein hochkomplexes Gedicht, das ich diverse Male lesen musste, um mir überhaupt einen Überblick darüber zu verschaffen, worum es eigentlich geht. Und selbst jetzt habe ich es noch nicht ganz durchdrungen. Der Schreibstil ist unheimlich intensiv und geht mir direkt unter die Haut (auch wenn ich bei einigen Worten zweimal hinsehen musste, weil ich sie in einem Gedicht, oder auch überhaupt in einem Text, nicht zwangsläufig erwartet hätte. Ja, sie gehören zur Umgangssprache und passen vielleicht zur Derbheit des Gedichtes, aber ich war davon ein wenig abgestoßen).
Einige Wörter waren mir schlicht unbekannt, dennoch glaube ich, grob verstanden zu haben, worum es geht, bzw wer spricht. Ganz grob. Die Formatierung spricht für unheimlichen Aufwand (einziger Minuspunkt: ein paar Wörter sind kaum lesbar, wie z.B. "Imperfekt" oder "Stirb nicht", das musste ich erst markieren und zig Mal vergrößern, bevor ich es entziffern konnte. Das ist ein wenig schade.) und ist verdammt gut durchdacht. Das ominöse Wort, das mehrmals ausgelassen wurde und dann erst auf der letzten Seite auftaucht, hält die ganze Zeit über den Spannungsbogen aufrecht und hat mich immer wieder zum Grübeln gebracht.
Alles in allem...puh. Nach dem Lesen bin ich vollkommen fertig und brauche erst einmal eine kleine Pause. Einerseits ärgere ich mich, weil das Gedicht ein Stück zu anspruchsvoll für mich war, andererseits bin ich aber auch fasziniert, genau darüber.
8 Punkte.
Gedicht 7:
Dieses Gedicht war wieder wesentlich leichter für mich zu durchdringen! Die Gedanken des lyrischen Ichs werden mit relativ wenigen Worten dargelegt, allerdings entsteht in meinem Kopf die Frage, was es denn genau ist, dass das lyrische Ich vollbringen soll, da mehrere Möglichkeiten zur Auswahl stehen. Doch da die Richtung sich bei allen Möglichkeiten grob ähnelt, finde ich das nicht allzu schlimm.
Die Wiederholungen, die angebracht worden sind, finde ich sehr geschickt! Viele Worte kommen in mehreren Strophen vor, auch in demselben Kontext, doch dadurch, dass die Satzstellungen verändert werden und in eine andere Reihenfolge gebracht werden,wird der Inhalt in meinen Augen nicht langweilig. Auch die zweimalige Verwendung von dem Wort "Wahnsinn" finde ich hier nicht negativ auffallend, weil sie an unterschiedlichen Stellen im Gedicht auftauchen und nicht gequetscht wirken.
Was mich ein kleines bisschen stört, ist die kontinuierliche Kommasetzung. Klar, an den meisten Stellen ist sie angebracht, aber beispielsweise in der vierten Strophe, zwischen Vers 3 und 4, kommt meines Wissens nach kein Komma hin. (Oder doch? Ne, eigentlich nicht.) Außerdem unterbrechen die Kommas irgendwie den Lesefluss für mich, weil jedes Mal wieder ein neuer Abschnitt beginnt. Das heißt also, nach jeder Zeile. Auch wenn der alte Gedankengang noch gar nicht abgeschlossen ist.Das, ist, irgendwie, anstrengend, auf, die, Dauer, zu, lesen. Schade, wenn hier die Übergänge fließender gewesen wären, hätte ich eine etwas höhere Punktzahl vergeben können. So ist es ein schönes Gedicht, dass ich mir auch gern mehrmals durchlese, aber da ist auch leider wieder Schluss
7 Punkte.