Teil 40 – Star des Abends
Kevin
«Aufstellung, Leute! Ich glaube, wir haben uns genug aufgewärmt!», rief ich.
Das Training dauerte schon viel zu lange. Ich wollte endlich ein richtiges Match spielen.
Cristina, Lucas und ich bildeten ein Team. Wir traten gegen Even, Axel und Lin Laran an.
Schon einige Minuten nach Beginn des Spiels landete Lin Laran einen Vorzeigekorb.
«Der war genial!», rief selbst Lucas.
«So ein Mist!», fluchte ich stattdessen.
«Mach dir nichts draus. Sie sollen auch einen Punkt bekommen. Wir holen gleich auf.»
Cristina zwinkerte mir zu. Mir wurde ganz warm ums Herz und meine Knie etwas weich.
Aber sie hatte recht. Die nächsten Chancen nutzen wir alle. Und so war ich es, der den nächsten Treffer landete.
«Habe ich es gesagt oder habe ich es gesagt?»
Cristina klopfte mir auf die Schulter.
«Glückstreffer», meinte Lin Laran. «Jetzt zeige ich dir, wie man gewinnt.»
Seine Kampfansage zeigte keine Wirkung. Die nächsten Körbe warfen ausschliesslich Cristina und ich.
Bei jedem neuen Treffer kam Cristina auf mich zu. Mal triumphierten wir mit unserem Faustgruss, mal mit einem High Five.
«Boah, können wir einfach weitermachen? Noch haben wir nicht gewonnen.»
Obwohl wir immer weiter in Führung gingen, schien Lucas immer schlechtere Laune zu bekommen.
«Freu dich doch mal! Wir gewinnen!», erwiderte ich.
«Ja. Ganz toll.»
Er schnappte sich den Ball und liess mich ratlos stehen.
«Oh, scheisse!», hörte ich etwas später Axel rufen.
«Was ist passiert?», wollten Cristina und ich wissen.
«Du hast mir den Ball direkt ins Gesicht geworfen!», brüllte Axel in Lin Larans Richtung.
Lin Laran kam zu seinem Bruder. «Sorry. Ich dachte, du hättest gesehen, dass ich ihn dir zuspielen wollte. Aber dann hast du dich einfach zur Tür abgedreht.»
«So ein Unsinn!», protestierte Axel.
«Ich habe es auch gesehen», bekundete Even.
«Lasst uns eine kurze Pause einlegen», schlug ich vor. Wir zogen uns alle in die Lounge zurück.
Cristina setzte sich neben mich.
«Du spielst heute richtig klasse!», sagte ich zu ihr. Sie lächelte ein wenig verlegen.
«Der Star des Abends bist aber du!»
Später setzten wir das Spiel fort. Am Ende gewann mein Team das Match.
Axel war nach dem Unfall nicht mehr richtig einsatzfähig gewesen. Ständig befürchtete er, Lin Laran wolle ihm absichtlich ins Gesicht schiessen. Ausserdem blutete seine Nase immer mal wieder.
Lin Laran begleitete Axel nach Hause.
«Also gut. Even und Lucas gegen Cristina und mich! Was sagt ihr?»
«Ich bin dabei», erwiderte Even. Und auch Cristina stimmte zu.
Ich übergab den Ball an Cristina. «Also dann: los geht …»
«Nein! Ich habe kein Bock mehr!» Lucas kam auf mich zu. «Mir reichts für heute.»
«Was ist denn jetzt schon wieder los?», wollte ich wissen. Seine schlechte Laune ging mir langsam gehörig auf die Nerven.
«Schon den ganzen Tag tanzen wir nach deiner Pfeife. Mir reichts jetzt! Ich habe kein Bock mehr, mich von dir herumkommandieren zu lassen. Was ich tue, ist dir doch sowieso nicht recht. Ich könnte mich auf den Kopf stellen.»
Wieder stand ich ratlos da. «Das stimmt doch gar nicht.»
«Ach, halt doch die Klappe. Natürlich stimmt das. Sorry. Aber ich bin raus!»
Wütend machte sich Lucas davon. Even warf mir einen ebenso ratlosen Blick zu und folgte ihm zur Umkleide.
«Was war das denn?»
«Kein Plan», antwortete Cristina. «Er ist schon die ganze Zeit so mies drauf.»
«Habe ich fast gar nicht bemerkt.»
Cristina lächelte. «Davon lassen wir uns den Abend nicht vermiesen. Komm! Weiter geht’s!»
Sie nahm mich bei der Hand und führte mich zurück aufs Feld.
Wir spielten noch eine Zeit lang weiter. Als es schliesslich dunkel wurde, entschlossen wir, uns ebenfalls duschen und umziehen zu gehen. Wir verabredeten uns für danach am Steg.
Cristina hatte etwas länger mit Umziehen, allerdings niemals so lange, wie manch andere Mädchen.
Wir unterhielten uns noch ein wenig, bis sie irgendwann sagte: «Ich muss jetzt los. Mein Zug geht gleich. Sehen wir uns morgen in der Schule?»
«Ja. Klar.»
Wir umarmten uns zum Abschied.
Aber eigentlich wollte ich gar nicht, dass der Abend schon endete. Es war noch viel zu früh. Und endlich war ich mit ihr alleine.
Ich riss meinen Mut zusammen.
«Cristina?» Sie drehte sich zu mir um. «Hast du vielleicht Lust, noch ein wenig mit mir abzuhängen? Wir könnten vorne am Büdchen noch etwas essen, wenn du magst?»
Sie nahm meinen Vorschlag an. Das war echt cool!
Wir gingen die paar Schritte zum Gewürzplatz, auf dem regelmässige Gewürzfestival veranstaltet wurden, und kauften uns einen kleinen Snack.
Wir assen den Snack, redeten über viele Dinge und alberten ein wenig rum.
Dann setzten wir uns auf eine Parkbank und für einen Moment wurde es still zwischen uns.
«Ich … ich verbringe echt gern Zeit mit dir.»
Wow. Warum sprudelte der Satz geradezu aus meinem Mund?
Cristina lächelte wieder. «Ja. Ich auch.»
Scheisse, ich glaube, ich habe einen Herzinfarkt!
«Komm! Wir gehen zum Brunnen! Ich habe noch einen Penny für jeden von uns!»
Es war wahrscheinlich der dämlichste Vorschlag überhaupt. Aber irgendwie musste ich die Stille zwischen uns auflösen.
Am Brunnen holte ich den Penny raus, schloss die Augen und wünschte mir was.
«Was hast du dir gewünscht?», wollte Cristina wissen.
Ein Kuss. Hier. Und jetzt. Von dir, Cristina. Weil ich total auf dich stehe.
«Das darf ich doch nicht verraten! Sonst geht er nicht in Erfüllung.»
«Schade», sagte sie und es klang tatsächlich etwas enttäuscht.
«Na ja …» stammelte ich. «Vielleicht hat der Wunsch ja etwas mit dir zu tun …»
Bevor sie etwas darauf erwidern konnte, hörten wir von irgendwoher Kirchenglocken.
«So ein Mist. Es ist schon neun Uhr. Mein letzter Zug fährt gleich!»
Uns blieben nur wenige Minuten. Also rannten wir los zum Bahnhof.
«Er wartet schon.»
Tatsächlich stand die Bahn schon bereit. «Also dann … fahr gut nach Hause!»
«Danke für den Snack. Und den Penny!»
Wir umarmten uns nochmals zum Abschied. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, diese Umarmung dauerte etwas länger als sonst.
Bevor ich ins Bett ging, schrieb ich Cristina noch eine Nachricht.
Ich hoffe, du bist gut Zuhause angekommen. Gute Nacht!
Ich bekam eine Nachricht zurück.
Bin ich. Gute Nacht