Der weißhaarige Mann
Letzte Woche war ich in der Stadt unterwegs und ging in ein Café. Schon als ich es betrat, fiel mir an einem Tisch ein junger Mann auf, etwa so alt wie ich, der hatte schneeweißes Haar. Da alle Tische besetzt waren, ging ich zu ihm hinüber und fragte, ob ich mich an seinen Tisch setzen dürfe. Er hatte nichts dagegen und so setzte ich mich zu ihm und bestellte einen Kaffee. Ich mußte ihn immer wieder anschauen. Und als er einmal fragend zurückschaute, deutete ich auf seine Haare und fragte, wieso sie so weiß sind. Er schaute mich lange an und began schließlich zu erzählen:
Als Kind lebte ich in einem kleinen Ort, außerhalb der Stadt. Mit vier Freunden hatte ich eine Bande gegründet. Wir waren fast jeden Tag zusammen unterwegs. Eines Tages zog ein neuer Junge mit seiner Mutter in unseren Ort. Nach ein paar Wochen sprach er uns in der Schule an und fragte, ob er in unsere Bande aufgenommen werden könnte. Ich beratschlagte mit meinen Freunden und wir beschlossen, daß er eine Mutprobe ablegen müsse. In unserem Ort gab es ein altes, verfallenes Haus, das schon seit Jahren nicht mehr bewohnt war. Wir nannten es heimlich das Spukhaus. Der Neue sollte sich beim nächsten Neumond um Mitternacht mit einer Kerze in das Haus schleichen und die Kerze an das oberste Fenster unter dem Giebel stellen.
Der Junge erklärte sich dazu bereit und so trafen wir uns ein paar Nächte später alle vor dem Spukhaus. Der Junge zündete eine Kerze an und betrat, gerade als die Kirchturmuhr zwölf mal schlug, das Haus. Dann war es dunkel. Meine Freunde und ich standen auf der Straße und versuchten den Kerzenschein durch eines der Fenster zu erkennen, aber wir sahen nichts. Es dauerte eine ganze Weile, bis wir am obersten Fenster einen schwachen Lichtschein ausmachen konnten. Kurz darauf erschien die Kerze im Fenster und hinter der Kerze konnte wir im flackernden Licht das bleiche Gesicht des Neuen erkennen. Er verschwand wieder mit der Kerze von dem Fenster und es war wieder dunkel.
Plötzlich schlugen Flammen aus einem Fenster und erfassten schnell das ganze Haus. Wir bekamen große Angst und rannten nach Hause. Am nächsten Tag erfuhren wir, daß das alte Haus komplett abgebrannt war. In den Trümmern fand man den toten Jungen. Meine Freunde weigerten sich, zur Beerdigung des Jungen zu gehen, aber ich fühlte mich schuldig und fand es sei meine Pflicht, ihm die letzte Ehre zu erweisen. Es war sehr traurig. Nur wenige Menschen standen an dem Grab.
Als die Zeremonie vorbei war, drehte sich die Mutter des Jungen zu mir um, sah mir tief in die Augen und sagte leise: "Du bist Schuld am Tod meines Jungen! An Deinem 25. Geburtstag sollst Du weißes Haar bekommen und wahnsinnig werden!" Heute ist mein 25. Geburtstag. Weiße Haare hab ich schon. (lauter Schrei

AAAAAAAAAAAARRRRGHHH!!!
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Die Rose
Es gab einmal eine Frau, deren Mann war gestorben und so waren ihre drei Töchter ihr ein und alles. Doch die Töchter waren von einem tödlichen Virus befallen und mussten noch vor der Mutter sterben.
Als die eine fühlte, dass es bald mit ihr zu Ende gehen würde und auch der Arzt meinte, dass es nur noch zwei, drei Wochen bis zu ihrem Tod sein würden, schleppte sie sich zur Mutter und bat sie noch um einen letzten Wunsch: Sie wollte eine rote Rose neben ihrem Bett stehen haben.
Also ging die Mutter ins Blumengeschäft und verlangte eine rote Rose. Doch die Verkäuferin sagte: „Wir haben nur noch schwarze Rosen.“ Da nahm die Mutter eine schwarze Rose mit. Die Tochter fragte: „Ich wollte doch eine rote Rose!“ „Die gab es leider nicht mehr.“ „Ich fühle, dass diese Rose Unglück über mich bringen wird“, meinte die Tochter. Und tatsächlich, am nächsten Tag starb sie.
Die Mutter dachte: „Das war bestimmt nur ein Zufall, das mit der Rose.“ Aber sie vergaß nie, was ihre Tochter zu ihr gesagt hatte. Als die zweite Tochter bald sterben sollte, wünschte auch sie sich nichts sehnlicher als eine rote Rose. Doch wieder gab es im Blumenladen nur schwarze Rosen. Die Mutter stellte die schwarze Rose neben das Bett der zweiten Tochter. Doch auch diese fand diese Rose bedrohlich: „Neben dieser Rose werde ich nicht bis morgen leben.“ Doch die Mutter ließ die Rose stehen. In der Nacht starb auch das zweite Mädchen.
Das dritte Mädchen wollte auch eine rote Rose, musste sich aber wie ihre inzwischen gestorbenen Schwestern mit einer schwarzen begnügen. Doch diesmal setzte sich die Mutter neben das Bett und hielt Wache, denn es war ihre Lieblingstochter und inzwischen ja auch die einzige. Da die anderen wahrscheinlich durch die Rose gestorben waren, achtete die Mutter jetzt vor allem auf die Rose.
Von ferne hörte sie die Turmuhr zwölfmal schlagen: Ding – Dong – Ding – Dong – Ding – Dong – Ding – Dong – Ding – Dong – Ding - Dong. Da kamen plötzlich aus der Rose zwei Hände, man hörte ein schauriges Lachen, und die Hände legten sich um den Hals des Mädchens. „Nein!“, schrie da die Mutter und hackte mit einem vorsorglich bereitgelegtem Beil die rechte Hand ab, die linke zog sich wieder in die Rose zurück.
Am nächsten Morgen war das Mädchen gesund und munter, und die Blume kam in den Abfalleimer, ganz tief unten. Die Mutter musste noch einmal in den Blumenladen, um einen Strauß zum Geburtstag ihrer Freundin zu besorgen und da sah sie die Verkäuferin: Mit einem dicken Verband um die rechte Hand...