Ich las gerade
"Die Heiratsschwindlerin", das erste (?) Buch von Kinsella, damals noch als Madelaine Wickham; inzwischen vor ein paar Jahren neu verlegt mit groß "Kinsella" drauf. Ich wusste schon, dass da nix mit Humor ist und überhaupt, die "Reizende Gäste" hab ich ja auch schon mal gehabt und wusste in etwa, was mich erwartet... aber das Buch gab es in der Bib und wieso nicht mal reinschauen.
Kinder, ich erzähle euch gleich von diesem Buch. Enjoy.
Es lebte einmal ein Mädchen ohne Gehirn. Es war nicht strohdoof, strohdoof war Sophie aus der Liebe und Marillenknödel; "ohne Gehirn" verhält sich dazu wie "blau" zu "süß".
Mit 18 heiratete das Mädchen nach nur einer Woche Bekanntschaft einen Schwulen, weil er höflich gefragt hat. Er brauchte die Aufenthaltgenehmigung. Eine übliche Sache, gaaaanz und gar nicht verwerflich oder gegen das Gesetz. Nach noch einer Woche haben sie sich nie mehr gesehen.
Das Mädchen hat es nicht wirklich vergessen. Sie hat es weitgehend ignoriert. Es wusste ja keiner, oder? (Außer ihr, dem Ehemann, dem schwulen Freund des Ehemannes, der ganzen Beamten, jeder Menge Touristen, die sie fotografiert haben, und dem offiziellen Staat.)
Nach zehn Jahren wollte das Mädchen heiraten. Alles kein Problem, denn, wie gesagt und ca. ein Dutzend mal von ihr wiederholt, es wusste ja keiner. (Es steht schwarz auf weiß in den offiziellen Unterlagen des Staates, du doofe Kuh!!!)
Leider war der Hochzeitphotograph eins von denen, die sie damals sahen, und siehe da- nach zehn Jahren konnten er und das Mädchen sich recht schnell aneinander erinnern. Das Gedächtnis des Mädchens war also ziemlich wählerisch. (Ich überlege gerade- das Gesicht eines Jungen, den ich vor 10 Jahren 30 Sekunden lang mal flüchtig gesehen habe? Ich hatte mal etwa eine sehr nervige Nachbarin, die ich viel häufiger sah und jeden Grund hatte, sie mir zu merken- ich würde sie jetzt inzwischen auf der Straße nicht mal erkennen...)
Das war ein Grund für wilde Panik, denn der Verlobte wusste natürlich nichts, wie denn auch. Apropos, der Verlobte zeichnete sich durch zwei Sachen aus: er hatte keinen blassen Schimmer, wie das Mädchen ohne Gehirn tatsächlich so war (dabei wollte er sein ganzes Leben mit seiner Illusion von ihr verbringen), und zweitens hasste er seinen Vater, weil der mal die Familie verließ. Mehr gibt es in ihm nicht drin und mehr müsst ihr nicht wissen.
Ansonsten gab's:
-Den Vater des Verlobten: Millionär, nett und das Vater-Sohn-Problem,
-Die Mutter des Mädchen: eine doofe Kuh, die sich nur für Veranstaltungen interessierte; so wird die Vererbung des Gehirns schnell klar,
-Den Vater des Mädchen: ein Geschäftsmann, frustriert in seiner Ehe, weil seine Frau eine doofe Kuh ist, die sich nur für Veranstaltungen interessiert,
-Die Schwester des Mädchens: ohne Ehemann, aber schwanger; dafür die Einzige mit genug Verstand, die unserem Mädchen sagte: es wird Zeit, rauszufinden, was mit dem eigentlichen offiziellen Ehemann geschah - so zwei Tage vor der Hochzeit!
-Den ehemaligen schwulen Freund des Ehemanns des Mädchens (uff), der nun in eine Sekte geriet und sich hartnäckig überzeugte, dass er nicht schwul wäre (wenn man mich fragt, war er eher bi.)
-und verschiedene Statisten mit unterschiedlich wichtigen Rollen. (Wie die Ehefrau des besagten schwulen Freund blablabla-ein gutes Beispiel für den schädlichen Einfluss solcher Sekten.)
All diese Idioten hatten ihre Probleme, aber die kamen natürlich nicht an das Mädchen ohne Gehirn ran, die immerhin die Hauptheldin ist. (Und die ich zu dem Moment am liebsten mit besonderer Grausamkeit strangulieren würde.)
Ich war da an so einem Moment, wo unser Mädchen dem schwulen Freundblabla einen hysterischen Anfall und ein Drink ins Gesicht schüttelte- weil er damals danach mit ihrem Ehemann nur zwei Monate zusammen war. Sie habe ihr Leben für zwei Monate ruiniert!!
Lasst es mich zusammenfassen. Jemand sagt mir: überfalle für mich eine Bank, ich brauch gerade sooo das Geld. Ich tue es, weil ich nett bin, und denke, dass es kein Problem ist, weil ja keiner weiß. Als mir ganz unerwartet das Gefängnis droht (wie unfair!), erfahre ich, dass er das Geld in zwei Monaten verprasst hat, und bin voll empört. Das geht doch nicht! Hätte er das Geld etwa in fünf Jahren ausgegeben, dann wäre es in Ordnung, dann wäre es kein Problem.
Irgendwann erfährt es auch der Verlobte, und als er mMn völlig gerechtfertigt ihr sagt, dass sie ihn so furchtbar angelogen hat, meint das Mädchen, es war doch nichts dabei!! Sie ist ja keine Verbrecherin! (Hallo? Gesetzbücher gefällig?) Es wusste ja keiner (oh Gott..) und wenn er (der Verlobte, nicht Gott) sie lieben würde, würde er ihr verzeihen!!
(Merkt es euch, Leute: geht euren Partner betrügen, dann beichtet, sagt, dass es euch leid tut, und wenn er euch liebt, wird er es verzeihen- schließlich habt ihr euch entschuldigt!! Was will der denn noch? Wenn er nicht verzeiht, ist er böse und ein Idiot.)
Wir ignorieren die Tatsache, dass der Verlobte mit seinen eigenen psychischen Problemen ihr am ehesten den Bruch seiner strengen Familienwerte vorwirft. Aber hey. Ihr erfährt ZWEI Tage vor der Hochzeit, dass ihr Partner eigentlich noch verheiratet ist, das seit zehn Jahren, und es nicht für nötig hielt, euch was zu erzählen oder sich um eine Scheidung zu bemühen. Zwei Tage. Wie werdet ihr euch fühlen, ernst??
Ach ja, es endet natürlich alles gut. Alle lösen ihre Probleme (man sollte nur miteinander reden, schon ist alles in Butter! *Aufschreib*), alle kommen wieder zusammen, alles ist schön und der Verlobte erfährt endlich, dass seine Traumfrau nichts davon mochte, was er dachte sie mag, und überhaupt ihn in jeder Ecke angelogen hat, aber das ist nichts, denn es kommt ja alles in Lot.
Ich kann nicht sagen, dass das Buch schlecht war. Das Buch hat mir sogar teilweise (!) recht gut gefallen, es war psychologisch, es war ernst und meistens gar interessant. Aber der Plot ist so unglaublich nahebuchen, dass es weh tut. Die Heldin ist jenseits der Idiotie, das Wort kann man bei ihr nicht mal mehr gebrauchen. Außerdem habe ich irgendwie ein Problem mit den Werten. In "Reizenden Gästen" hat ein Teenie-Mädchen (13?? weiß nicht mehr) geraucht und
Drogen genommen- alles voll normal. und wundert niemanden. Hier RAUCHT eine Schwangere absichtlich (ach was, macht ja nichts), sie wird von ihrer Mutter zum TRINKEN aufgefordert (als ich mit dir schwanger war, habe ich jeden Tag Gin getrunken- ist nichts passiert!) Die Heldin bricht das Gesetz mit ihrer Scheinehe, will das dann nochmal mit ihrer absichtlichen Bigamie, und das ist alles absolut kein Problem, ganz normal, kein Vorwurf, höchstens ein Kavallierdelikt. Ehrlich gesagt, bin ich von so was recht wortlos
