Ich möchte an dieser Stelle vorausschicken, dass ich als amtierender Geschäftsführer einer Körperschaft des öffentlichen Rechts tätig bin, namentlich ein Abfallzweckverband in Sachsen, in einem der "neuen" Bundesländer.
Bacardi schrieb:
Ich denke auch, dass man es von beiden Seiten sehen sollte. Einmal von der Unternehmerseite: Die machen mehr Gewinn als je zuvor, verlagern dafür alles ins Ausland, und entlassen noch mehr Leute. Irgendwo ungerechtfertigt.
Dieser Ansatz ist hier falsch. Der öffentliche Dienst und seine beauftragten Dritten (das ist meist die "Müllabfuhr" oder besser Abfallentsorgungsunternehmen) lebt von Geldern der Steuerzahler, von Gebühren. Von den Gebühren der Bürgern. Gewinne sind bei den Privaten sicher kalkuliert, aber meist sind diese Unternehmen zumindest teilweise im Eigentum der öffentlichen Hand. Damit ist sofort der Einfluss auf das Betriebsergebniss gegeben und die Kostenkalkulation ist in etwa kostendeckend kalkuliert. Bei rein öffentlichen Einrichtungen, eben wie bei dem Zweckverband oder Straßenbauämtern, die für den Winterdienst zuständig sind, gibt es keinen "Gewinn". Und das alles muss finanziert werden. Ich habe selbst schon vor den Gremien (Kreistag, Stadtrat, Verbandsversammlung) gestanden und Gebührenkalkulationen mit gestiegenen Gebühren vertreten müssen. Die Leistung möchte auch jeder in Anspruch nehmen.
DodotheGoof schrieb:
Und ich finde, das zeigt wieder einmal die Nachteile staatlicher Betriebe, inklusive einer regionalen Monopolstellung. Wäre die Müllwirtschaft privat, dann könnte die Stadt einfach sich einen anderen Anbieter suchen, der nicht bestreikt wird.
Die Abfallwirtschaft ist in der überwiegenden Zahl der Fälle in die Hand privater Unternehmen (mit Beteiligung der öffentlichen Hand) gegeben. Diese Unternehmen, auch wenn es 100% ein privater Anbieter ist, wurden per öffentlicher Ausschreibung ermittelt. Der Auftraggeber kann nicht einfach einen anderen Anbieter wählen. Er kann nur die entstandene Situation durch zwischenzeitliche Beauftragung an einen anderen überbrücken. Es geht auch nicht nur um diese Aufgaben des öffentlichen Dienstes, sondern auch um Verwaltungsaufgaben. Nur sind eben die bestreikten Aufgabenbereiche für den Bürger spürbar. Keinem würde es auffallen, wenn die Planungsabteilungen eines Straßenbauamtes streikt. Dann würde der Baubeginn einer neuen Straße halt einen Monat später sein.
Ohne hier in eine "Neiddiskussion" zu verfallen, muss ich aber sagen, diese geringfügige Verlängerung der Arbeitszeit tut nicht wirklich weh. Im Tarifgebiet Ost sind 40 Stunden Arbeitszeit der Grundsatz und das bei (weiß jetzt nicht ganz genau) rund 92% des Gehaltes vom Tarifgebiet West. Alle Lebenshaltungskosten (ost) liegen aber bei etwa 100%. (Außer Arztrechnungen, die müssen auch einen Abschlag berechnen.)
Ich fand heute die Aussage von unserem Leiter des staatlichen Straßenbauamtes bemerkenswert. Eine ver.di - Mitarbeiterin war dort aufgetaucht, um für Streik/Urabstimmung mobil zu machen. Er hat darauf geantwortet, dass die Mitarbeiter wissen, dass Winter ist und der Schnee von den Straßen geräumt werden muss. Da ist keine Zeit für Streiks. Danke, Herr Petzold!
Nur am Rande angefügt, meine Wochenarbeitszeit liegt irgendwo um die 60 Stunden + X, ohne Überstundenvergütung und die Möglichkeit, Stunden auszugleichen habe ich nicht. Vom tariflichen Urlaub kriege ich auch nicht alles unter, meist verfallen etliche Tage. Aber dafür habe ich auch keinen Dienstwagen zur privaten Nutzung.
Für mich sind diese Streiks wieder (und hier möchte ich keinem meiner Dienstkollegen, wo auch immer sie beschäftigt sind, auf die Füsse treten) das typische Jammern auf hohem Niveau. Wenn ich meine Mitarbeiter betrachte, so nehme ich an, dass bei einem Ansinnen 2-3 Stunden pro Woche Mehrarbeitszeit keine allzu heftige Diskussion ausbricht. Und dafür würden nicht einmal "Argumente" der Art benötigt "Es gibt genug Arbeitslose, die Deinen Job sofort machen!" Weil das für mich kein Argument ist.