2 Tage später...
Zumindest sah die Hütte jetzt halbwegs bewohnbar aus, nicht gut, aber definitiv besser. Ob es allerdings für einen Herzinfarkt reichen wüerde, wagte ich zu bezweifeln. Und mal ehrlich, ich mochte meinen Vater nicht, das beruhte übrigens auf Gegenseitigkeit, aber umbringen ? Ich war ja nicht völlig neben der Spur !
Die alten Möbel hatte ich im Abstellraum gestapelt, schliesslich könnte ich nicht ewig hierbleiben. Die Frage war nur, wie es jetzt weitergehen sollte. Zurück in mein Elternhaus kam gar nicht in Frage, hierbleiben auf längere Sicht auch nicht. Die gefahr, daß irgendwann herauskäme wo ich mich aufhielt war zu groß.
Derweil ich noch meinen Gedanken nachhing räumte die restlichen Sachen in den Schrank. Die wenigen persönlichen Dinge, die ich noch besaß waren schnell verstaut. Vielleicht konnte ich meinen großen Bruder fragen, ob ich vorübergehend bei ihm Unterschlupf finden konnte ? Justice war schliesslich ein vernünftiger junger Mann ohne all diese gräßlichen Vorurteile. Er war einer der wenigen, die immer zu mir gestanden hatten. Meine kleine Schwester war leider ausschließlich an sich selbst und ihrem Aussehen interessiert. Mom stand unter der Fuchtel meines Dads und auch wenn ich es ihr zu verdanken hatte, daß ich nicht obdachlos auf der Strasse stand, sie konnte nicht mehr für mich tun ohne sich selbst eine Menge Ärger aufzuhalsen. Und niemand hatte gerne Ärger mit Dad, nichtmal ich.
Das rote Fähnchen am Briefkasten winkte mir förmlich zu, als wolle es sagen: "Guck mal, Du hast Pooost!" Wer schreibt mir denn bitteschön ? Ich wette meine Mom, sonst wusste doch niemand daß ich hier war. Missmutig stapfte ich zum Kasten und kramte die Post heraus. Die Spinne, die im hintersten Eckchen des Kastens ihr Netz gesponnen hatte verflüchtigte sich erschrocken in eine Ritze. Armes Vieh, lass Dich nur nicht von mir stören. Ich bin hier auch nur ein geduldeter Gast, oder besser gesagt, ein heimlicher Gast. Verschworen zwinkerte ich der Spinne in ihrem Versteck zu.
Werbung, Werbung, Werbung, und fast schon wollte ich den Haufen Papier achtlos in die Tonne werfen als mir ein Flyer in die Hände fiel auf dem eine Neueröffnung einer Boutique bekannt gegeben wurde. "Alles außer gewöhnlich"... klingt doch mal interessant. Jedenfalls interessanter als hier in der Bude zu hocken und den Palmen beim Schaukeln in der Meeresbrise zuzuschauen.
Ich rief mir ein Taxi und ignorierte den skeptischen Blick des Fahrers als ich einstieg. "Dorthin, aber nicht trödeln. Ich bezahl sie nicht dafür in der Gegend herumzuschleichen" und hielt ihm den Flyer der Boutique unter die Nase. Der Fahrer brummelte mir etwas zurück, ich machte mir nicht die Mühe ihn zu verstehen. Er hatte mich ja scheinbar eh schon längst vor meinen ersten Worten in eine Schublade gesteckt. Sollte mir doch egal sein.
Die Fahrt verlief ruhig. Unterwegs sah ich niemanden den ich kannte und so hoffte ich, daß ich weiterhin unentdeckt blieb.
Die Boutique war ganz nett. Trotz der Ankündigung mit der Morgenpost war ich die einzige Kundin im Laden. Die Auswahl an Kleidung war zwar tatsächlich relativ aussergewöhnlich, aber so ganz mein Geschmack war es trotzdem nicht. Nach langem Suchen fand ich jedoch doch noch 2-3 Teile, die ich ganz akzeptabel fand. Dafür, daß dies hier ein totales Kuhkaff war, daß ausschliesslich von spießigen, gutbetuchten, Oberaffen bewohnt war, war die Auswahl tatsächlich aussergewöhnlich. Meine Mutter wäre rückwärts wieder hier herausmarschiert und meine Schwester hätte sich lediglich mit einem abfälligen "Äääähh, Penner-Klamotten" über diesen Laden geäußert.
Ich bezahlte die Klamotten mit meinem letzten Bargeld. Wer schön sein will muss leiden und wenn es bedeutete pleite zu sein. Dafür nahm ich dann auch in Kauf, den Weg zurück zum Strandhaus zu Fuß zurück zu legen. Der Spaziergang würde mir sicherlich gut tun. Früher war ich oft einfach nur so durch die Gegend gegangen, hatte mir die Leute angesehen, stundenlang im Cafe gesessen. Irgendwie wurde ich das ungute Gefühl nicht los, daß es nie wieder so wie früher werden würde. Es lag etwas in der Luft, war förmlich zu greifen, schwebte über mir...
Unwirsch schüttelte ich den Kopf, um die Gedanken loszuwerden, hob die Nase in den Wind und schritt los.
Wenigstens hatte mein Vater einen Teil seiner exquisiten Auswahl an Rotweinen hier gelassen. Ich öffnete eine der Flaschen, ohne genau hinzuschauen welcher Jahrgang es war. Wird schon recht sein, mein Vater kaufte nichts günstiges, nur das Teuerste und Beste war für ihn gerade gut genug. Wäre ich eine Flasche Wein, hätte er mich am Tag der Lieferung in sein Haus postwendend umgetauscht. Was ein Pech für meinen Dad, daß ich keine Flasche Rotwein war und für mich gleich mit.
Vor mir lagen meine Notizen der letzten Monate. Während des Studiums hatte ich beschlossen ein Buch zu schreiben und seitdem kritzelte ich eigentlich ständig Gedanken, Erlebnisse, Gefühle und kleine Geschichten in diese Kladde. Ich griff nach dem Hefter und begann einige der beschriebenen Seiten neu zu sortieren.
Während ich noch über meinen Notizen sinierte, drangen Schritte an mein Ohr. Offenkundig betrat gerade jemand den vorderen Teil der Veranda. Wenn das wieder Barbie war konnte die aber was erleben ! Ich setzte mein "Ich hab schlechte Laune nicht ansprechen sonst beiß ich"- Gesicht auf und tippelte Richtung Eingangstür. Schwungvoll warf ich die windschiefe Holztür auf und wollte gerade loswettern, als...
... als ich in die wunderschönsten blauen Augen, die ich je in meinem Leben gesehen hatte, blickte.
"Hallöchen, Du musst Pandora, das Monster von nebenan sein" klang die Stimme, die zu den Augen zu gehören schien, in meinen Ohren. "Also nicht, daß Du so aussehen würdest wie ein Monster, Du musst meine Schwester entschuldigen" dieses Lachen ! Es hörte sich weniger wie ein Lachen, denn als ein Chor von geflügelten Wesen an "Euer Zusammentreffen scheint mir nicht nicht besonders gelungen gewesen zu sein. Weiss gar nicht was sie hat, ich find Du siehst doch ganz sympathisch aus und ganz beiläufig erwähnt auch viel zu hübsch für ein Monster" spitzbübisch zwinkerten mir die Augen zu.
"Ähm... hallo auch " brachte ich heraus.
"Oh, tut mir leid. Ich habe mich gar nicht vorgestellt. Ich bin Jason Silver, der Bruder des liebreizenden Geschöpfes, welches Dich letztens besucht hat. Und nachdem sie mir von Eurem Aufeinandertreffen erzählt hat, musste ich mich doch glatt selbst davon überzeugen welches Scheusal nun neuerdings in dieser Hütte haust."
"Sag mal, machst Du Dich über mich lustig ?" Ich kniff die Augenbrauen zusammen.
"Oh, nein, nein. Entschuldige bitte. Allison hat so unglaublich heftig über Dich geschimpft, Du wärst furchtbar zickig, unhöflich, unfreundlich und ein totaler Freak. Und das obwohl Du doch auf der selben ehrenvollen Universität gewesen wärst wie ich. Da hat mich die Neugierde gepackt und ich musste einfach vorbeischauen." er grinste verlegen, aber seine Augen leuchteten frech. Diese Augen...
"Hast mich denn jetzt genug begutachtet oder soll ich den Zoowärter um eine Führung bitten ?" fauchte ich ihn an, nur um mich im selben Augenblick darüber zu ärgern. Der Typ schien echt nett zu sein und verdammt schnuckelig dazu. Kerr Pandora, sei doch mal einmal nett, verdammt.
"Tut mir leid, wenn ich Dich gestört habe. Ich... ich geh dann mal wieder, ok ?" in seinen Augen lag eine Spur von Bedauern.
"Ach... nee, warte. Ist schon gut. Ich bin einfach ein... ein bisschen empfindlich. Es tut mir leid, daß ich so unfreundlich zu Dir war." hauchte ich. Ich konnte den doch jetzt nicht einfach so gehen lassen !
"Ich komme auch nicht in den dunklen Keller und werde dreimal täglich gefoltert ?" fragte er gespielt verängstigt, aber mit einem Funkeln in den Augen.
Ich lachte "Nur wenn Du drum bettelst." Der Kerl war nicht nur niedlich sondern auch noch witzig, der gefiel mir immer besser. Das war also Barbie`s Bruder, Absolvent der selben Universität wie ich, renomiert, Jahrgangbester, Mediziner und verdammt gutaussehend. Der würde meinem Dad gefallen. Ein richtiger Schwiegersohn-Typ wie er im Buche steht.
Meine Gedanken schweiften ab...
Ich versank in seinen tiefblauen Augen, unsere Gesichter kamen sich näher... seine unendlich weichen Lippen berührten die Meinen... wir verschmolzen förmlich miteinander, wurden eins... seine durchtrainierten Arme zogen mich sanft aber bestimmt an sich, ich konnte mich nur noch willenlos an ihn krallen... wollte ihn nie wieder loslassen, diesen Moment auf ewig festhalten... und aus dem Hintergrund erscholl die Stimme meiner Eltern: "Wir sind so stolz auf Euch, komm zu mir meine Tochter"... ich fühlte mich plötzlich glücklich wie noch nie zuvor in meinem Leben... geliebt, verstanden, geborgen...
"Geht es Dir nicht gut ? Ist Dir schwindelig ?" hörte ich Jason`s besorgte Stimme wie durch einen Nebel hindurch.
"Nein, nein, geht schon" stammelte ich heiser zur Antwort.
Es hatte mich erwischt !
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Hoffe es gefällt, ansonsten immer mal her mit den faulen Eieren und der Kritik ^^
@kathascha2
Dankeschön für das Lob
Kommst natürlich mit auf die Liste