Pfft, wer kann denn überhaupt noch trennen, was da jetzt was ist?
Tatsache ist, dass momentan eine frühere "Subkultur" nach der nächsten durch den Trendfleischwpolf gedreht und zur Massenmode verwässert wird. Es gab mal eine Zeit, da hatten schwere Jungs, Seeleute und vielleicht ein paar Szenegänger Tattoos. Heute läuft Tante Henriette wasserstoffblondiert und bearschgeweiht durch ihren Vorstadtfriseurladen. Mit Piercings genau die gleiche Grütze, jede dritte Tussi, die mal eben mit Müh und Not alt genug ist, einen BH zu tragen, hat schon das Blech durch die Unterlippe geschossen. Wie aufregend! Wie subversiv! Und natürlich vor allem: Wie individuell!
Und von den Klamotten reden wir mal gar nicht. Als ich das erste mal bei einem Blick in einen Orsay-Laden Nietenarmbänder aus rosa Lackleder sah, wusste ich, dass spätestens jetzt auch das Nietenzeugs Hinz&Kunz-kompatibel sein würde.
Tausende Teenies laufen rum wie aus der Stanzpresse im Hunderterpack gefertigt, aber natürlich bei niemandem ein Mitgehen mit dem Trend. Nein nein, die mochten alle schon immer sowas und haben auch alle eigentlich schon immer sowas getragen. Nur komisch, dass ich mich da nicht dran erinnern kann... doch zu viel gesoffen? Na ja, schätze, in fünf Jahren laufen dann lauter Leute rum, die ja nie auf so einer Welle mitgeschwommen sind, sondern immer ihren höchst individuellen "Style" hatten. War auch wahrscheinlich schon immer so und wird immer so sein.
Genauso wie die Zahl der Ritzer in den letzten Jahren so extrem explodiert ist, dass es gar nicht alles schwere Problemfälle sein können - dennoch schwören alle Stein und Bein, bei ihnen sei das echt und höchstens irgendwelche anderen die Poser. Es lebe das Paradoxe.
Daher traue ich mir heute gar nicht mehr zu, überhaupt noch ansatzweise zu wissen, wer jetzt "Emo" ist und wer nicht. Ich weiß nur, dass mir dieses ganze Ringel- und Streifen- und Schachbrettzeugs, die Kirschen, Schleifchen und Haarreifen, die schwarzgefärbten Haare, die Ponys oder "Ein-Auge-unsichtbar"-Frisuren, diese pantoffelmäßigen Vans und die Chucks (am besten mit lila Schnürsenkeln und selbstaufgemaltem Schachbrett auf den weißen Kappen vorn) und natürlich auch die überbelichteten "Ich bin so cool, dass man mich nicht erkennen kann"-Fotos langsam mal so richtig auf den Docht gehen. Dazu noch diese über den grünen Klee gehypeten Bands, die wirken wie die in ranzigen Schmalz getunkte und anschließend mit Zuckerwatte umwickelte Karikatur der Musikrichtung, die sie angeblich vertreten sollen.
Irgendwie war mir das lieber, als es Totenschädelaufdrucke noch nicht in rosa und mit knallrotem, neckischem Schleifchen an der Seite gab.
Vermutlich befinde ich mich gerade auf dem
Highway to als griesgrämiger alter Sack alles schlecht findender Scheuklappenopa on the Veranda sitzing and leise in sich reingrummeling.