Hallo Nonuna,
ich finde die meisten deiner Portraits sehr gut dargestellt und die Hintergrundinformationen am Ende interessant. Außerdem finde ich es gut, dass du mit diesem Projekt tabuisierte Themen ansprichst/zur Diskussion anregen willst. Meinen Respekt dafür.
Ein Portrait allerdings finde ich dann doch etwas einseitig. Und zwar Evelyns.
Besonders habe ich mich an folgendem Satz gestört :" Viele glauben, dass wir einfach zu viel essen . Aber das stimmt so nicht !" Bis da hin unterschreibe ich. Aber den nächsten Sätzen kann ich so nicht zustimmen.
Ich zitiere :" Klar, die meisten dicken Menschen sind wahrscheinlich zu einem großen Teil selbst schuld. Aber eben nicht ganz alle ."
Ich frage mich ernsthaft, wie man dieses "sind wahrscheinlich zu einem großen Teil selbst schuld" verstehen soll, warum in dem Zusammenhang das Thema "Schuld" überhaupt angesprochen wird. Das kommt ein wenig so rüber, als gäbe es bei vielen Adipösen wirklich keinen anderen Hintergrund als Faulheit und übermäßiges Essen, obwohl die Sätze davor etwas anderes aussagen.
Weiterhin vermisse ich bei der Adipositas einen Hinweis auf den Zusammenhang mit psychischen Hintergründen, z.B. Eßstörungen (psychogene Adipositas oder Binge-Eating Disorder). Bei dem Thema sieht es nämlich mit den "Gegenmaßnahmen" schon anders aus, da die Fettschicht und das gestörte Eßverhalten bestimmte Funktionen haben und Ersatz für bestimmte Dinge sind. Ohne Ursachenforschung (oft Therapie) läuft da nichts, Eßplan und Sport allein reichen da nicht, können sogar kontraproduktiv sein, wenn die Seele noch nicht so weit ist, den aufgebauten Schutz loszulassen.
Ich möchte dir hier nichts unterstellen, was nicht im Text steht, sondern nur einen anderen Blickwinkel aufzeigen. Ich habe auch im Eingangsposting gelesen, dass die Portraits nur jeweils einen kleinen Einbilck gewähren können/sollen.
Ich bin selbst adipös aufgrund einer Eßstörung und weiß sehr gut, wie es ist, aufgrund des äußeren ausgegrenzt und angefeindet zu werden. Das reicht von völligem Unverständnis und "iß doch einfach weniger Süßes" bis zu wirklichen Beleidigungen wie "Du fette Hure !" über Arztbesuche, bei denen man aufgrund des Übergewichts erst mal in eine Schublade gesteckt und dementsprechend falsch behandelt wird. Bei mir war ein Fehler unter anderem, dass niemand meine Eßstörung erkannt hat und ich erst mal zum Abnehmen geschickt wurde, das hat meine Problematik eher verschlimmert.
Der Zusammenhang mit Eßstörungen war ein Punkt, der mir persönlich besonders am Herzen lag, aber Adipositas kann, denke ich, auch andere Ursachen haben. Ich denke, das Thema ist vielschichtiger, als es aussieht.
Schlimm finde ich, dass Adipositas und Übergewicht so negativ behaftet sind und gesellschaftlich auch wenig akzeptiert werden (ich sage nur Schubladendenken und Vorurteile : Dicke sind faul, ungepflegt, nicht belastbar/stäbdig krank und auch noch selbst schuld). Wenn ein Mensch übergewichtig oder adipös ist, sonst aber keine größeren Probleme hat, sich wohlfühlt und es ihm gutgeht, warum soll er dann umbedingt abnehmen ?
Ich werde ich dein Projekt weiter mit Interesse verfolgen und bin gespannt, worüber du noch alles schreiben wirst.
lg, Mystery