Es war eine seltsame Welt in die sie sich begeben hatte.
Die war ihrer nicht gewachsen und das ahnte sie zunehmend.
Kims äußere Erscheinung hatte sie ebenso gewandelt wie
ihr Charakter. Ihr natur rotes Haar wandelte sich zu lila.
Nun trug sie schwarzes Haar, in welchem türkis farbene Strähnen
schimmerten. Eine der wenigen Dinge, welche an ihr noch zu glänzen
vermochten. Stumm saß sie da, zog es vor nicht nachzudenken was
sie tat und wie sie nun lebte. Denn wenn sie dies tat kam er wieder
hoch, all der Schmerz der letzten Monate. All die Probleme, denen
sie sich nicht stellen wollte und konnte. Sie hatte Angst, es würde
niemand verstehen. Denn es war ja nur Liebeskummer, welcher
sie seelisch in die Enge getrieben hatte. Sie hätte niemals gedacht,
dass so ein Gefühl so stark schmerzen könne.
Geistesabwesend trank ebenso ihr Partner an seinem Bier.
Auch Lars hatte bemerkt, dass Kim sich verändert hatte und
instinktiv gab er sich die Schuld daran, verwarf diesen Gedanken
jedoch immer wieder. Er wollte sich dessen nicht stellen. Sie schien
trotz allem glücklich mit ihm. Das gab ihm Hoffnung. Außerdem gehörte
auch seine Seele dem künstlichen Glück. Seine Freundin sollte nicht so
enden wie er. Dies sagte er sich selbst immer wieder, denn er mochte
Kim sehr und seine Gefühle waren aufrichtig. Dennoch wusste er, sie
kam nicht aus den Verhältnissen, in denen er aufgewachsen war. Sie
war etwas Besseres für ihn und er hatte Mühe, mit diesem Gedanken
klar zu kommen. Wenngleich Kim ihm dies niemals vorgehalten hatte.
Er selbst tat es immer wieder. Er zog sie herunter. Er wusste es.
Das Schweigen, welches nun seit ein paar Minuten zwischen ihnen
lag zerfraß beide innerlich. Lars sah Kim mit starrem, besorgtem Blick
an. Als auch ihr Blick sich ihm zuwandte öffnete sich seiner freundlich
und voller Liebe. Er lächelte sanft und seufzte leise auf. Auch ihre Augen
waren voller Zuwendung. Wieso tat sie das? fragte er sich in jenen Momenten.
Weshalb begab sie sich in solch eine Welt, mit ihm? Er verstand es nicht, verwarf
jedoch auch diesmal diesen Gedanken, ehe er von ihm Besitz ergreifen konnte und
schmiegte sich an Kims Seite, welche ihre Arme um ihn schlang, als könne man
sie sogleich auf ewig trennen. Sie dachte an die Zeit vor ihm. Eine Zeit, in der
sie nie wusste, ob ihr die gleiche Liebe entgegen gebracht wurde wie sie zu geben
vermochte. Lars gab ihr dieses Gefühl auf Anhieb. Ein Gefühl, aufrichtiger und
gleichgesinnter Liebe, ohne dass sie für dies Wunder vollbringen müsse.
Sie genoss diesen Augenblick in vollen Zügen, egal was er kosten möge.
Sie betrachtete seine Augen. Sie waren voller Aufrichtigkeit.
Sie wollte nicht glauben, dass diese Liebe einst eine Wendung nehmen
könnte, die alles verändern würde. Doch sie waren beide Sklaven des
chemischen Glücks. Sie vermochte es noch nicht zu glauben. Sie hatte erst
ein paar Mal gekostet. Doch auch dies war Liebe auf den ersten Blick.
Ebenso wie er. Sie wollte vergessen, dazu gehören, glücklich sein.
Nun legte die ohne sich dessen bewusst zu sein, Ketten um ihre Seele.
Band sich an eine Substanz, die sie nicht mehr loslassen würde.
War sie naiv? Sie verschloss die Augen vor der Wirklichkeit, flüchtete in
eine für sich bessere Welt aus Schall und Rausch, welche sie nicht kannte.
Aber sie war bei ihm, mit ihm, eins. Etwas, was sie lange ersehnt hatte.
Sie brauchte es, doch ihn bekam sie nicht alleine. Es gab ihn nur mit dem
tödlichen Gift, welches er seit einem Jahr durch seine Adern jagte. Er ahnte,
mittlerweile, was er tat, war der Realität zu oft entflohen und sie holte ihn
nun ein.
Sie schloss die Augen, legte ihren Kopf langsam auf Lars Schulter.
Ihre Glieder begannen langsam zu zittern. Tränen sammelten sich einen
kurzen Augenblick hinter ihren geschlossenen Liedern, drangen nicht nach
außen. Niemand bemerkte es. Sie wollte es nicht, doch sie wusste, es gab
kein Zurück mehr. Sie sah ihn an, das Zittern in ihren Gliedern wurde Stärker.
Er kramte in der Tasche seiner Jacke, zog ein kleines Päckchen hervor, welches
er ihr stumm reichte. Er wollte nicht dass sie es tat. Er wollte, dass es ihr gut
geht und sie sich nicht wie er, von dieser Substanz abhängig machte.
Doch sein Gefühl sagte ihm erneut, dass es zu spät war und die Realität
und Wahrheit auch sie einholen würde. Er fürchtete diese Erkenntnis, doch
er war machtlos. Sie nahm vorsichtig, was er ihr reichte, richtete sie auf und
verschwand kleinlaut Richtung Toiletten. Er sah ihr mit nüchternem Blick nach.
Hoffte, es würde nicht zu lange dauern.
Sie sackte auf dem kühlen Boden nieder. Fixierte taub und stumm
einen Fleck an der steinernen Wand der kleinen öffentlichen Toilette,
in welche sie geflohen war. Das Päckchen, welches sie von Lars erhalten
hatte langsam in ihren Fingern drehend hielt sie einen Augenblick inne,
dachte an jenen Tag vor zwei Monaten, an welchem dies alles begonnen
hatte. Sie hatte ihn erwischt, wollte sich trennen, doch sie vermochte nicht
auf seine Nähe zu verzichten. Er war alles, was sie hatte und brauchte.
Sie klammerte sich an ihn und er hatte ihr erzählt, wie es so weit mit ihm
gekommen war. Sie wollte ihm gleich sein. Hatte nicht bedacht was sie tat,
ihn übergangen. Er wollte nicht dass sie es tat doch er hatte keine Chance.
Sie hatte es in seiner Abwesenheit getan. Nun saß sie da, die Zeichen ihres
Körpers sagten ihr, sie brauchte es. War süchtig.
Langsam floss es in ihren Körper. Sie spürte wie sich Wärme
in ihm entfaltete. Noch gelang es ihr jene Momente langsam zu erleben.
Doch es war längst nicht mehr wie am Anfang. Ihr Leben wurde hektischer,
drehte sich um jene Substanz, die beide brauchten und er besorgte sie alleine
für beide, was ihr ein schlechtes Gewissen machte. Schwindel erfasste ihren Körper,
trieb ihn in die Ohnmacht. Sie wusste nicht wie ihr geschah. Sie kannte diese
Reaktion ihres Körpers nicht. Ehe sie sich sorgen konnte, sackte sie nach hinten, ihr
Körper lehnte gegen dem kühlen Blech der Toilettenwand. langsam sackte er in sich
zusammen, ihr wurde schwarz vor Augen. Sie schloss sie, gab sich diesem Gefühl hin
da sie Nichts zu erwidern vermochte. „Lars…“ stöhnte sie leise hervor, zu leise dass
es jemand hätte wahrnehmen können.