Beliebte Ausrede war auch, meine Mutti hats gewaschen und es war noch nicht trocken.
Die Ausrede hat bei uns nie funktioniert. Meine älteste Schwester war Pionierratsvorsitzende (wollte studieren und brauchte es für die EOS) und spätestens in der Schule hatten wir dann erneut ein Pionierhemd mit passenden Halstuch an der Backe, auch wenn wir uns soviel Mühe gegeben haben, beides in den zehn Minuten Schulweg irgendwo in den Büschen zu verstecken...

Das Blöde war, dass ich immer die Kleinste in meiner Klasse war und entsprechend jeden Montag beim Fahnenappell vorn in der ersten Reihe stehen musste.

Da war nicht viel mit drücken. Wenn man bei uns sein Hemd & Halstuch vergessen hatte, wurde man besonders am Montag beim Appell vor der ganzen Schule vom Direktor ermahnt und hat eine 5 in Ordnung bekommen. *lacht*
Ansonsten kann ich mich noch daran erinnern, dass der Klassenzusammenhalt ganz anders war. Da wurde Teamarbeit mehr gefördert; die Stärkeren mussten automatisch den Schwächeren helfen, da wir ja Hilfsbereitschaft auf die Fahne geschworen haben. Wir haben auch viel Freizeit über die Schule organisiert bekommen: Also zum Beispiel Sport-AG's, Kreative AG's jedweder Art (Schreiben, Basteln, Nähen) usw. Wir waren immer irgendwie beschäftigt. Dann gab es noch die Altstoffsammlungen und Lebensmittelsammlungen für unsere Partnerschule in Nicaragua, bei der die Klassenverbände gegeneinander angetreten sind. Die, die am meisten gesammelt hatte, bekamen von der Patenbrigade (bei uns war es eine Panzerdivision

) eine Auszeichnung oder Geld für die Klassenfahrt (meist ging es in den Thüringer Wald).
Am 1. Mai haben wir regelmäßig unsere roten Fahnen aus dem Fenster gehängt. Haben wir das nicht rechtzeitig getan, kam ein Anruf (jahaa, wir hatten Telefon einschl. Horch & Greif-Abhöraktionen) aus Berlin vom Großvater, wir sollten gefälligst mal die Fahne raushängen. Ansonsten war es ein Tag wie jeder anderer. Irgendwie ist der Tag in meiner Erinnerung immer mit viel Sonnenschein und faulenzen verbunden. *lacht* Am Tag des Lehrers haben wir dem Lehrer einen Apfel oder etwas Selbstgebasteltes geschenkt, am Tag der NVA sind wir bei unserer Patenbrigade eingerückt und auf den Panzern umgekrabbelt. Muttertag und der 7. Oktober waren zwei ganz besondere Tage: Bei uns zuhause wurde am Muttertag alles von uns Kindern gemacht. Am Nationalfeiertag waren wir regelmäßig in Berlin bei der großen Parade. Aber bis auf jede Menge Menschen habe ich nie etwas gesehen und fand es auch eher öde.
Meine Geschwister und ich haben die DDR nur als Kinder erlebt. Aber rückblickend muss ich sagen, dass es eine schöne Kindheit & Schulzeit war. Ich weiß aber auch durch meine Eltern, dass vieles in der DDR nicht richtig lief.
Wenn wir zum Beispiel aus der Schule kamen und am Konsum eine Schlange sahen, dann hat sich einer von uns erst einmal angestellt und der Rest ist nach Hause und hat Geld geholt. Bis man dran war, war die Ware entweder bereits vergriffen oder man wusste zumindest, was es gab. War es nichts, was man gebrauchen konnte, hat man es gegen irgendetwas getauscht. Wir hatten zum Beispiel im Keller jede Menge Trabbi-Ersatzteile, die mein Vater bei Bedarf gegen alles Mögliche (zuletzt gegen ein rotes Feuerwehrauto für meinen kleinsten Bruder) getauscht hat.
Wenn wir aus dem Urlaub oder von anderen Familienbesuchen kamen, gab es das beliebte Spiel "Such die Wanze". Oder wenn wir telefonieren wollten, dann klackte es immer in der Leitung, wenn das Aufzeichnungsband der Stasi anlief. Erst viel später habe ich begriffen, warum mein Vater immer vor dem Wählen in den Hörer sagte, dass er jetzt den und den in ... anruft und es um folgendes Thema geht. Ich dachte als Kind, das gehört zum Telefonieren einfach dazu.

Fernsehen durften wir zuhause als Kinder gar nicht, eben weil wir ständig in Kindergarten und Schule gefragt wurden, welche Sendungen (ob Ost-Sandmännchen oder West-Sandmännchen, Löwenzahn oder Spuk im Hochhaus, usw.) bei uns zuhause geschaut werden. Das zog sich bis hin zur Tagesschau. Neben der aktuellen Kamera schauten meine Eltern regelmäßig die Tageschau, um sich umfassend zu informieren. Wir Kinder mussten aber spätestens zu dieser Zeit das Zimmer verlassen, eben um uns in der Schule nicht zu verplappern. Und schwindeln durften wir ja nicht... *schmunzelt*
Meine zwei jüngsten Brüder wurden erst nach der Wiedervereinigung eingeschult und haben das DDR-System gar nicht mehr durchlaufen. Aber selbst der Ältere von beiden hatte kaum etwas von der DDR im Geschichts-LK.
Nach der Wiedervereinigung haben meine Eltern begonnen, ihre Stasiakten einzusehen und an politischen Veranstaltungen teilzunehmen. Wir Größeren wurden eigentlich auf Wunsch zu diversen Veranstaltungen geschickt, bei denen die DDR aufbereitet wurde - eben um das politische Abbild der DDR nicht zu verklären.