Die Yalea hat es endlich geschafft und präsentiert euch nun das allerletzte Kapitel von Abendgold. Sorry nochmal, es hat lang gedauert, aber ich hoffe, dass sich das Warten gelohnt hat.
), ein sehr sehr schönes Lied, also mir persönlich gefällt es supergut und es passt auch von der Stimmung her gut zum Kapitel. Außerdem ist es ja das letzte Kapitel, von daher ist das auch noch so eine Art Sahnehäubchen ;D
Finalkapitel
Einundzwanzig
Teil 2
Von meinem Instinkt angetrieben, rannte ich eine Lichtung entlang. Der glitzernde Fluss und die kühle Nachtluft interessierten mich nicht. Das Einzige, was zählte, war mein Ziel zu erreichen. Das Nachgebilde von Stonehenge. Doch, als meine Füße abermals den noch angewärmten Betonboden berührten, erinnerte ich mich flüchtig an alte Zeiten. Dies war meine Lieblingslichtung gewesen! Hier hatte es mich immer hingetrieben, wenn ich Abwechslung oder Ruhe gebraucht hatte. Meine Lichtung, mein leuchtender Sonnenuntergang, mein Abendgold.
Ich war langsamer geworden und beinahe stehengeblieben, wäre nicht Heath in mich reingerast.
“Raven, was zum Teufel machst du da?“
“Das hier ist meine Lichtung, Heath. Aus meinem alten, normalen Leben.“
Ich spürte seine Hand auf meiner Schulter und blickte ruckartig auf den Boden. Ich durfte mich von einer läppischen Erinnerung nicht ablenken lassen. Nicht jetzt!
Bedacht darauf, das Richtige zu tun, setzte ich mich in Bewegung.
Die mächtigen Steine ragten vor mir auf und ich blieb stehen. Vollkommen außer Atem ging ich in die Knie und atmete tief ein, um nicht zusammenzubrechen. Als sich meine Lunge wieder mit genügend Sauerstoff gefüllt hatte, blickte ich mich um. Wie in meinem Traum, erwartete ich Skerunios und Nontos in der Mitte des Gebildes. Doch da war niemand.
Heath war mittlerweile angekommen und wurde von meinem verzweifelten Aufschrei begrüßt.
“Raven! Was hast du? Was-…“
Doch weiter kam er nicht, da er es mir nachtat und sich umsah. Seine Augen wurden zuerst riesig, dann schloss er sie. Trotz dieses Beruhigungsversuches brüllte er, neurotisch wie er war, seine Erkenntnis und seinen Frust hinaus.
“Das Arschloch hat uns reingelegt!“
Heath schüttelte immer wieder den Kopf und mir rannen Tränen des Verlustes und der Verzweiflung die Wangen hinunter. Alles umsonst.
Heath drehte sich zu mir um und sah mir direkt in die Augen. Dieselbe Verzweiflung, derselbe Schmerz, doch trotz allem dieser Ehrgeiz, was uns Geschwister voneinander unterschied. Ich fiel erschöpft in seine Arme und umklammerte seinen warmen Körper.
“Raven, es besteht möglicherweise noch Hoffnung. Streng dich an und gehe deinen Traum nochmal durch.“
Ich tat, was er sagte und schloss die Augen. Sofort erschienen die grausamen Bilder und ich war versucht, meine Lider wieder nach oben zu befördern. Plötzlich bemerkte ich bei einer dieser furchtbaren Szenen, dass sich die Protagonisten, wie man so schön sagen würde, gar nicht in der Mitte des Stonehengenachgebildes befanden. Sie waren auf einer völlig anderen Lichtung und ich kannte sie.
Ich riss die Augen auf und holte tief Luft.
“Halt dich bitte gut an mir fest. Ich versuche jetzt die Sonnenenergie zur Teleportation zu verwenden. Womöglich auch Mum zuliebe, doch auch wegen der Tatsache, dass wir schnell sein müssen!“
Ich dachte fest an den Ort, stellte mir jedes kleinste Detail vor und bat darum, uns an diesen Ort zu befördern. Ein winziger Ruck durch unsere verschlungenen Körper und ich spürte Reisig und vertrocknetes Gras unter meinen Füßen.
Ich ließ meinen Bruder los und öffnete die Augen. Es war tatsächlich der Ort aus meinem Traum. Und so wie es Albtraumprophezeihungen an sich haben, wurde ich sofort von einer unsichtbaren Energie nach hinten gestoßen. Ich schaffte es gerade noch Heath‘ Arm zu packen, bevor ich auf dem Boden auftreffen konnte. Als ich mich vergewisserte, dass diese unsichtbare, energetische Kraft nicht mehr um uns wallte, sah ich mich auf der Lichtung um und entdeckte sofort die Stelle aus meinem Traum. Dort, mit einem Kreis aus Fackeln umstellt, lehnte Nontos, zusammengesackt und bewusstlos, an einem Fels. Der einzige Weiße von den vielen Grauen.
Ohne länger nachzudenken, rannte ich auf Nontos zu. Logischerweise wurde ich von Skerunios aufgehalten.
Sein Gesicht war zornig und doch lächelte er leicht, jedoch boshaft und mörderisch. Er trug wie immer seinen weißen Anzug und war klapperdürr. Sein langes, weißes Haar fiel ihm über die Schultern und seine hellen Augen musterten mich abschätzig. Um es ein wenig sachte auszudrücken, der Typ nervte mich dermaßen, dass ich einfach keine Angst vor ihm haben konnte.
Der Sonnenenergie zu verdanken, schwang ich unmenschlich flink meinen Speer und machte Anstalten Skerunios aufzuspießen.
“Komm‘ schon, du Kotzbrocken. Wenn du dich schon so bescheuert direkt vor mir manifestierst, dann kämpfe wenigstens und glotz nicht so doof!“
Durch Angst verdrängte Aggressionen überschwemmten mich und quollen nun über.
Meine Worte bewirkten eine gewisse Verärgerung, die sich nun deutlich auf Skerunios‘ Gesicht zeigte. Viel lauter als nötig brüllte er mir mein Todesurteil entgegen.
“Du hast zwar hergefunden, doch durch deine ungehobelten, lächerlichen Beschimpfungen kommst du noch lange nicht zu meinem Sohn! Törichtes, kleines Kind! Ich werde dich vorher umbringen!“
Die Luft begann sich zu kräuseln und Skerunios wollte mich packen, doch ich bückte mich schnell unter seiner grabschenden Hand hinweg und rollte mich hinter ihn, den Speer immer zur Verteidigung in der richtigen Haltung. Bevor Skerunios mir etwas zufügen konnte, traf ihn eine große Kugel Sonnenenergie in die Brust. Heath schoss und schoss und traf immer wieder auf sein Ziel. Er wollte mir so Zeit verschaffen, was ich natürlich ausnützte.
Ich sprang auf und rannte zu Nontos, dessen Kopf auf seine Brust geklappt war.
Ich setzte mich vor ihn und betrachtete ihn prüfend. Sein kluges, schönes Gesicht war von der legendären Narbe und tausenden Kratzern und Wunden übersät. Dreck und getrocknetes Blut klebten überall und seine Kleidung war zerrissen und strotzte nur so vor Schmutz. Er tat mir unendlich Leid und ich war glücklich, möglicherweise noch rechtzeitig gekommen zu sein.
Ich beugte mich vorsichtig nach vorne und horchte auf seinen Atem. Er atmete ziemlich ungleichmäßig und schwerfällig. Ich sah auf sein Gesicht herab und mir zerbrach das Herz, als ich sah, dass die Haut grausam herausgerissen worden war. Ich war den Tränen nahe und wünschte mir nichts sehnlicher, als Nontos in den Armen zu halten, zu trösten.
Ich schob sanft seinen Kopf gegen den Stein, damit er gemütlicher saß und legte ihm die Hand auf sein pumpendes Herz. Er atmete so schwer und ich spürte, dass er um sein Bewusstsein kämpfte.
“R… a… v… e… n?“
Jeden Buchstaben mühsam herausgepresst, krächzte Nontos meinen Namen.
“Ja, Nontos, ich bin hier bei dir. Hab‘ keine Angst.“
Ich sagte dies mit so viel Zuversicht und Liebe, dass ich selbst überrascht war. Er öffnete seine Augen einen winzigen Millimeter, doch das reichte, um die hellen, wunderschönen, weißen Augen zu erkennen.
In diesem Moment, als sich unsere Blicke trafen und miteinander verschmolzen, zersprang diese Blockade in mir. Die Blockade, die mich daran gehindert hatte mit Merkon zusammenzukommen, die Blockade, die mir den richtigen Weg gewiesen hatte, wie ich nun feststellte.
Die Gefühle standen zwischen uns, wie zuvor bei Allegra, und es war nichts weiter außer unendlicher Dankbarkeit und leidenschaftlicher Liebe, die ich noch nicht wirklich verstand. Ich wusste nur, dass ich Nontos kannte, obwohl ich ihm nie begegnet war, und, dass wir füreinander bestimmt waren. Wie meine Mum und mein Dad. Nur, dass es bei uns kein unglückliches Ende geben würde. Ich hörte nur auf die Worte meines Herzens, denn es sprach nichts als die Wahrheit.
Ohne zu zögern zog ich Nontos‘ Kopf auf meinen Schoß und legte meine Hand über sein Gesicht. Ich schloss die Augen und genoss die Energie, die warm und kräftig in mir tobte. Ich stellte mir vor, wie sie durch meine Hand hindurchglitt und sich sanft und tröstend über Nontos‘ zerstörtes Gesicht legte, dann weiterwanderte, durch seinen Körper, sich um die Finsternis, die sein Vater dort eingepflanzt hatte, schloss und verschwinden ließ. Ich sah alles vor mir und schickte die Energie durch ihn hindurch. Nontos‘ stöhnte auf, als die Sonne seinen Körper erreichte und die gefährliche Schwärze suchte. Er schrie auf, als sie sich um das Stück Verderben schlang und es zerquetschte. Als ich mir vorstellte, wie die Energie langsam weiterfloss, zu ihrer rechtmäßigen Besitzerin, begann Nontos wieder normal zu atmen.
Ein unglaublich lautes, brüllendes Lachen ließ uns aufhorchen.
“Ihr dummen Kinder denkt natürlich wieder, ihr könntet einen alten, dürren Vater einfach austricksen? Dein Bruder Heath kämpft schon sehr gut, Raven. Leider nicht so gut, um euch die nötige Zeit zu verschaffen!“
Wieder ließ er sein dröhnendes Lachen erklingen. Jedoch kletterten schon weiße, unheilvolle Nebelschwaden aus der Erde empor, gefährlich wirkten sie zusehends, nur nicht gefährlich für uns. Diese Rachepeitschen waren allein für Skerunios bestimmt.
“So wie’s ausschaut bist du derjenige, der jetzt Panik haben sollte, Skerunios. Das Ritual ist schon beendet und ich glaube nicht, dass diese weißen Schlingen da um deine Beine sehr freundlich sein werden.“
Selbstgefällig grinste ich Skerunios ins mehr oder weniger geschockte Gesicht.
Zuerst war es Zorn, dann der mörderische Grinser und schlussendlich wahnsinnig große Angst, die er durch seine Monsterbrüller zu verstecken versuchte.
“Ihr dummen, kleinen Kinder! Ich werde euch umbringen, UMBRINGEN!“
Doch weiße Nebelfäden, die bereits aus seinem Mund quollen, ließen ihn verstummen.
“UMBRINGEN! IHR WERDET ES BEREUEN!“
In seiner Not brüllte Skerunios nutzlose Drohungen in die leicht benebelte Luft, ohne, dass es jemanden interessierte. Es machte ihn furchtbar wütend, das konnte ich spüren. Dem Aufkeuchen von Nontos nach zu urteilen, bemerkte er diese wütende Kraft genauso.
Anstatt sich endlich in Luft aufzulösen, drehte sich Skerunios auf dem Absatz um und sprintete, ja, es war tatsächlich sprinten, was der klapperdürre Mann da vollführte, zu meinem Bruder, der immer noch erschöpft und schutzlos auf der Erde lag.
“Das wird dir genauso wehtun wie der eigene Tod, Raven Sleet, GANZ GENAUSO!“
Bevor ich erahnen konnte, was er da vorhatte, musste ich mit ansehen, wie er, schon fast unsichtbar wegen des ganzen Nebels, beide Hände um Heath‘ Hals legte und blaue Energie heraufbeschwor. Sie legte sich, wie ein dicker Schal, um Heath‘ Hals und drückte zu. Mein Bruder konnte sich nicht rühren. Er war zu schwach und der Nebel schien ihn zu lähmen.
Erst jetzt ging mir alles auf. Das war nicht einfach nur Nebel, der sich an Skerunios rächen wollte, sondern Nebel der Geisterwelt! Sie holten Skerunios zurück und er hatte meinen Bruder mit hineingezogen.
Reflexartig warf ich meine Arme nach vorne, bereit, um einen Strahl Sonnenenergie durch die Nebelschwaden hindurchzuschleudern. Doch es geschah nichts. Die wärmende Sonne war nun wieder dort, wo sie hingehörte und meine eigenen Kräfte würden niemals ausreichen, um diesen Nebel zu teilen. Zudem würden sie mich zu Tode schwächen.
Ich sah alles nur noch durch einen Schleier der Trauer und des tiefen Schocks. Ich spürte Arme um meine Taille, ich hörte Worte, doch nichts konnte mich von dieser schrecklichen Szene, die sich mir darbot, ablenken. Meine Arme hielt ich nach wie vor von meinem Körper weggestreckt, in der Hoffnung, irgendetwas tun zu können.
Mit einem Mal waren Skerunios und mein Bruder fort und eine stumme Leere blieb zurück.
Ich kippte einfach nach vorne und wurde von irgendwelchen Armen sanft aufgefangen und in derselben Pose auf den Boden gelegt. Mich interessierte es nicht, wer meinen Fall gerade gebremst hatte, mich interessierte nicht, wie es meinen übrigen Freunden ging, ob sie tot oder lebendig waren, und mich interessierte nicht, ob ich wohl an dieser verdammten Leere sterben würde. Meine Mum und mein Bruder waren fortgegangen. Ich hatte niemanden mehr, außer mir selbst.
Unbekannte Hände strichen mir vorsichtig und tröstend über meine zerzausten, verschwitzten Haare. Jemand wollte mit gut gemeinten Worten zu mir durchdringen, doch ich blieb liegen und wartete auf die Tränen. Ich wollte weinen und den Schmerz von mir fließen lassen, aber dieser abgrundtiefe Schock und der Hass auf Skerunios und seine Leute, die mir meine Familie und so mein Leben genommen hatten, lähmte meinen gesamten Körper.
Die Hände strichen immer wieder beruhigend über meinen Kopf und ganz langsam kam die Erkenntnis zurück. Es war Nontos, der sich so um mich sorgte. Die seltsame Vertrautheit und diese Liebe zwischen uns ließ meinen Körper wieder reagieren und ich spürte die kitzelnde Nässe auf meinen Wangen, das Brennen in meinen Augen und die Wunde in meiner Seele, die versuchte sich zu schließen.
Nontos zog mich nach oben und hielt mich fest in seinen Armen. Ich schluchzte und zitterte, doch durch die sanfte Energie, die Nontos in meinen Körper sendete, verebbten die Tränen bald. Ich saß in seinen Armen und starrte auf die Wiese, betrachtete jeden Halm, jede Blüte, das kleinste Detail. Ich atmete tief ein und sog die kühle Nachtluft und mit ihr die Kraft der Erde ein. Trotz allem musste ich feststellen, dass es eine wunderbar klare, schöne Nacht war.
*
Wir waren den letzten Rest der Nacht so verharrt und hatten uns angeschwiegen. Es war eine tröstende Stille gewesen, doch als langsam die Morgensonne am Horizont erschien sagte Nontos etwas, was mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
“Heath ist nicht tot.“
“W… was? Aber was ist er denn dann? Skerunios hat ihn in die Geisterwelt mitgenommen!“
“Doch er hat ihn noch nicht getötet, das kann ich spüren. Er hat ihn lediglich mitgenommen und dort irgendwo abgesetzt. Vermutlich.“
Ich starrte Nontos entrüstet an, doch in seinen Augen las ich die Wahrheit.
“Was passiert mit ihm? Wie können wir ihm helfen?“
“Das Einzige, was ich über die Geisterwelt weiß, ist, dass Sterbliche, bzw. Völkerer nicht lange überleben, da sich Geister nicht ernähren müssen, Menschen dagegen schon. Heath war bewusstlos, als ihn mein Vater mitgenommen hatte, das wird die Sache wahrscheinlich erschweren. Wenn er länger als sechs Tage in der Geisterwelt festsitzt, wird er selbst zu einem dieser Wesen werden, ohne richtig gestorben zu sein. Wie wir ihm helfen können weiß ich nicht.“
Ich schwieg und dachte nach. Ich hatte sechs Tage Zeit, um Heath zu befreien, ansonsten würde er elendig verenden und vermutlich gleichzeitig auch noch wahnsinnig werden. Das würde ich noch weniger verkraften, als seinen Tod live mitzuerleben.
“Möglicherweise weiß Allegra etwas darüber…“
“Meine Schwester. Sie ist verschwunden, als die ganze Katastrophe begann. Ich habe sie seit dem nicht gesehen, demnach weiß ich nicht, ob sie es geschafft hat und lebt.“
Unendliche Trauer spiegelte sich in Nontos‘ sonst so strahlenden Augen wider.
“Sie lebt, Nontos. Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen und mit ihr geredet. Du wirst sie wiedersehen!“
Nontos‘ Gesicht erhellte sich schlagartig und in genau diesem Moment hörte ich Merkons aufgeregte Stimme.
Ich bemerkte, wie sich Gifiena, Merkon und Allegra neben uns manifestierten, doch ich blickte immer noch in Nontos‘ helle, funkelnde Augen. Ohne Worte sprach er tiefe Dankbarkeit aus und blickte ebenso intensiv zurück. Wieder schienen die Gefühle zwischen uns zu schweben. Dieses Mal war es nur Liebe, unzerstörbar und leidenschaftlich.
Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und riss mich von Nontos los.
“Raven! Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist! Du weißt gar nicht, WIE froh ich bin, Meeensch Mädel!“
“Lass‘ Raven doch erstmal zu Wort kommen, Merkon.“
Ich schaute nach oben und empfing Gifienas freundliches, erleichtertes Lächeln.
“Das ist schon okay. Ich finde es so toll, dass ihr alle wieder bei mir seid!“
Der Satz trieb mir die Tränen in die Augen und ich dankte Gott dafür, dass es allen meinen Freunden gut ging.
“Raven. Wie soll ich dir bloß danken? Als die Sonne wieder zu mir zurückkehrte, wusste ich, dass du es geschafft hattest. Ich bin dir so unendlich dankbar, dass du meinen Bruder gerettet hast.“
Allegra sah mich an und ihre Augen glänzten. Ich hatte noch nie eine Göttin weinen gesehen, deswegen war ich ziemlich überrascht und begriff erst Momente später, warum sie weinte. Wegen mir.
“Ich habe getan, was ich konnte und offensichtlich hat es ausgereicht. Ich bin dir aber auch dankbar, dass du meiner Mum damals deine Energie anvertraut hast. Ohne deine Sonne hätte ich es nie geschafft, Allegra.“
Unsere Blicke begegneten sich und sprachen für Freundschaft, Vertrauen und Dankbarkeit.
“Allegra! Meine Schwester!“
Nontos war blitzschnell aufgesprungen und war wie ein kleines Kind in Allegras ausgebreitete Arme gerast.
“Ich habe dich so lange nicht gesehen, ich wusste nicht, wie es dir geht, ob du lebst oder ob du dein Leben bereits gelassen hattest. Nichts, nichts, nichts.“
“Nontos, mein Bruder. Du hast mir so gefehlt, ich konnte dich nicht spüren, dir mental nichts senden, keine kräftigende Energie oder einfach nur meine Liebe zu dir. Ich war blind, ich konnte einfach nichts sehen.“
Ich spürte diese unzerstörbare Geschwisterliebe zwischen den beiden und konnte mühsam die Tränen unterdrücken. Wie gerufen kam Merkon herüber und schloss mich in seine Arme.
“Mensch Raven. Am liebsten würde ich dich nie wieder loslassen.“
Der Satz berührte mich, ja, aber nicht so sehr, wie es sich Merkon möglicherweise gewünscht hatte.
“Das ist lieb, aber mir ist ja nichts passiert… na ja, eigentlich schon…“
Merkon sah mir geschockt ins Gesicht, doch bevor er fragen und ich antworten konnte, berührte mich jemand an der Schulter.
“Raven, es ist so schön dich wieder wahrhaftig zu sehen!“
Gifiena umarmte mich und schickte mir zusätzlich ein wenig Erdenergie. Ich fühlte mich sofort etwas besser, doch was mit Heath passiert war, ließ sich nicht mehr rückgängig machen.
“Du siehst furchtbar aus, Raven! Es muss doch noch etwas passiert sein!“
Ich blickte Gifiena an und studierte ihre besorgten Gesichtszüge, die kleinen Fältchen um ihre Augen, die zeigten, dass sie nicht mehr die Allerjüngste war und natürlich ihre Augen selber. Ein klares, unglaublich helles Blau, was schon fast wieder weiß wirkte.
“Ich habe meine Mum verloren. Damit muss ich fertig werden, doch am gleichen Tag auch noch meinen Bruder zu verlieren, kann ich nicht verkraften, Gifiena.“
Meine Augen schwammen in Tränen und ich nahm verschwommen wahr, wie Gifiena sich die Hand vor den Mund schlug und zurücktaumelte. In einem Schwall aus Tränen verlor ich den Halt und fiel auf den Boden.
Sofort waren alle bei mir und versuchten mich zu trösten, doch das würden sie nicht schaffen. Von unsichtbarer Hand wurde ich plötzlich hochgezogen und gestärkt. Als ich aufschaute stand ich Allegra gegenüber.
Zuerst blickte sie mich besorgt und liebevoll an, doch dann wurde ihr Gesicht todernst und vielleicht auch etwas ängstlich.
“Nontos hat mir alles erzählt. Was deinem Bruder zugestoßen ist, muss Skerunios bezahlen. Wie, ist mir ganz egal. Doch was du wissen musst, ist, dass du nur mit der Kraft der Originale in die Geisterwelt gelangen kannst, da du ja selbst keines dieser Wesen verkörperst. Der einzige Ausweg ist, die Originale zu finden. Unsere Göttin, unsere Macht. Es mag unmöglich klingen, doch das muss noch nicht bedeuten, dass es tatsächlich unmöglich ist! Ich glaube, dass du sie finden kannst. Du bist etwas Besonderes, Raven, und die Originale hat zugesehen. Sie wird nicht zulassen, dass ein unschuldiger, lebendiger Halbvölkerer; so etwas Besonderes wie Heath; einfach in der Geisterwelt verendet. Dazu noch entführt von einem ehemaligen Himmelssohn! Natürlich wirst du nicht alleine gehen müssen, Nontos wird mit dir kommen. Das Band zwischen euch ist so wunderbar stark, dass es schon fast irreal wirkt. Die Leidenschaft und die Liebe zwischen euch, die Tatsache, dass ihr einfach füreinander bestimmt sein müsst, wird nötig sein, die Originale zu suchen. Es wird nicht leicht und garantiert nicht ungefährlich sein, doch es ist die einzige Lösung.“
Ich hatte jedes Wort in mich eingesogen und es Wirkung zeigen lassen. Ich war bereit und vollkommen sicher, dass ich, dass wir das schaffen konnten. Wir waren sehr stark und ich konnte endlich diese Leidenschaft verstehen.
“Ich werde mich mit Nontos auf den Weg machen. Wir sind gemeinsam stärker, als wir denken. Wir werden es schaffen, Allegra.“
Bevor Allegra antworten konnte, hörten wir Merkon knurren.
“Ich lasse Raven nicht allein! Ich gehe mit! Es ist mir egal, was für ein Band zwischen ihr und dem Himmelssohn besteht, ohne mich wird sie ebenso eingehen!“
Wütend funkelte er uns an und Zorn stieg in mir auf.
“Du stehst hier vor dem Himmelssohn und der Erdgöttin und benimmst dich wie ein kleines, ungezogenes Kind, Merkon! Ich dachte du hättest dich geändert.“
“Ich benehme mich nicht unangemessen! Ich hasse es nur, wenn irgendjemand Entscheidungen über meinen Kopf hinweg trifft!“
Eine starke Welle Sonnenenergie ließ uns verstummen und wir drehten uns zu Allegra um. Sie blickte Merkon direkt in die Augen. Enttäuschung und Traurigkeit schwebten vor ihr.
“Gerade von dir, Merkon, hatte ich Verständnis und Vernunft erwartet. Du bist ein starker Krieger und dienst mir schon seit Langem, doch zu einem ehrenhaften Krieger gehören auch Ruhe und Selbstbeherrschung. Bitte enttäusche mich nicht.“
Merkons Gesichtsausdruck blieb unverändert. Er antwortete auch nicht und ich bemerkte, wie wütend das Gifiena machte.
“Denk doch einmal an die anderen und hör‘ auf so unverschämt egoistisch zu sein, Merkon! Du stehst vor der Erdgöttin und benimmst dich sowas von ungehobelt, dass ich mich frage, wie viel Krieger noch in dir enthalten ist!“
Der Satz hatte gesessen und Merkon wendete sich nun vollends Gifiena zu.
“DU DENKST ICH WÄRE NUR EIN HALBER KRIEGER? ICH HABE RAVEN VOR DIESEM KOMISCHEN WESEN GERETTET UND ZWAR IN LETZTER SEKUNDE!“
Gifiena probierte es mit der clevereren Art und blieb vollkommen ruhig. Sie erhob nur ein wenig ihre Stimme.
“Wenn du dich so benimmst, denkt das vermutlich jeder von dir, Merkon. Ich weiß, dass du eifersüchtig bist und es tut mir Leid, dass es mit Raven und dir nicht funktioniert hat, doch denke einmal an Heath! Es geht um ihn, Merkon, nicht um dich oder Raven.“
Ich wusste, dass ihn Gifiena überzeugt hatte.
Merkon sah zu Boden und schwieg einen Moment, dann erwiderte er das Richtige.
“Ich glaube, ich merke selber gar nicht, wie ich mich benehme. Es tut mir Leid, Raven, ich habe nicht nachgedacht. Ich bin so verdammt egoistisch! Nontos und Allegra, ich bitte um Verzeihung, ich wollte mich niemals so benehmen. Ich akzeptiere die Tatsache, dass nur Nontos und Raven zusammen das Ziel erreichen können. Ich stehe hinter euch, egal, was kommt.“
Allegra lächelte ihn an und sendete ihm zum Dank einen Strahl Sonnenenergie. Nontos tat dasselbe mit seiner Energie und ich drückte kurz seine Hand. Irgendwie tat er mir Leid. Er machte so viel durch, das musste ihn seelisch total zerstört haben. Doch ihm würde es wieder besser gehen, das wusste ich.
Nachdem ich mich mit meinen Freunden ein wenig unterhalten hatte, lief ich in Richtung Wald und fand dort Nontos auf einem Felsen. Ich setzte mich vor ihn auf den Boden und blickte ihn an.
“Wir beide schaffen das, Raven. Du bist sehr stark und ich bin es auch.“
“Ja, ich bin mir durch und durch sicher, dass wir es schaffen werden.“
Nontos lächelte mich an und winkte mich näher zu sich.
Ich lehnte mich an sein Bein und konnte zum ersten Mal seit diesen schrecklichen Ereignissen endlich wieder so etwas wie Glück verspüren. Vermutlich lag es auch daran, dass ich bei Nontos saß. Da schwebte wieder diese Liebe zwischen uns und ich ließ zu, dass sie in mich überging. So komisch es auch klang, wir gehörten zusammen. Es war schon immer so gewesen und ich hatte es nie bemerkt. Die ganzen Visionen von Nontos, die Hilferufe, ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, warum es genau in meinem Kopf ankam und nicht in Heath‘. Nun kam dazu, dass ich ihn befreit hatte und das verband uns umso mehr.
Völlig in Gedanken versunken, war ich anscheinend seitlich an Nontos‘ Bein vorbeigerutscht und lag nun im weichen Gras. Der Himmel hatte einen zarten Rosaton und mir wurde bewusst, dass schon wieder ein Tag vergangen war.
Mit einem Mal war plötzlich Nontos über mir und sah mir so intensiv und direkt in die Augen, dass es mir den Atem verschlug. Er brauchte es nicht aussprechen, ich wusste auch so, dass er mir soeben seine Liebe gestanden hatte. Seine Hand an meiner Taille brannte Löcher in meine Haut. So fühlte es sich zumindest an und ohne zu wissen, was ich tat, hob ich meinen Arm und vergrub meine Hand in seinen Haaren. Wir starrten uns immer noch an und die Leidenschaft loderte wie eine Stichflamme zwischen uns auf. Nontos beugte sich weiter zu mir herunter und der Griff um meine Taille verstärkte sich. Mit der anderen Hand strich er mir über die Wange und hinterließ ein Flammenmeer aus Mondenergie und Liebe.
Sein Mund näherte sich meinem und fand schließlich sein Ziel. Alles um mich herum verschwand und ich konzentrierte mich nur auf die wallende Liebe zwischen uns. Der Kuss enthielt alles, was ich fühlte und was ich erlebt hatte. Meine Hand vergrub sich tiefer in seinen Haaren und seine Lippen, die zuvor noch sanft über meine hinweggestrichen waren, versuchten sich nun mit meinen zu vereinen. Ich öffnete leicht den Mund und gab mich dem Kuss hin. Ich erwiderte ihn, wie ich noch nie einen Kuss erwidert hatte und ließ die Leidenschaft zwischen uns stärker werden. Mond- und Erdenergie vermischten sich und unsere unterschiedlichen Gemüter wurden eins. Sie wuchsen zusammen, zu einer unzerstörbaren, leidenschaftlichen Liebe. Ein einziger Kuss vereinte mich und Nontos.
Durch einen Kuss erwachte in mir eine andere Seite, stark und mächtig, und ich konnte spüren, dass Heath lebte.
Jetzt ist es zu Ende, joo, nicht traurig sein, Leute, es wird eine Fortsetzung geben! Sie wird
Ja, ihr könnt euch denken, dass das noch nicht alles war, was ich loswerden möchte...
Dafür, dass ihr immer so treu mitgelesen und kommentiert habt...
Für das viele, tolle Lob, was mich immer wieder gefreut hat und mich schlussendlich ja auch angetrieben hat weiterzuschreiben
Für die Kritik (ja, es war auch Kritik dabei xD) will ich mich auch bedanken und natürlich für eure Unterstützung und die manchen netten Gespräche hier im Post, wenn es gerade mal nicht weiterging
.
Ich hoffe, dass es euch gefallen hat und dass das nun ein angemessenes Finale war ;D
Vielleicht folgt mir ja der Ein oder Andere in den zweiten Teil der Story. Ich würde mich auf jeden Fall sehr darüber freuen
Natürlich kann hier immer noch gepostet werden und schließen möchte ich ihn auch nicht, weil ja immer noch neue Leser dazukommen könnten