Das Erinnern an solch wichtige Ereignisse sollte für die Allgemeinheit immer den Aspekt der Verarbeitung des Geschehens und das Lernen daraus für die Zukunft in sich tragen. Bei Angehörigen kommt natürlich noch die Trauer hinzu.
Unter Verarbeitung verstehe ich, dass man sich keiner unbedachten Emotionen hingibt, sondern nüchtern das Ereignis betrachtet: Die Tat von Verbrechern und nicht die Tat von Moslems, Bartträgern, Kopftuchmädchen, Verschwörer oder sonstiger Feindbilder, die man sich im Laufe der Zeit zurecht gelegt hat. Zugleich sollte man sich bewusst werden, dass gegen solche Verbrecher keine noch so großen Sicherheitsvorkehrungen helfen werden. Deshalb noch einmal: Wer auf Kosten seiner Sicherheit seine Freiheit hergibt, wird beides verlieren.
Aus solchen Geschehnissen lernen heißt damit nicht zu versuchen mit Kontrollen sie verhindern zu wollen, dass wäre so, als stelle man in seinen feuchten Keller Entfeuchter auf. Sinnvoller ist es das Fundament des Kellers trocken zu legen, sprich die Armut und die Unterdrückung (nicht nur) in den arabischen Staaten zu bekämpfen. Dabei müsste man sein koloniales Gebaren und sein vermeintliches Sendungsbewusstsein eine bessere Kultur zu besitzen und diese verbreiten zu müssen aufgeben.
Einen der wenigen sinnvollen Beiträge an diesem Tag des Gedenkens scheint mir Kardinal Reinhard Marx beim Weltfriedenstreffen der Gemeinschaft Sant'Egidio beigetragen zu haben, wenn er sagt: «9/11 ist zehn Jahre danach auch ein Auftrag, eine Sendung, sich nicht der Logik der Rache, der Gewalt und der Feindschaft zu unterwerfen, sondern sich tapfer und mit langem Atem für Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen». Weiterhin erklärt er, dass es keinen Gott irgendeiner Religion gibt, der Andersgläubige zu töten verlangt und dass sich kein Verbrecher hinter solche religiösen Argumente verstecken kann.
Dieses Einsetzen für Frieden und gegen Gewalt machen nicht nur "die da oben". Es sind auch wir, wenn wir dem Nächsten gegenüber vorurteilsfrei und tolerant sind. Wenn wir unsere Angst vor Fremdem und vor Verlust unseres Status quo ablegen, wenn wir Weltbürger werden.