Kapitel 1
23. Mai - oder die, in der das Desaster seinen Anfang nimmt
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Der Tag war ja nicht antsrengend genug gewesen. Wenn ich
gewusst hätte, dass meine Schwester Em sich so auf meinen
Deal versteift, hätte ich dieses dämliche 17 Männer in 12 Monaten
nie ausgesprochen! Ich bin zu müde für sowas!
Allerdings vergeht mir bei solchen Aussichten doch glatt der
Apetitt! Ich weiß, es ist nett und so, dass ich hier im
Chalet von Joe und Caroline wohnen darf (und billiger)
aber immer dieses offensichtliche Liebe in der Luft erzeugt
dann doch ein paar reflex-artige Übelkeitswallungen.
Um dem zu entfliehen, setzte ich mich wie jeden Abend,
gefrustet an den Computer. Und sehe schockierende
Worte auf meiner Pinnwand!!!
Ich will mir gefälligst selbst überlegen wie ich an den
Mann komme...
Ich hatte noch nicht einmal Zeit den Computer auszuschalten,
als das Telefon auch schon klingelte.
"Na los," plapperte es direkt am anderen Ende der Leitung.
"Schnapp dir deinen Geldbeutel und los gehts... keine Klamotten
sind keine Ausrede. Und gekniffen wird nicht! Schließlich wollen wir
alle, dass du endlich an den Mann kommst und aufhörst uns die
Ohren vollzujammern. Zieh dich an, in 30 Minuten vor dem
Mega-Store! Sonst komm ich persönlich vorbei!"
So, oder zumindest so ähnlich war die Botschaft meiner Schwester.
Manchmal denke ich, dass alle anderen Dinge die ich nur mal so eben
im Jux sage, viel zu ernst nehmen. Filtern! Ich muss anfangen
meine Worte mit Bedacht auszusprechen - sonst lande ich irgendwann
noch einmal wer weiß wo...
Die erste große Diskussion startete ja schon am Eingang, bevor wir
den Laden überhaupt betreten hatten. Kleid - oder Jeans.
Ich bevorzuge die bequeme Variante, Hosen, die kann mir so ein
Busch- und Hecken-Vergewaltiger nicht so schnell vom Leib reißen.
Aber von meiner Schwester kam nur ein Geräusch, dass wie ein pff
klang und die Frage was ich tragen sollte war für sie geklärt.
Na schön, dir zeig ich's! Da hinten ist die Oma-Ecke, die schönsten
Modelle werde ich dir um die Ohren hauen, grrr...
Das erste, herrlich, sackförmige, lila-geblümte Teil erspäht.
Doch der teuflische Blick, den ich einkassierte, ließ mich in meiner
fiesen Attacke erstarren. Was macht Emme nur, dass ich mich
ständig wie ein kleiner Hund an die Leine nehmen lasse???
Selbstbewusstsein - Selbstvertrauen, hallo? Seid ihr noch da?
Doch während Em sich durch die Kleider wühlte, packte ich mir ganz
heimlich eine Jeans, die mir eigentlich ganz gut gefiel und tigerte
zur Umkleidekabine.
Ich wollte mich gerade wieder heimlich zurückschleichen, mit
der festen Absicht diese Hose zu kaufen, als hinter mir die Richterstimme
sprach: "Darin hast du einen Ars*** wie ein Pferd. Leg die weg und
probier das hier mal an. Und hör auf, dich aufzuführen als wärst du 13!"
Des lieben Frieden willens versuchte ich mir das Schmollen zu
unterdrücken, stieg in alle vierzigtausend Kleidchen und ließ Emme
am Ende entscheiden welches davon es werden sollte.
Es war ok - also eigentlich gefiel es mir sogar etwas.
Na schön, das war DAS Outfit schlechthin, wenn ich damit
niemanden aufreißen würde, dann wäre die Eiszeit auf dieser Welt
ausgebrochen. Manchmal sind kleine Schwestern ja doch ganz hilfreich...
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24. Mai
Ich muss gestehen, als ich das noch- Domizil meiner Schwester verließ,
war ich ein kleines bisschen neidisch. Meine 16-jährige Nichte hatte
mir sooo viel mehr vorraus als ich. Na gut, dass ist kein Wunder,
als kleines Starlett sind ihre Chancen auf die ganz großen Fische im
Teich natürlich größer, ich frage mich, wann sie mal mit dem George
nach Hause kommt. Jedenfalls musste ich bei so viel Liebe
einfach nur seufzen und verabschiedete mich deshalb schnell...
Ich glaube die Worte Haare, Make-up und Hämorrhidensalbe sind
gefallen, bevor die Tür hinter mir zuschlug.
Ich wusste genau, was für einen Abend Anny haben würde...
Liebe hier...
... Händchen halten ...
... und die große Knutscherei da...

Ich will auch!
Memo an mich selbst: Wenn nur einer heute Abend da ist, der dir
auch nur annähernd gefällt - Erlaubnis zum Knutschen!
Ok, ich muss gestehen, mein Gehirn funktioniert schneller als meine Beine.
Während der Einsatzbefehl schon längst geordert war, schienen die
Untergebenen noch im Bett zu liegen und zu schlafen... sprich:
meine Beine weigerten sich, den Raum zu betreten. Ich wollte gerade
auf dem Absatz kehrt machen, als ich Gelächter hörte.
Na wenn sowas nicht neugierig macht?
Ich hatte gerade meine Anmeldedaten abgegeben, als wir auch schon
gebeten wurden Platz zu nehmen. Der komische Kautz mit dem
asymmetrischen Haarschnitt deutete auf einen freien Platz, zu
dem ich mich dann auch aufmachte...
Die Regeln sind ganz einfach, schnorrte er auch schon los.
Jeder von euch hat 3 Minuten Zeit sich vorzustellen und gleichzeitig
dem anderen Fragen zu stellen. Nach genau 6 Minuten werde ich
dieses kleine Glöckchen läuten, dann rutschen die Damen einen
Platz nach rechts auf. Am Ende des Abends habt ihr alle die
Möglichkeit bei mir einen Zettel zu hinterlassen mit dem Namen
des Gesprächspartners, von dem ihr euch die große Liebe
erhofft. Und glaubt mir, jedes Mal war Speed Dating in dieser
kleinen Bar der Grundstein für eine Ehe. Wenn es wohl dieses
Mal treffen mag?
Jetzt bekam ich Schweißausbrüche. Ich will doch nicht heiraten!
Also, nicht sofort zumindest. Warum diese Erwartungshaltung?
Ich dachte wir sind hier um Spaß zu haben? Emme!!!
"Hey, ich bin Benjamin. Aber alle meine Freunde nennen mich Benny.
Wenn du willst, also, ich meine, das ist kürzer und so."
Aaaahhhh
jetzt nicht die Nerven verlieren...
"Hallo Benjamin." Der Kerl geht doch noch zur Schule!
"Ähm,"
betretenes Schweigen.
"Willst du mir nicht deinen Namen verraten?"
erneute Schwitzattacke
"Wilma"
Seine Augen sprachen Bände
"Oh, was für ein, äh, exotischer Name, Wilma. Schön dich
kennenzulernen. Also, ich bin 20, ich studiere Philosophie und ich
gehe gerne surfen. Natürlich treffe ich mich auch gerne
mit meinen Freunden, wir grillen dann, schauen Fussball und so. Und du?"
"Nun ja, ähm, also ich arbeite in einem großen Labor, kuschel gerne
mit meinen Vogelspinnen, bin 14 Jahre älter als du und nicht interessiert."
"Hey, hey, nicht so ablehnend! Ich bin wirklich nett, weißt du...
und dann kam der Hammer!
... und ich steh auf ältere Mamas, ehrlich!"
Ding, ding, ding
Erlöst aus der Gefangenschaft eines potentiellen Bewohners
der Lavender Hills Sanatory Houses wankte ich zum nächsten
Stuhl und hoffte nur, dass die nächste an Bennys Tisch etwas mehr
Grips hatte als er, sonst wäre sie verloren.
Ich hasse Speed Dating!
"Hey, ich bin Pete - und du bist nicht rothaarig.
Sorry, dann kommst du für mich leider nicht in Frage."
"Na das nenne ich mal offene Ehrlichkeit! Danke,
ich bin Rose - und du hättest mir gefallen können.
Eigentlich mag ich Männer die ehrlich sind, aber siehst du den da?"
Ich zeigte auf Benjamin, der versunken war in die Augen einer sehr
sportlichen Frau, leider keine Mama.
"Nur der da, der muss mal lernen was Anstand ist... und ist er nicht
viel zu jung für's daten? Ich meine, komm schon, er geht noch
in den Kindergarten."
Mein Gegenüber kicherte. Schön, langsam begann ich mich zu
entspannen. Es könnte ja doch ein ganz lustiger Abend werden.
"Also, wenn es eh nichts aus uns wird, erzähl doch was von dir," schlug ich vor.
"Ich will gerne heiraten. Ehrlich. Und ich hoffe, dass dieser Abend der
meinige ist, und ich mit der Braut nach Hause gehen werde, die für
mich bestimmt ist."
Wie süß - was für ein naiver Dümmling. Jeder weiß doch, dass
Speed Dating nicht das Tor zur Ehe ist...
"Oh, das klingt echt schön. Ich wünsche dir viel Glück."
"Und weißt du, ich weiß auch genau wie ich meine Hochzeit haben will..."
und ehe ich mich versah, wurde ich über seine botanische Hochzeit
aufgeklärt. Schnarch, bitte lieber Gott, es muss doch noch etwas
besser werden...
Ding, ding, ding
"Hey, mein Name ist Odysseus, ich bin Manager eines gutgehenden
ähm, Unternehmens und lebe in einer WG mit drei Freundinnen, ähm,
also mit so, du weißt schon..." begrüßte mich der nächste.
"DING, DING, DING, DING..."
Tut mir Leid, aber das war das einzige das ich rausbrachte.
Alle sahen mich entsetzt an.
"Was denn, es hat geläutet, weiter gehts..."
die nächste Dame schubste ich fast vom Stuhl.
"So? Du weißt also wie das Spiel hier funktioniert, Glückwunsch!"
Mein Herz klopfte noch etwas, aber ich fühlte mich geschmeichelt.
"Ja, manchmal muss man einfach tun, was man für richtig hält."
"Und Dinge vorüber ziehen lassen, die nicht passen."
"Genau. Hey, ich bin Rose."
"Freut mich sehr, Rose. Ich bin Steven."
"So, du kommst also öfter?"
Steven nickte.
"Ja, es ist immer wieder spannend zu sehen, wer sich mal
traut etwas verrücktes zu wagen. Und vor allem, mit welcher
Maskerade man hier so aufkreuzt.
Ich bin Architekt, eher zurückhaltend, wirke manchmal etwas kühl,
bin aber sehr kreativ."
"Oh, das klingt doch gut."
"Maskerade." Er lächelte.
"Jetzt du."
"Ähm, ok. Ich bin Geschäftsfrau, shopping-süchtig, liebe Prosecco-
Frühstücke und habe 200 Paar Schuhe."
"Quatsch - glaubt dir niemand. Nochmal."
Steven lehnte sich zurück und wartete gespannt.
Steht der auf Rollenspiele oder so?
"Ähm - na gut. Bankkauffrau, lese gerne Krimis, sag schon mal
wo es lang gehen soll und kann mit Kitsch-Romantik nichts anfangen."
"Sehr gut, das glaube ich dir sofort."
Und plötzlich fing er an, mit seinen Füßen an meinem Bein entlang
zu fahren. Leider hatte er nur vergessen, den Schuh vorher auszuziehen.
Ich zog meine Beine tiefer unter den Stuhl.
"Ähm, entschuldige bitte,"
"Komm schon, du willst es doch auch."
Ding, Ding, Ding
und dann kam Marc.
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Tut mir Leid, dass es etwas länger gedauert hat.
Umzugsbedingt ohne Internet

Ganz schön blöd sowas...