Kapitel 013 – Ein teurer Abend
„Gehst du aus?“ Jana musterte ihre beste Freundin, die sich chic gemacht hatte, erstaunt.
„Ja“, murmelte Nadine, während ihr Blick nervös vom Spiegel zum Fenster und wieder zurück zum Spiegel wanderte.
„Und mit wem? Wenn ich fragen darf“, da lag etwas vorwurfsvolles in Janas Stimme und Nadine wusste auch genau wieso.
„Kennst du nicht“, sagte Nadine schnell.
„Ah ja..? Und was ist mit Chris?“
Nadine atmete tief ein. Das musste ja kommen.
„Du hast doch selbst gesagt, ich soll schauen, dass es mir besser geht, und nicht die ganze Zeit an ihn denken“, rechtfertigte sie sich.
„Ja schon, aber das heisst doch nicht, dass du dir gleich 'nen anderen suchen sollst!“, entgegnete die Inderin aufgebracht.
„Hey! Komm mal wieder runter! Es geht dich eigentlich nichts an, mit wem ich ausgehe“, beschwichtigte Nadine ihre Mitbewohnerin genervt.
„Na schön! Mach doch, was du willst“, schnaubte diese, bevor sie beleidigt schwieg.
Nadine war es sich gewöhnt, dass ihre beste Freundin sich schnell aufregte, doch normalerweise ging diese Wut nicht gegen sie.
Von draussen hörte man einen Motor näher kommen, dann hielt ein nicht gerade billig aussehender Wagen vor dem Haus und Jana drängte sich ans Fester.
„Wow!“, staunte sie. Nadine nutzte diese Ablenkung, um sich unbemerkt zur Haustüre zu schleichen. Doch als sie hinausging stürmte ihr Jana hinterher.
„Der Arzt! Das ist der Arzt, der dich im Krankenhaus untersucht hat!“, sagte Jana, während sie ihren Blick nicht von Luca, der ausgestiegen war, abwendete.
Nadine ignorierte sie mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen und ging die Stufen der Veranda hinunter.
Doch Jana packte ihre Freundin an den Schultern und wirbelte sie zu sich herum.
„Süsse, bitte mach nichts falsches! Ich weiss, es geht mich nichts an, aber überlege doch mal. Denke an Chris, deine grosse Liebe!“, raunte die Inderin Nadine zu.
„Chris? Oh mein Gott, wie konnte ich den nur vergessen?“, entgegnete Nadine ironisch und lachte laut, als hätte Jana gerade einen Witz erzählt, „Ach ja, ich weiss wieso: Der ist ja nicht da und dreht lieber einen Film als bei mir, seiner Freundin, zu sein!“
Janas Finger, die immer noch Nadines linken Arm festhielten, krallten sich fester und ihr Blick verengte sich.
„Dann sag ihm doch, er solle kommen! Anstatt ihm immer zu erzählen, dir gehe es gut! Verdammt Nadine! Chris liebt dich, das weisst du genau. Und wenn es so einfach wäre, wäre er schon längst bei dir. Wach doch mal auf! Das Leben ist nun mal nicht so einfach, wenn man Job und Freundin darin unterbringen muss. Und wenn du damit nicht umgehen kannst, dann mach eben Schluss, aber betrüge ihn nicht einfach mit irgendeinem reichen Oberarzt! Das passt doch gar nicht zu dir.“
Nadine verging plötzlich das Lachen. Konnte es wirklich sein, dass sie gar nicht das Opfer war, sondern dass sie diejenige war, die drauf und dran war, ihre Beziehung mit Chris zu zerstören? Jana hatte recht, es war nicht richtig, was sie tat. Schnell drehte sie sich zu Luca, um zu sehen, ob er etwas von Janas Worten mitbekommen hatte, doch er lehnte bloss gelangweilt an seinem Wagen.
„Es läuft nichts zwischen uns, okay? Das ist rein freundschaftlich.“ Nadine war nicht sicher, ob sie dies Jana oder sich selbst einreden wollte. Was waren schon diese paar Küsse? Das war die Rache für Chris und sie hatten sich vielleicht gut angefühlt, aber sie bedeuteten nichts!
„Und sieht er das auch so?“, wollte Jana wissen.
Nadine musste an Lucas enttäuschten Blick denken, als sie ihn im Krankenhaus hatte abblitzen lassen, und an sein strahlendes Lächeln, als sie eingewilligt hatte, mit ihm Essen zu gehen. Nein, er wollte mehr von ihr, das war klar.
„Natürlich!“, log Nadine. Luca schaute nun ungeduldig zu ihnen herüber. „Kann ich jetzt gehen?“
Jana nickte langsam, während sie Luca einen finsteren Blick zuwarf. Nadine riss sich von ihren krallenden Fingern los und lief zu Luca.
„Alles in Ordnung?“, fragte er, als sie bei ihm ankam.
„Klar! Lass uns gehen.“ Sie mühte sich ein Lächeln ab.
„Okay. Du siehst übrigens bezaubernd aus.“
„Danke. Du hast dich aber auch toll in Schale geworfen.“
Sie wollten gerade ins Auto steigen, als plötzlich Janas Stimme zu ihnen hinüberhallte: „Hey Arzt, dein Date hat übrigens einen Freund!“
Luca sah erst verwirrt zu Jana und dann zu Nadine. Diese schüttelte bloss den Kopf und stieg ins Auto.
„Danke für die Information, aber das weiss ich schon!“, rief Luca zurück, bevor er sich ebenfalls ins Auto setzte.
Als sie davon fuhren, drehte sich Nadine nochmals um und sah, wie Jana ihnen noch kurz grimmig hinterherfunkelte und dann wütend ins Haus zurückstapfte.
Und sie hat recht!, sagte sich Nadine und wäre am liebsten wieder ausgestiegen und ihr nachgerannt. Aber das tat sie nicht.
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Nadine war noch nie in diesem Restaurant gewesen, in das Luca sie brachte. Es war sehr nobel. Überall mit Gold und samtigem Rot verziert. Riesige Sträusse von roten Rosen standen herum. Nadine fand, dass viel zu dick aufgetragen wurde, und sie fühlte sich völlig fehl am Platz. Ein in Anzug gekleideter Kellner brachte sie zu einem Tisch, der ebenfalls mit roten Rosen geschmückt war. Ihr wurde sogar der Stuhl zurechtgerückt.
„Ich habe schon bei der Reservation für uns bestellt: Das Hirschfilet“, sagte Luca.
Er hatte schon bestellt? Hirschfilet? Nadines Magen drehte sich mal wieder um.
„Ich bin Vegetarierin“, erklärte sie knapp, als Luca sie enttäuscht anschaute, da ihre ihm erhoffte Begeisterung über das Hirschfilet, ausblieb.
„Oh tja..ähm.. das wusste ich nicht. Tut mir leid“, entschuldigte er sich verlegen und rief den Kellner schnell wieder zu sich, um die Bestellung zu ändern.
Nadine wollte aufstehen und davonrennen. Was tat sie hier eigentlich? Sie passte nicht in diese Welt. Doch jetzt konnte sie nicht einfach gehen. Das war Luca gegenüber nicht gerecht. Was konnte er denn dafür, dass sie schon vergeben war? Oder dass sie ihn, einen bis vor kurzem noch völlig Unbekannten, küsste, obschon das nicht zu den Dingen gehörte, die sie normalerweise tat?
„Bist du jetzt wütend?“, fragte Luca besorgt, als er Nadines gequältes Gesicht bemerkte.
„Ich? Wütend? Aber wieso denn?“
„Na wegen dem Hirschfilet.“
„Nein bestimmt nicht. Du konntest ja wirklich nicht wissen, dass ich kein Fleisch esse.“
„Okay.“ Er seufzte erleichtert. „Ich dachte nur, weil du so unzufrieden geschaut hast.“
„Ach das.. ich habe nur.. ähm.. an meinen Freund, Chris, gedacht.“ Es war die erste mögliche Erklärung, die ihr in den Sinn kam, und auch nicht ganz falsch.
„Du musst dich seinetwegen nicht schlecht fühlen, Nadine. Es ist seine Schuld, dass er nicht hier ist.“ Sie wollte ihm gerne glauben, sich nicht mehr schuldig fühlen und den Abend geniessen.
Luca griff nach ihrer Hand und hielt sie fest.
Anstelle des Hirschfilets wurde ein Ratatouille serviert. Es schmeckte gut, aber nicht ausgezeichnet, und die Portion war ziemlich klein. Aber Luca zuliebe tat Nadine, als hätte sie schon lange nicht mehr so gut zu Abend gegessen.
Zum Dessert gab es einen wunderschön angerichteter, aber leider ziemlich überzuckerter, Limettenkuchen.
Nadine wollte gar nicht wissen, wie teuer dieser Abend für Luca gekommen war, und sie hatte das Gefühl sich irgendwie revanchieren zu müssen. Wahrscheinlich war das der Grund, wieso sie, sobald sie zurück im Auto waren, sich zu ihm herüberlehnte und ihn küsste.
„Danke für den schönen Abend“, flüssterte sie, als sich ihre Lippen wieder trennten.
„Für dich doch immer“, erwiderte er und zog sie wieder an sich.
Es kam Nadine ewig vor, wie sie eng umschlungen in Lucas teurem Wagen sassen und rumschmusten.
Sie fühlte sich die ganze darauffolgende Fahrt über wie betäubt. Einerseits des Italieners magischen Küssen wegen und andererseits, weil ihr schlechtes Gewissen sie nun kaum noch atmen liess.
Als Luca vor Nadines Haus den Motor ausstellte und mit ihr aussteigen wollte, hielt Nadine ihn auf: „Nein, du brauchst mich nicht zu begleiten. Sonst macht Jana wieder einen Aufstand.“
„Wie du willst.“ Zum Abschied drückte er ihr nochmals einen Schmatzer auf den Mund. Dann stieg sie aus.
Gerade nachdem sie die Autotür hinter sich geschlossen hatte, fiel Nadine noch etwas ein. Sie klopfte an die Scheibe und er liess sie herunter.
„Ach ja Luca, was ist eigentlich mit den Ergebnissen meiner Untersuchungen?“
Ein dunkler Schatten huschte über Lucas Gesicht.
„Tut mir leid, jetzt mit Medizinischem zu kommen, aber ich würde schon gerne wissen, was mit mir los ist.“
„Schon gut. Ich bring dir deine Krankenakte morgen vorbei“, sagte der Arzt in einem sachlichen Tonfall.
„Ich kann sie auch abholen“, bot Nadine an.
„Wie du willst“, sagte er wieder. Seine Stimme hörte sich irgendwie merkwürdig an. „Gute Nacht, Nadine.“
„Gute..“ Doch Nadine kam nicht mehr dazu, ihren Satz zu beenden, den Lucas Wagen rollte mit einem laut aufheulenden Motor und aufwirbelndem Staub davon.
Was hatte diese Reaktion zu bedeuten? Nadine fragte sich beunruhigt, ob alles mit ihren Untersuchungsergebnissen in Ordnung sei.
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Wünsche euch allen noch einen guten Wochenstart morgen
