Antwort
Hi!
Ich kann das ja gut verstehen, dass wenn ein Mensch nur noch leidet, er gerne sterben möchte. In dem Moment denk ich dann vielleicht auch, das die Sterbehilfe gut wäre. Aber ich finde das ihr das ganze etwas ZU sehr positiv seht.
Und noch mal um Wunscherfüllen: Ich finde das klingt so, als ob man demjenigen einen Apfel reichen soll, hier geht es doch um viel mehr!
Ich würde lieber ''normal'' sterben, mit noch so vielen schmerzen. Ich finde man sollte sein Leben selbst, durch eigenen Tot beenden und nicht durch ''nachhelfen''. Ich finde das (aus meiner Sicht) unwürdig.
Hier ist ein reinkopierter Text, er ist sehr neutral. Er ist zwar etwas lang, aber lesenswert:
Das Recht auf Leben und die Sterbehilfe
Je näher der Tod,
desto heikler das Leben
Mitte April 2001 verrechtet der niederländische Gesetzgeber eine - so der "Spiegel" - "Praxis, die in den Niederlanden schon seit Jahren üblich ist". Der benachbarte Staat stellt die "Tötung auf Verlangen" unter bestimmten Umständen von der Strafverfolgung frei. Das Gesetz und die Debatte darüber liefern einige Auskünfte darüber, warum Kranksein und Sterben im Kapitalismus ein nicht nur ethisch "hochsensibler Bereich" ist.
Um mit einem Beispiel anzufangen: Ein Schwerkranker, ohne Chance auf Heilung, hat nur noch einen unerfreulichen Weg zum absehbaren Ableben vor sich; seines Leidens müde, will er sich mit einem Arzt über die Abkürzung dieses Weges ins Benehmen setzen. Aber hier fängt die Schwierigkeit an. Es ist keineswegs der Entscheidung des Kranken überlassen, seinen Todeszeitpunkt selbst zu bestimmen und sich die verbleibende Zeit so aushaltbar wie möglich machen zu lassen. Das gilt ebenso für die gar nicht so seltenen Fällen, bei denen das Bewusstsein des todkranken Patienten teilweise oder ganz getrübt ist und der Arzt oder die Angehörigen nur über den Willen des Todkranken mutmaßen können. Im einen wie im anderen Fall sieht die rechtsetzende Obrigkeit nicht nur den wirklich betroffenen Kranken, sondern vor allem sich betroffen: Sie betrachtet nämlich das Leben, das so unschön sein mag wie es will, als schützenswertes Rechtsgut. Damit gibt die demokratische Herrschaft hochoffiziell kund, dass die physische Existenz ihrer Untertanen nicht deren Sache, sondern staatliches Eigentum ist. Sehr prinzipiell stellt die Staatsmacht klar, dass es in deren Lebenslauf nur einen einzigen wirklichen Herrn über Leben und Tod gibt: den Staat, der das Recht auf Leben so großzügig spendiert. Noch lange bevor seine Bürger wissen, wie sie heißen, und buchstäblich bis zu ihrem letzten Atemzug beansprucht er das alleinige Verfügungsrecht über deren Existenz. Indem die Staatsgewalt den "Schutz des Lebens" in ihr Grundgesetz schreibt, verdonnert sie alle ihre Staatsangehörigen, ,, leben zu müssen". Und dieses Prinzip gilt auch für sterbensmüde Alte und Kranke: Sie sind und bleiben Teile des Volkskörpers und ihr "Recht auf Leben" liegt in der Hand des Staates.
Deswegen machen sich die Betroffenen oder die am hoffungslos Altwerden und Sterben Beteiligten leicht des Missbrauchs verdächtig: Wenn sie einfach nach ihren eigenen Interessen oder bloß nach eigenem Ermessen Hand an sich oder an andere legen, sind das aus Sicht des Staates lauter nichtige Anlässe und fragwürdige Motive fürs Sterben oder für die Unterstützung dabei. Also stellt der Staat mit seinen Vorschriften klar: In das heilige Recht auf die Entscheidung über das Leben und Lebensende seiner Untertanen lässt er sich von niemandem reinpfuschen.
Mit welcher Methode dem Recht auf Leben noch bis zum letzten Atemzug Geltung verschafft wird, nur darin unterscheiden sich die nationalen Gesetzgeber etwa in Deutschland oder den Niederlanden. Das deutsche Recht hält für den bewussten Abschluss der "Sterbebegleitung", für die schon die Ärzteschaft einen ganzen Verhaltenskanon erlassen hat, zumindest bis auf weiteres die Rechtsfigur einer Grauzone bereit: Absichtlich lebensverkürzende Maßnahmen sind ohne wie mit Einverständnis des Betroffenen eigentlich gar nicht erlaubt; und wo der Unterschied von "passiver" und "aktiver Sterbehilfe", Totschlag, Beihilfe zum Selbstmord und unterlassener Hilfeleistung genau liegt, wird von den Gerichten verschieden ausgelegt. Das reicht allemal, um alle Beteiligten unter Einschluss des Sterbenden noch in heftige Gewissensnöte zu stürzen. So stellt der Staat in einem schwer kontrollierbaren Grenzbereich des Gesundheitswesens mit seinen hohen "Dunkelziffern" sicher, dass der Übergang von der "sinnlosen Lebensverlängerung" zur "problematischen Lebensverkürzung" nicht leichtfertig und womöglich nach selbstgestrickten Gesichtspunkten vollzogen wird.
Die niederländische Regierung hat nun diese Grauzone ein Stück weit außer Kraft gesetzt. Der Nachbarstaat erteilt keine Erlaubnis zur Sterbehilfe, sondern sieht dabei von einer Strafverfolgung ab, wenn sich die Beteiligten an genau festgelegte Kriterien und Verfahrensweisen halten; jede einzelne Entscheidung zur Sterbehilfe unterliegt zudem einer strengen Kontrolle. Das ist auch schon der ganze Unterschied.
In unterschiedlichen rechtlichen Handhabungen besteht also die jeweilige Obrigkeit darauf, dass sie und nur sie es ist, die über Leben und Tod ihrer (noch) lebendigen Manövriermasse zu entscheiden hat. Dabei bezeugen die strengen Kautelen der niederländischen Regelung zur Sterbehilfe genauso wie der verbotsbedrohte Gewissenzwang in Deutschland, dass sich die Hüter des niederländischen und deutschen Rechtsstaats über den tatsächlichen Umgang mit Todkranken nichts vormachen: In dieser Gesellschaft gibt es offenbar manchen Grund, sogar noch einem Todkranken bzw. gerade ihm nach dem Rest seines Lebens zu trachten. Davon gehen ihre alternativen Verfahren, das staatliche Entscheidungsmonopol über die Lebensbeendigung durchzusetzen, ganz ungerührt aus, wollen also daran auch nichts ändern.
Bemerkenswerter Weise fällt dem Gesetzgeber und der Öffentlichkeit vorrangig der Alltag unseres menschenfreundlichen Gesundheits- und Pflegewesens ein, wenn sie an Gefahren für die Sterbenskranken denken. Schließlich sind ärztliche und sonstige Vollzugskräfte bei allen ihren Entscheidungen und Verrichtungen dazu angehalten, auf "Kosteneffizienz" zu achten, damit die Bilanz etwa des privaten oder öffentlichen Krankenhauses stimmt. Damit, dass schlecht bezahlte und überlastete Pflegekräfte dazu neigen könnten, zur Schonung ihrer Nerven und Reduzierung ihres Arbeitsaufwands einmal einen Schalter vorzeitig umzulegen, rechnen die aufgeklärten Beobachter des Geschehens. Und wer weiß nicht von Angehörigen der Gebrechlichen, die sich Gedanken machen, wie sie angesichts der Aufwendungen fürs Altenpflegeheim über die Runden kommen sollen - worüber sich Schwerkranke und Alte dann ihrerseits selbst wieder einige moralische Vorhaltungen machen? Und die Sache mit dem Erbe braucht man gar nicht eigens zu betonen...
Den Beobachtern und Verwaltern sind lauter Interessen und Überlegungen geläufig, die alle darauf fußen, dass die Versorgung von Kranken und Hilfsbedürftigen im Kapitalismus wie alles andere doch tatsächlich Geld kostet. Einerseits handelt es sich bei dem Geld zwar nur um die Lohnabzüge der Beitragszahler; andererseits ist der Politik aber daran gelegen, das Verhältnis von Beiträgen und Ausgaben so zu organisieren, dass dem Fiskus keine unnötigen Kosten entstehen und die Beiträge ihrerseits keine zu hohen "Lohnnebenkosten" produzieren. Also regiert in der Gesundheitspolitik der Standpunkt der Sparsamkeit. Wenn aber ausgerechnet die hoffnungslosen Fälle furchtbar viel kosten, dann kann sich jedermann sehr plausible, weil systembedingte Gründe vorstellen, aus denen vielleicht "zu schnell" zur "Sterbehilfe" gegriffen werden könnte. Weil der Sozialstaat die Kostendämpfung so intensiv betreibt, werden womöglich die menschlichen Objekte der Apparatemedizin zwar kostengünstig, aber vorschnell über den Jordan befördert. Das betonen selbstverständlich auch die politischen Organisatoren, die den Sachzwang zum "Sparen" installieren. Deshalb bestehen sie ja darauf, bei der Erlaubnis zur Sterbehilfe Vorsicht walten zu lassen, um die Vollzugsorgane der Kostendämpfung nicht unnötig in die Versuchung zu bringen, Leben aus reinen Budget-Gründen zu verkürzen. So warnen die Politiker glatt vor den Folgen des Radikalismus des sozialstaatlichen Sparens - also vor sich selbst als denjenigen, die den Zwang zur Kostendämpfung von oben ins Werk setzen. Dem Staat als Garant des Lebensschutzes darf man also dafür danken, dass er darauf aufpasst, sich nicht selbst als Sozialstaat in die Quere zu kommen...
Mit dem "Euthanasieprogramm" der Nazis hat das nichts zu tun. So etwas soll heutzutage, unter der Herrschaft des Grundgesetzes, nicht wieder vorkommen. Die demokratischen Nachfolger in den Regierungsämtern haben sich, ganz wie ihre Vorgänger, zwar die Oberhoheit über das "Leben und die körperliche Unversehrtheit" ihrer Bürger vorbehalten; ihre Zuständigkeit dokumentieren sie dadurch, dass sie diese schönen Dinge als staatliches Recht überhaupt erst gewährleisten. Bei ihnen soll das aber nicht nur als irgendein Recht, sondern als besonders hochwertiges und gerade auch den Staat verpflichtendes Grund- und Menschenrecht gewürdigt werden. Soviel soll klar sein: Leben darf der demokratisch verwaltete Mensch auf jeden Fall, egal wie arm und krank er ist. Wer kann einem solchen Staatswesen da noch vorhalten, wie hilf- und trostlos es sich etwa in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen lebt?
Alles Liebe, Cheesy