Bei uns hängen riesige Plakate in Berlin, darauf steht " Eintritt frei für Zwangsarbeiter "und dahinter ist ein Gebäude abgebildet, das die Flick-Ausstellung symbolisiert.
Also ich persönlich finde es schon sehr unsensibel,das Herr Schröder
diese Ausstellung miteröffnet.
Durch meine 3-jährige ehrenamtliche Richtertätigkeit beim Sozialgericht
Münster habe ich viele Berührungspunkte mit ehemaligen Zwangsarbeitern ,die
auf eine höhere Rente gegen die LVA geklagt haben. Es ging ihnen nicht um
ein paar Euro Fuffzig mehr Rente, sondern um Anerkennung ihres Flüchtlingsstatus vor 1944 (Zwangsarbeitergesetz). Es handelte sich in der Regel um polnische Frauen und Männer, die bereits 1939/1940 von den Deutschen nach Deutschland entführt wurde. Alle so im Alter von 14/15/16/17.Man muß sich das mal vorstellen: Diese damals Jugendlichen
waren z.b. auf dem Weg nach Hause, als Lastwagen mit deutschen Soldaten
sie einfach gecacht haben und in LKW abtransportierten. Sie haben teilweise nie ihre Familien wiedergesehen.Viele Mädels sind unterwegs von den Soldaten massenvergewaltigt worden, bevor sie in die Lager gesteckt wurde bzw. den deutschen Firmen zur Verfügung gestellt wurden.
Bei den Gerichtsverhandlungen denen ich als ehrenamtliche Richterin beigewohnt habe, spielten sich unbeschreibliche Dramen ab. Die teilweise fast 80-jährigen Frauen und Männer, die am 8.Mai 1945 von den Amerikanern befreit worden waren, haben fast alle nach Holland eingeheiratet. Somit mußte dann auch ein Dolmetscher alles von Holländischen ins Deutsche und zurück übersetzen. Diese Leute mußten nun anhand von Zeugenaussagen "beweisen" , das sie in der fraglichen Zeit tatsächlich bei Firma xyz beschäftigt waren.... denn die meisten Unterlagen darüber hatten die Firmen bei Kriegsende wohlweislich vernichtet. Viele hatten noch die "Zwangsarbeiterkennung"aufbewahrt, ein Aufnäher ähnlich dem Judenstern.
Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie oft ich bei den Schilderungen der alten Menschen in Tränen ausgebrochen bin, wie sehr ich mich meiner Nationalität
entsetzlich geschämt habe, obwohl dies bereits über 50 Jahre her war.
Ich war auch mehr als erstaunt, wie detailliert sowohl die Zeugen als auch
die Kläger/innen alles schilderten.Die Menschen haben unter teilweise
"viehhischen Bedingungen " in den Lagern gelebt.
Gottsei Dank war der hauptamtliche Richter sehr nett und hat in allen Fällen für die Leute entschieden. Das war für die holländischen Anwälte und Dolmetscher eine echte Sensation, weil eine deutsche Gerichtsbarkeit somit den Status anerkannt hat. Eine Verhandlung war ganz absichtlich auf einen 8.Mai gelegt. Der Richter hat im Anschluß an die jeweiligen Termine jeder ehemaligen Zwangsarbeiterin eine rote Rote symbolisch überreicht, mit den Worten" Dies kann nur ein symbolischer Akt sein und soll eine Entschuldigung
darstellen.Sie sollen wissen, das es auch Deutsche gibt, die das Ihnen angetane Unrecht anerkennen und um Verzeihung bitten". Eine sehr eindrucksvolle Geste, die die alten Menschen ( und mich natürlich auch), sehr berührt und erfreut hat.
Was die ganze Entschädigungsgeschichte angeht: Es geht hier nicht um Reichtümer,die den einzelnen Geschädigten zugesprochen wurden und so ein Unrecht kann man eh nicht mit noch so viel Geld "wiedergutmachen". Und wenn ich daran denke ,wieviele Politiker diese Sache solange hinauszögern und hinauszögerten, bis möglichst viele Betroffene das Zeitliche gesegnet haben und somit die Angelegenheit von selber hinfällig ist, kommt mir die Galle hoch. Und deswegen ist diese Flickgeschichte ein Schlag ins Gesicht für alle Überlebenden.Zumal unser Kanzler durch seine Anwesenheit dies noch unterstreicht.
Zebulon