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Euer Lob, auch zum umgestalteten Haus, hat mich voll gefreut. Dankeschön
Kapitel 566 Kompromiss
Die ersten zwei Tage nach der Ankunft haben Indiana und Jeremy in Duplin in einem Hotel übernachtet, bevor sie aufs Land zum Anwesen von Jeremy's Familie fuhren. Seit einigen Tagen sind sie nun dort. Indiana ist fasziniert von den vielen Burgruinen rundherum, den sanften Hügeln, auf welchen saftig grünes Gras wächst und den dramatisch abfallenden Klippen, hinter deren Rand sich nur noch das raue Meer in die Weite streckt. Indiana fotografiert einfach alles, wenn sie mit Jeremy unterwegs ist.
Der Tag neigt sich allmählich dem Ende zu und mit letzter Kraft blitzt die Sonne nochmals durch die dicke Wolkendecke hindurch, ehe sie bald am Horizont verschwinden wird.
Jeremy's Familie hat Indiana herzlich aufgenommen, allerdings sind Jeremy's Dad und auch der Schwager mittlerweile wieder auf Geschäftsreise. Sie sind zufällig beide Ingenieure und oft außer Landes in Londan tätig. Das Anwesen hier hat Claire, die Mutter von Jeremy, vor Jahren geerbt. Ihr Mann ist ursprünglich aus den Staaten. Sie allerdings kommt von hier und ist in einem kleinen Dörfchen aufgewachsen. Claire war früher Pathologin, aber sie übt ihren Beruf nicht mehr aus. Auf Grund des Erbes muss sie das nicht mehr, zumal sie auf dem Anwesen genügend zu tun hat. Jeremy's Schwester, Ruby arbeitet Teilzeit in der Gemeindeverwaltung. Die Familie weiß natürlich, was mit Indiana passiert ist, was ihnen unendlich leid tut, und dennoch wissen vor allem die Eltern nicht, ob die Beziehung zwischen Indiana und Jeremy aufgrund des traumatischen Ereignisses eine Zukunft haben kann, auch wenn sie nicht zu vorschnell urteilen wollen. Ihre Bedenken behalten sie für sich. Ruby, die älteste Tochter und ihr Mann wissen von den Zweifeln, eigentlich nur Ruby, aber sie hat es ihrem Mann erzählt und beide haben ähnliche Bedenken. Man würde Jeremy gerne vor Kummer bewahren wollen, zumal alle Welt weiß, dass Indiana noch nicht all zu lange von ihrem Ex-Freund getrennt ist, aber Jeremy ist nun mal erwachsen und trifft seine eigenen Entscheidungen. Den Eltern gefällt es allerdings nicht, dass ihr ältester Sohn sein begonnenes Musikstudium schleifen lässt, wegen Indiana.
Die Familie hat festgestellt, dass Indiana höflich, nett und ruhig ist. Sie wissen natürlich nicht, ob Indiana immer schon so ruhig war. Ganz still ist sie allerdings auch nicht.
Vor Kurzem hat die Familie gemeinsam zu Abend gegessen und Jeremy's Nichte, Poppy, die ihrem Vater sehr ähnlich sieht, wurde versprochen, dass heute Abend noch ein Brettspiel gespielt wird.
Claire fragt ihren jüngsten Sohn, ob er sich dazu gesellen möchte: "Spielst du heute mal mit?"
"Ich...äh...wollt eigentlich jetzt zocken", erwidert Lewis und hofft, dass er nicht Mensch-ärgere-dich-nicht mitspielen muss.
Der Dalmatiner hatte einen Kotzmarathon vor sich, keine Ahnung, was mit dem armen Kerlchen los war. Nicht mal diese Wellnesshappen halfen. Also musst ich zum Tierarzt mit dem
"Du warst heute den ganzen Tag in deinem Zimmer", beklagt sich die Mutter. "Du hättest wenigstens tagsüber mal rausgehen sollen. Du kriegst noch 'n Vitamin D Mangel."
"Ich war gestern beim Fußballtraining. Da war ich draußen. Das reicht doch! Außerdem speichert doch der Körper das Zeugs. Bin ich 'ne Woche draußen, kann ich 'ne Woche drin sitzen", erklärt Lewis und lächelt spitzbübisch.
Indessen wird sich am Tisch über etwas anderes unterhalten. Ruby hat soeben gefragt, was Indiana und Jeremy morgen vorhätten.
"Wir wollten diese Burg besuchen, oder?", wendet sich Indiana an ihren Freund. Die Rothaarige fühlt sich hier recht wohl bei der Familie. Niemand fragt sie neugierig über Dinge aus, die sie nicht erzählen will. Sie hat jedenfalls das Gefühl, dass sie hier willkommen ist und ihr keine falsche Freundlichkeit entgegengebracht wird. Alle sind sehr herzlich zu ihr, aber das empfand sie damals auch bei Colin's Familie so.
Da Jeremy soeben mit seiner Schwester redet, glaubt Indiana ihr Handy kurz hervorholen zu können, was soeben zu vibrieren begonnen hat. Sie guckt aufs Display und stellt fest, dass ihre Mutter zum dritten Mal anruft. Sie wollte zuvor schon nicht rangehen und das will sie auch jetzt nicht, wobei sie ein wenig hin und hergerissen ist.
'Vielleicht ist was passiert? Aber dann würde ihre Mom nicht selbst anrufen, oder? Nein, sie will eigentlich keinen Kontakt mehr zu ihr. Sie muss standhaft bleiben. Ja, standhaft. Wahrscheinlich braucht ihre Mom nur irgendwas. Ja, wahrscheinlich 'nen blöden Gärtner. Soll sie doch einfach schreiben, was sie will. Oder sie kommt wieder auf die Idee mit ihr was unternehmen zu wollen. Das hat ihre Mom nie gewollt, also warum jetzt plötzlich? Nein, sie will mit ihrer Mom nicht auf ein Konzert oder sonst wo hin. Das kommt bestimmt auch nur daher, weil sie irgendwas will oder braucht. Darauf fällt sie nicht rein. Das Schlimme ist trotzdem, dass es weh tut, ihre eigene Mutter zu ignorieren.'
"Ist das wieder deine Mom?", fragt Jeremy jetzt.
Indiana nickt. "Ja, aber...also ich geh da nicht ran."
Später, nachdem eine Zeit lang Brettspiele gespielt wurden, hat Indiana Claire mit nach draußen begleitet, weil die Hunde rausmussten, um ihr Geschäft zu erledigen. Jeremy und Ruby haben sich indessen den Abwasch des Geschirrs vorgenommen, was noch vom Abendessen in der Küche herumstand. Indiana kann sich ganz gut mit Jeremy's Mom unterhalten, aber auch mit Ruby. Meist hört sie Claire aber auch einfach nur gern zu, wenn diese von den Hunden, dem Garten oder etwas anderes erzählt. Gestern hat Indiana sogar mit Claire und Ruby einen Kuchen gebacken, während Jeremy den Rasen das erste Mal in diesem Jahr gemäht hat.
Indiana beobachtet die Hunde, als Claire mitfühlend fragt: "Wie geht es dir, Indiana?"
Der Achtzehnjährigen ist sofort klar, warum Jeremy's Mom danach fragt. Sie starrt weiter zu den Hunden und zuckt mit den Schultern. Sie weiß nicht, was sie darauf sagen soll, auch wenn sie meint, dass Claire das nicht aus bloßer Neugier wissen will.
"Wenn du möchtest, kannst du mich mit den Hunden mal zu den Schafen begleiten. Ich nehm dich gern mit", bietet Claire an. "Tiere stellen keine dummen Fragen. Und ich werde das auch nicht tun." Die Brünette findet, dass die Frage, wie es Indiana ginge, keine dumme Frage war.
Erneut nickt Indiana ohne Claire dabei anzusehen.
"Na komm, lass uns wieder reingehen. Du hast keine Jacke an", sagt Claire dann freundlich.
Und wieder nickt Indiana, sonst ist sie natürlich nicht so stumm.
Percy, der Dalmatiner wartet schon darauf, bis es endlich wieder reingeht. Schließlich ist es frisch und er besitzt kein dickes Fell. Lennox, der Border Collie könnte vermutlich die ganze Nacht noch hier draußen herumspringen. Indiana wusste bereits von Jeremy, dass Claire hier in der Nähe ein paar Schafe hält, und Lennox beim Treiben der kleinen Schafherde oft zum Einsatz kommt. Das braucht das Energiebündel wohl auch, um mental und körperlich ausgelastet zu sein. In Claire's Familie haben einige Verwandte eine Landwirtschaft, daher weiß auch sie, wie man bewirtschaftet und Nutztiere zu versorgen hat. Sie hält die Schafe aber nur als Hobby und verarbeitet lediglich die geschorene Wolle.
Die Sechsundfünfzigjährige ist mit den Hunden bereits bei der Tür, als Indiana in den Nachthimmel blickt.
'Ist immer komisch, wenn sie gefragt wird, wie's ihr geht. Ja, wie geht's ihr eigentlich? Sie würde nicht sagen, ihr geht's total gut, aber...also...irgendwie doch okay. Sie findet es hier so schön ruhig. Klar, sie hört das Meer gegen die Felsen brausen und tagsüber hört man auch ganz viele Möwen, aber das mag sie. Wer würde das nicht mögen? Es ist einfach friedlich hier. Und kaum Menschen. Ja, sie...ähm...sie meidet Menschen mittlerweile eher, auch wenn sie nicht die ganze Menschheit hasst'
'Es ist hier zwar voll kalt im Vergleich zu Del Sol Valley, aber die Stille mag sie. Jetzt, wo sie hier ist, wird ihr irgendwie klar, dass sie gar nicht mehr zurück nach Del Sol Valley will. Was soll sie dort auch? Da sind sowieso überall schei* Paparazzi und sie hasst diese ganze Scheinwelt dort. Wahrscheinlich sollte es so sein, dass sie dieses Bungalow nicht mehr gekriegt haben. Sollte sie hier länger bleiben, dann...ähm...ja, dann muss sie sich hier 'ne nette Therapeutin suchen. Sie weiß auch nicht.'
Wenig später bringt Ruby ihre Tochter Poppy dann ins Bett.
"Putzt du dir bitte die Zähne! Du kannst morgen weiterspielen, aber jetzt ist Schlafenzeit", meint die Dreiunddreißigjährige freundlich. Sie weiß natürlich, dass ihre Tochter oft noch ein bisschen kuscheln möchte.
"Ist gut", erwidert die neunjährige Pferdeliebhaberin ohne Protest. Dem Mädchen ist klar, dass sie mit ihrer Mutter nicht über die Bettgehzeiten zu diskutieren braucht. Sie freut sich aber, dass sie zum Einschlafen immer ein Hörbuch hören darf.
Indiana ist mit Jeremy ins Zimmer hochgegangen. Es ist kurz vor neun Uhr und Claire guckt im Wohnzimmer noch einen Nachrichtensender. Lennox hat sich zu ihr aufs Sofa gesellt und erfreut sich an ausgiebigen Streicheleinheiten.
Lewis zockt indessen. Vermutlich wieder viel zu lange, aber immerhin sind noch Osterferien.
Ruby hat es sich nun auch mit Percy auf der Couch in ihrem Wohnzimmer gemütlich gemacht, da Poppy rasch eingeschlafen ist. Der Dalmatiner scheint gestreichelt werden zu wollen.
"Gleich Percy! Warte kurz, bis ich weiß, wem der Bachelor die Rose gibt!", bittet die Brünette den Hund für einen Moment geduldig zu sein.
Jeremy ist soeben noch im Badezimmer, während Indiana sich im Schlafzimmer im Spiegel betrachtet. Abschminken will sich die Achtzehnjährige jetzt noch nicht, sie muss bestimmt später ohnehin nochmal ins Badezimmer. Es ist ihr auch vor Jeremy unangenehm, dass sie gerade eine schlechte Haut hat. In Duplin hat Jeremy sich spontan ein Tattoo stechen lassen, während Indiana's am Knöchel im selben Laden gleichzeitig von einem anderen Tätowierer überstochen wurde. Jeremy hatte schon lange vor, sich ein weiteres Tattoo stechen zu lassen, also war es keine unüberlegte Sache.
'Sie mag das neue Tattoo eigentlich. Ist doch egal, wenn jemand sagt, das Motiv wär einfallslos.'
'Und ja, sie hat's hinter sich gebracht, ihr altes Tattoo überstechen zu lassen, aber auf der Toilette im Laden hat sie heimlich geweint. Jeremy hat's nicht mitbekommen. Nein, weil er noch tätowiert wurde. Hätte sie ihr Tattoo überhaupt überstechen lassen müssen? Sie weiß nicht, aber es war halt fast so, als hätte sie noch immer Colin's Namen am Knöchel stehen. Was ist das eigentlich zwischen Jeremy und ihr? Auch das weiß sie nicht so genau, aber er tut er ihr unendlich gut. Sie hat ihn gern und sie vertraut ihm. Sie hofft, dass sie's irgendwann fühlt und ihm sagen kann, dass sie ihn liebt. Das wünscht sie sich wirklich. Ihr ist klar, dass Jeremy diese eine Sache möchte, weil sie zusammen sind. Sie weiß nicht, wann sie...ähm... Empfindet sie eigentlich für Jeremy so viel wie für Colin? Auch so 'ne Sache, die sie nicht weiß, aber sie vergleicht einfach alles. Aber, sie braucht sich nicht selbst zu belügen. Sie vermisst Colin, seine Stimme, sein Lachen...ja, alles. Es tut weh, dass er Melanie mehr liebt, als er sie geliebt hat. Und das immer noch, nach all den Monaten. Aber sie muss aufhören daran festzuhalten, sie will Jeremy nicht verlieren. Er drängt sie zu nichts, aber sie verspürt trotzdem Druck, weil sie nicht weiß, wie lang er das noch so mitmacht. Sie hat es gar nicht verdient, hier bei seiner Familie zu sein, oder? Ist er ihr Kompromiss, weil sie nicht allein sein will, so wie sie das für Colin war? Ja, sie war nur ein Kompromiss. Jetzt hat er ja, was er sich immer wünschte. Und Melanie hat auch gekriegt, was sie wollte. Was findet Colin so an ihr!? Klar sie haben 'nen Sohn, aber das ist nicht allein der Grund, warum er mit der zusammen ist, oder? Wie kann er eine Person so lieben, die sie nicht mal ausstehen kann? Okay, sie kennt sie nicht wirklich, aber sie will sie auch einfach nicht mögen. Nein, sie will Melanie nicht mögen, sie hat ihr Colin weggenommen. Sie weiß, dass sie das wahrscheinlich zu 'nem schlechten Menschen macht, aber Glück wünscht sie den beiden nicht. Sie wünscht Melanie nichts Schlimmes, nur dass Colin nicht mit ihr zusammenbleibt. Melanie soll auch diesen Schmerz erfahren. Diese Endgültigkeit, die einem den Boden unter den Füßen wegreißt. Er soll ihr ins Gesicht sagen, dass er sie nicht mehr liebt, so wie er es bei ihr tat. Sie weiß, dass es falsch gegenüber Jeremy ist, dass sie sich das wünscht, aber...ja, es ist einfach so. Sie würde Colin so gern aus ihrem blöden Kopf und ihrem Herzen streichen, aber er ist da noch. War wirklich alles unecht von ihm? War jedes 'Ich liebe dich!' und überhaupt alles 'ne Lüge? Sie kann das einfach nicht glauben. Sie hatte sich immer wie etwas besonders gefühlt, wenn er sie ansah, erst recht, wenn sie miteinander...ja, dann sowieso. Er hat sie nie einfach nur... Nein. Sie dachte, er wäre nirgendwo anders lieber, als bei ihr. Sie erinnert sich oft daran, wie sie in Del Sol Valley im Diner saßen, auf dem Schriftzug der Stadt, wo sie den Ausblick hatten, als sie mit ihm in Copperdale auf dem Rummelplatz war oder in Brindelton Bay am Strand. Sie dachte, er liebt sie für immer. Gabriel meinte mal, Colin hätte wahrscheinlich selbst irgendwie gedacht, er würde sie lieben. Es wäre ja nicht so, als würden Typen keine Bindung aufbauen, wenn sie's wollen. Ja, so in etwa hat Gabriel das gesagt. Keine Ahnung, er ist 'n Kerl, also muss er's wissen. Das tut sogar noch mehr weh, wenn sie darüber nachdenkt, dass Colin nicht einfach nur 'n A******** ist, sondern sie vielleicht eine Chance gehabt hätten, wenn Melanie nicht wieder aufgetaucht wär. Aber wär er dann überhaupt richtig glücklich gewesen? Hm. Er hätte dann auch seinen Sohn nie kennengelernt, das hätte sie sich für ihn auch nicht gewünscht. Ist er trotzdem ein ignorantes und egoistisches A********? Sie weiß es nicht. Sie weiß nur, dass er ihr Herz zertrümmert hat. Es tut auf alle Fälle weh, dass Gabriel so viel Verständnis für Colin hat. So direkt hat Gabriel das zwar nicht gesagt, aber das hat sie halt jedes Mal irgendwie rausgehört, wenn sie mit ihm über Colin geredet hat. Sie weiß, dass er Colin nicht wegen ihr hassen muss, das tut sie ja nicht mal selbst, aber es kommt ihr trotzdem ein wenig wie...ja, wie Verrat vor. Gabriel hat Colin zur Hochzeit eingeladen und bestimmt wird Melanie dabei sein, oder? Wie soll sie das aushalten, Colin und sie gemeinsam zu ertragen? Wieso will sie einerseits an dem Tag am liebsten krank sein oder wenigstens so tun als wär sie's, damit sie nicht hin muss und andererseits will sie Colin wiedersehen? Ja, so als wollte sie ins Feuer fassen, nur um wieder festzustellen, dass es heiß ist und sie sich daran verbrennt, als wüsste sie es nicht.'
Wenig später liegen Jeremy und Indiana dann gemeinsam im Bett. So innig liegen sie oft da und plaudern miteinander. Wenn Jeremy Indiana nicht zu sehr einengt, verspürt sie Geborgenheit in seinen Armen. Sie lässt sich von ihm streicheln, aber sie mag es nicht so, wenn er sein Bein auf ihres legt. Sagen will sie ihm das allerdings nicht. Die zwei hören ein bisschen Musik. Einfach ein Radiosender, zumal Jeremy mittlerweile nicht mehr nur Metal hört, so wie früher.
"Ich find dein Songtext-Tattoo echt cool", gesteht die Rothaarige. "Mir gefällt mein eigenes Arm-Tattoo gar nicht mehr, aber...na ja...es ist halt da. Keine Ahnung, warum ich unbedingt mal 'nen Drachen wollte."
"Mir gefällt's an dir, Indie", sagt der Neunzehnjährige. Ihr Tattoo-Motiv ist ihm eigentlich egal. Sie nicht.
Nicht lange nachdem Jeremy die Musik abgestellt hat, sind die beiden eingeschlafen. Mitten in der Nacht wacht Indiana allerdings wieder auf. Sie hat oft Probleme, durchzuschlafen. Sie starrt eine Weile an die Decke und grübelt. Dann weckt sie Jeremy vorsichtig. Sie will es mit ihm versuchen, weil sie ihn nicht verlieren will. Sie hat Angst davor, irgendwann ganz allein zu sein. Der Neunzehnjährige ist mehr als überrascht. Dreimal fragt er, ob sie sicher sei und sie antwortet dreimal mit 'Ja'. Eine Zeit lang küssen sich die zwei erstmal nur. Es fallen ein paar Klamotten aber nicht alle. Jeremy beginnt Indiana nun am Hals zu küssen und vorsichtig zu streicheln, so wie sonst auch, denn es ist nicht ihr erster Versuch.
Plötzlich schiebt sie ihn vehement von sich, als er sich von seiner Hose befreien wollte. Indiana spürte, dass er bereit wäre. Er rollt sich sofort zur Seite und lässt sich neben sie aufs Bett fallen. Sie richtet sich mehr oder weniger auf, um nach ihrem Oberteil zu greifen, welches neben dem Bett auf dem Boden liegt. Jeremy versucht sich seine Enttäuschung nicht zu sehr anmerken zu lassen, aber er würde sie nie zu etwas überreden wollen. Ihm ist klar, dass sie nicht nur wegen der Nervosität zittert.
"Ist...ähm...alles okay?" Er weiß, dass er nicht fragen braucht, was los ist.
"Glaub schon", erwidert Indiana. "Tut mir leid, ich kann nicht."
Kurz darauf sitzen die beiden am Bettrand nebeneinander. Indiana hebt ihr Top schützend und verdeckend an ihren Körper, auch wenn sie ihren BH ohnehin noch anhatte, nur ihre Träger rutschten herab. Sie entschuldigt sich erneut, allerdings guckt sie Jeremy dabei nicht an.
Er sie hingegen schon und meint: "Ist okay, Indie. Muss dir nicht leid tun."
Sie nickt und bewegt ihre Schulter, um Jeremy deutlich zu machen, dass sie jetzt nicht will, dass er seinen Arm um sie legt. Er nimmt ihn herunter.
Am nächsten Morgen stand Indiana lange unter der Dusche. Sie duscht oft lange. Sie weiß, dass es fast wie ein Zwang ist, sich gründlich zu reinigen. Sie fühlt sich eben immer noch beschmutzt von dem Kerl, der ihr das angetan hat. Es hat nichts mit Jeremy zu tun. Soeben hat sie sich die Zähne geputzt, als sie eine Nachricht auf ihrem Handy erhält.
Sie öffnet die Nachricht, die von ihrer Mutter ist und liest.
Indiana, es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass unser Streit eskaliert. Ich verstehe, wenn du mit Jeremy zusammen wohnen willst. Ich fand nur, dass das Bungalow keine gute Idee ist. Das ist kein geschützter Bereich. Ihr hättet doch ständig Paparazzi um euch gehabt. Und es tut mir auch leid, was ich sonst gesagt hab. Es geht mich nichts an, wie du mit Jeremy eine Beziehung führst. Ich wollte dir mitteilen, dass ich auf einer Gala war. Dort habe ich das Mädchen getroffen, das genau wie du, überlebt hat. Sie würde dich gerne kennenlernen. Ich habe mit der Familie bereits telefoniert. Sie sind derzeit noch in Del Sol Valley. Du und das Mädchen ihr könntet ja alleine miteinander sprechen. Sie würde sich wirklich freuen, wenn du kämst. Vielleicht täte es dir gut, mit ihr zu reden.
Indiana überlegt.
Wenig später sind sie und Jeremy auf dem Weg zur Burg, so wie sie es vorhatten.
Es ist nicht viel los, obwohl Ferienzeit ist, aber es ist auch noch früh. Beim Frühstück hat Gabriel sich überraschend bei Jeremy gemeldet, dass er in Londan sei und einen Flug nach Duplin nehmen würde, um die beiden zu besuchen. Jeremy und Indiana haben natürlich zugestimmt und freuen sich, dass Gabriel vorbeikommen möchte. Schlafen wird er im Hotel.
Indiana hat bemerkt, dass Jeremy heute etwas schweigsamer ist, als sonst. Sie glaubt, es liegt an gestern Abend. Sie beobachtet ihn, weil sie bisher an diesem Tag, nur ein paar belanglose Worte miteinander wechselten, bei denen Jeremy sie nicht wirklich anschaute und nun eben wieder Funkstille herrscht.
Er nimmt auch nicht ihre Hand, wie er das sonst oft macht.
Für einen Moment beobachten die zwei eine Entenfamilie. Scheint als würde es gleich Ärger zwischen den beiden Erpeln geben.
Indiana findet diese Burg viel imposanter, als die, welche sie mit Colin in Britechester angeguckt hat, allerdings war das auch nur eine Ruine. Diese Burg hier steht noch da, wie eh und je. Die Achtzehnjährige findet besonders den Teich drumherum mit den Seerosen schön, aber die Brunnen, die sie plätschern hört gefallen ihr auch. Aber wieder denkt Indiana an Colin, weil ihr die Burg in Britechester in den Sinn kam. Sie versucht jedoch die Gedanken an ihn wegzuschieben.
Kurze Zeit später, nachdem sie den Eintritt bezahlt haben, und sie innen alles angeguckten, steigen sie auf die Türme, um einen Ausblick zu haben. Indiana weiß nicht, dass Jeremy sich Gedanken macht, ob Indiana vielleicht oft noch an Colin denkt und gar nicht nur das andere, ihnen im Wege steht. Er weiß selbst, dass immerhin kein Jahr vergangen ist, seit die beiden kein Paar mehr sind. Vielleicht hätte er mehr Zeit vergehen lassen sollen, überlegt er.
Indiana spürt, dass etwas los ist. Sie kommt Jeremy näher und nimmt seine Hand. Er guckt sie nicht an, aber er könnte auch nicht leugnen, dass es ihn freut, dass sie seine Hand nimmt.
Irgendwann sind die zwei dann auf dem höchsten Turm.
"Voll schön!", schwärmt Indiana, während sie so aufs Meer blickt.
Aus ihrer inneren Jackentasche holt sie nun ihre Kamera, die sich sich mal gekauft hat. Sie findet, die macht einfach noch bessere Bilder als ihr Handy. Das Fotografieren mochte sie schon immer. Die Bilder, die sie damals auf ihrem Road-Trip mit Colin gemacht hat, hat sie sich nur einmal angeguckt, dann nicht wieder. Die damit verbunden Erinnerungen waren zu schmerzhaft für sie, erst recht die Bilder aus Brindelton Bay.
"Das sieht cool aus, mit den Wellen auf dem Wasser", stellt sie fest. Jeremy weiß, dass das Meer heute vergleichsweise ruhig ist. Oft peitschen nämlich die Wellen erbarmungslos gegen die schroffen Felsen. Heute sind sogar ein paar Segelboote unterwegs.
Indiana knipst noch ein paar Fotos und Jeremy wartet geduldig. Die Achtzehnjährige dreht immer wieder an der Linse, um ein perfektes Bild zu erhalten. Jeremy hat festgestellt, dass sie sich dabei immer konzentrieren will, daher ist er in den Momenten still. Er findet es aber schön, dass ihr das Freude bereitet.
Nach ein paar geschossenen Bildern guckt Indiana sich diese nochmals über das Display an.
"Was geworden?", fragt Jeremy.
"Ja, denk schon. Das mit dem Segelschiff drauf ist cool", erwidert Indiana.
Zufrieden guckt die sie dann in die Ferne und Jeremy tut es ihr gleich. Er war schon ein paar mal hier, aber die Aussicht findet er immer wieder schön. Er bemerkt, dass ein Schiff sich nähert und weiß, dass vermutlich gleich ein Strom von Besuchern die Burg besichtigen wird. Der Neunzehnjährige glaubt, es sei besser, wenn er mit Indiana von hier verschwindet, immerhin könnte sie doch von vielen Leuten erkannt werden. Das will sie ganz sicher nicht.
"Was ist das?" Indiana guckt nun aufs Meer, weil sie glaubt, dort was großes entdeckt zu haben, was wieder untergetaucht ist. Jeremy überlegt, ob sie einen Wal gesehen haben könnte. Möglich wäre es, denn sogar ganze Delfinschulen werden hin und wieder gesichtet.
"Vielleicht war das dieses Seeungeheuer!", scherzt Indiana kurze Zeit später.
Jeremy findet es schön, dass sie zum Spaßen aufgelegt ist. Er lacht und meint dennoch: "Indie, wir sind nicht in Schodland."
"Das Ding lebt in Schodland?", hakt Indiana nach. Sie wissen natürlich beide, dass dieses Seeungeheuer nur ein Fabelwesen ist und Jeremy weiß sogar, dass es der Sage nach eigentlich in einem See leben soll.
Indiana lacht jetzt, auch wenn sie sich ein wenig geniert. "Wie peinlich! Gut, dass mich außer dir niemand reden gehört hat."
Jeremy sagt jetzt nichts, aber er lacht immer noch mit, wenn gleich er sie nicht auslacht.
"Vielleicht hat's in Schodland zu oft geregnet und es wollt umziehen", meint sie dann noch. "Keine Ahnung, was Seeungeheuer so tun, aber vielleicht hatte es keine Work-Life-Balance. Hier ist alles besser."
"Oder die Meer-Kriminalität hat zugenommen. Schodland is 'n hartes Pflaster...äh...Wasser", scherzt nun auch Jeremy.
Indiana muss nun richtig laut lachen. Sie beide.
Allmählich verstummt ihr beider Lachen dann wieder, aber die zwei gucken sich noch immer amüsiert an.
Doch plötzlich macht Indiana dann ein ernstes Gesicht und blickt ins Leere. Sie entschuldigt sich wieder: "Tut mir leid wegen gestern, Jeremy. Ich...ähm...ich würd's gern, aber...ich weiß auch nicht."
"Indie, ich hab gesagt, es muss dir nicht leid tun, aber...ähm...ich weiß nicht, was ich sonst dazu sagen soll, ohne dass du das Gefühl hast, ich würd dich unter Druck setzen wollen, denn das ist das letzte, was ich will, und ich will auch nicht, dass du meinst, mir wär nur
das wichtig, aber...ähm...ich muss dich fragen. Hast du noch Gefühle für Colin?" Jeremy hat sich tatsächlich getraut, danach zu fragen, obwohl es ein Schlag ins Gesicht für ihn bedeuten könnte. Vielleicht hätte er Indiana nicht mit nach Hause bringen sollen, geht ihm im nächsten Moment durch den Kopf, denn wenn sie gleich 'ja' sagt, wüsste er nicht, ob er sie noch hier haben will.
Indiana hat nicht erwartet, dass er sie das fragen würde. Sie guckt ihn nicht direkt an, als sie mit dem Kopf schüttelt. Sie weiß, dass sie ihn jetzt anlügt und sie fühlt sich mehr als nur schlecht.
Jeremy wirkt erleichtert und lächelt, wenn gleich es nur ein schwaches Lächeln ist. Er weiß, dass noch lange nicht alles gut ist, aber zumindest ist Colin kein Thema mehr. Er würde nie glauben wollen, dass Indiana ihn anlügen könnte.
Die Burg wurde von einer Besuchermenge überschwemmt. Indiana und Jeremy wollen das Gelände nun schnell verlassen. Gerade als sie die letzte Treppen hinabgehen wollen, bleibt Indiana wie angewurzelt stehen, weil sie ihren Namen hört. Zwei Presse-Fotografen, die wohl einen guten Riecher hatten, weil sicher andere, wo anders lauern, rufen ihr zu. Nun hat auch Jeremy die beiden entdeckt.
"Bitte lass uns schnell gehen!", sagt Indiana zu ihrem Freund. "Woher weiß überhaupt jemand, dass ich hier bin?"
"Ich weiß es nicht, aber von meiner Familie hat sicher niemand jemandem was gesagt", versichert Jeremy. Er weiß, dass Indiana Bilder von hier auf Simstagram gestellt hat, aber ihr Account ist nicht öffentlich und sie hat nur engere Freunde und somit nicht mal dreißig Personen als Follower. Er glaubt nicht, dass von denen jemand etwas verraten haben könnte.
Fortsetzung folgt...
Ich hoffe, man denkt nicht, ich würde Indiana kein Glück wünschen oder auch Jeremy. Im Gegenteil. Ich versuche nur realistisch zu bleiben/spielen und letztendlich werde ich Indiana ihren Frieden finden lassen, ob das mit Jeremy sein wird, möchte ich noch nicht verraten. Manchmal, wenn mir Dinge, so wie sie sind, noch nicht passen in der Geschichte, muss ich ggf. nochmal Wendungen vornehmen, aber es wird Indiana irgendwann gut gehen. Ich verspreche! Wahrscheinlich ist in Indiana's Fall Akzeptanz ihr selbst gegenüber der Schlüssel für Frieden. Sie sollte sich nicht zu was zwingen müssen, und so sieht es sicher auch Jeremy, wenn gleich er aktuell Hoffnungen hat. In jedem Fall geht es ihr hier aktuell schon mal besser als in Del Sol Valley.