Sorry für die lange Wartezeit ^^''''' .... Aber hier ist das neue Kapitel:
Fortsetzung...
„Glaubst du etwa, du könntest abhauen?“ grunzte das gesichtslose Ungeheuer und ehe ich mich versah, trat es mit seinen schweren Kampfstiefeln auf mich zu.
„Weißt du, wie sehr du mich ankotzt? Schau dich doch an!“
Mein Herz schien sich durch den Brustkorb boxen zu wollen. Wie im Traum tastete ich mich weiter an der unsichtbaren Wand entlang, bis ich zu einer weiteren Ecke gelangte. Es war schier unmöglich! Wohin ich auch sah – es ersteckte sich eine weite Wiese, aber gleichzeitig war es, als wäre ich in einem kleinen Raum gefangen, dessen Durchmesser höchstens zehn Schritte betrug.
„Du widerst mich an! Postnatal abtreiben sollte man dich.“
Die Panik ließ meine Knie zu Pudding werden und ich spürte, wie meine Lungen sich weigerten, genügend Sauerstoff aufzunehmen, um mich weiterhin handlungsfähig zu halten. Das Ungeheuer war jetzt höchstens einen großen Schritt von mir entfernt und die kleine Taschenlampe bebte in seiner Hand. In Gedanken sah ich, wie die Pranke mich damit niederschlug und so lange auf mich einhämmerte, bis von meinem Kopf nichts weiter übrig war, als ein blutiger Brei. Instinktiv drückte ich mich um die unsichtbare Ecke und tastete weiter mit den Händen an der Wand entlang, und als hätte eine höhere Macht meine Bitte erhört, fanden meine klammen Finger einen Türknauf, der ebenso unsichtbar war, wie die dazugehörige Tür. Als gehörten meine Hände einer anderen Person, drehte ich den Knauf herum, während jede Faser meines Körpers darum betete, daß diese Tür nicht verschlossen sein möge. Sie war tatsächlich offen und mit der von Angst gesteuerten Schnelligkeit eines Geparden quetschte ich mich hindurch und schlug sie von der anderen Seite wieder zu.
Es traf mich wie ein Schlag. Von der anderen Seite war dort tatsächlich eine Tür, und ebenfalls eine Wand. Und als wäre das noch nicht bizarr genug gewesen, kannte ich diese Umgebung – ja, ich war schon oft hier gewesen. Ich war wie erstarrt, als ich das große, holzfarbene Bett mit den sauberen Laken sah und das Fenster darüber, welches ein paar Sonnenstrahlen die Einsicht in den kleinen, gemütlichen Raum gewährte. Es handelte sich um Moes Schlafzimmer, nur fehlte die dazugehörige Hauptperson. Ich stand mit dem Rücken fest an die Tür gelehnt, falls der gesichtslose Minotaurus auf die Idee kam, mir zu folgen – doch jenseits der Tür gab es kein Geräusch, das die Anwesenheit des Monsters bestätigt hätte. Als der Schock einigermaßen nachließ, war ich immer noch nicht fähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Sicherlich war ich neugierig, ob sich hinter der Tür, vor der ich mit versperrenden Armen stand, immer noch die semiunendliche Wiese erstreckte, doch ich wagte es nicht, sie noch einmal zu öffnen. Wie konnte es sein, daß ich mich plötzlich hier in diesem Zimmer befand? Und wo war Moe? War das hier ein grausamer Abklatsch von Szenerien, die ich kannte, nur um mich zu verwirren? Wenn meine Theorie stimmte, daß ich mich in meiner persönlichen Hölle befand, dann schien mir dieser Gedanke nichtmal abwegig zu sein.
Ich hatte mich vom Dach gestürzt. Fünf Stockwerke in die Tiefe. Um einen solchen Sturz zu überleben, mußten mehrere Wunder zur gleichen Zeit passieren, und es war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht der Fall, daß ich nur bewußtlos war. Ich mußte tot sein. Eine andere Erklärung gab es nicht. Und um ehrlich zu sein, hatte ich das Heim an sich schon als Hölle empfunden. Daß es gar noch schlimmer ging, wäre mir vermutlich nichtmal im Traum eingefallen. Hätte man mir als noch Lebender etwas von Himmel und Hölle erzählt, ich hätte wohl nur müde gelächelt und verächtlich abgewunken. Das Heim war nun wahrlich kein geeigneter Ort, um irgendeine Art von Glauben aufrecht zu erhalten. Und dies hier konnte nicht mehr sein, als eine schlechte Theaterkulisse in den Tiefen der Unterwelt, die nur dazu erbaut worden war, um mich zu quälen. Und es gab sogar ein Indiz dafür, daß dies hier nicht die Welt der Lebenden war – Moe war nicht hier. Natürlich war sie nicht hier, denn sie war schließlich nicht tot.
Es dauerte einige Minuten, Stunden, Tage – ich weiß es nicht, bis sich mein Puls wieder normalisierte und ich mir sicher sein konnte, daß das gesichtslose Ungetüm keine Anstalten machte, durch die Tür zu brechen. Und als ich es wagte, meine Position ein wenig aufzulockern, spürte ich eine bleierne Müdigkeit in meinen Knochen. Es kam mir vor, als hätte dieses Horrorszenario in der Dunkelheit sich über Wochen hingezogen und unentwegt an meinen Kraftreserven gezehrt, sodaß ich jetzt – in der vermeintlichen Sicherheit- mit immenser Erschöpfung reagierte. Ja, es war, als würden meine tonnenschweren Beine mich keinen Zentimeter weiter tragen. Die Frage, wieso man als körperloses Wesen, das man ja im Tod schließlich zu sein hatte, soetwas wie Erschöpfung verspüren konnte, stellte ich mir nicht mehr. Stattdessen fiel ich wie ein nasser Sack in mich zusammen und verlor endgültig das Bewußtsein.
Ich konnte nicht sagen, wann ich zum letzten mal in meinem Leben geweint hatte. Ob ich überhaupt jemals geweint hatte. Aber dieses Gefühl, wenn die Tränen langsam die Wangen herabrinnen und am Kinn den leisen Hauch eines Kitzels hinterlassen, bevor sie zu Boden fallen, kannte ich sehr gut und es war, als wenn mir genau dieses Gefühl nun zuteil wurde. Doch als ich langsam wieder zu Bewußtsein kam und auch die Geräusche wieder Einzug in meine Ohren erhielten, merkte ich, daß ich keineswegs weinte, sondern daß ich im Regen lag und die Wassertropfen mit eisiger Kälte auf mein Gesicht niederprasselten. Ich konnte nur schwerlich die Kraft dazu aufbringen, die Augen zu öffnen, aber als ich es tat, sah ich in einiger Entfernung einen großen, stinkenden Müllberg, auf dem sich nicht nur diverse defekte Gerätschaften aus längst vergangenen Zeiten, sondern auch fast vollständig verweste Leichenteile befanden und vor meinen Füßen die schmutzig graue Fassade eines großen Betonklotzes. Es bestand kein Zweifel – ich war zurück im Heim.
Wie konnte das sein? Ich mußte tot sein! Mit einem mal brachte ich die Kraft auf, mich zu bewegen, und als wäre es ein schlechter Scherz vom Schicksal persönlich, spürte ich nicht einen schmerzenden Knochen in mir. Ich rappelte mich auf die Beine und tastete mich ungläubig ab. Das konnte nicht sein. Ich blickte hinauf zum Dach des Betonklotzes und fragte mich, ob ich wirklich dort herunter gesprungen war. Kein Zweifel – ich erinnerte mich genau. War ich ein Geist? Fest entschlossen, auf diese Frage eine Antwort zu bekommen, hastete ich los in Richtung Keller zu Therese.
Auf meinem Weg begegnete ich keiner Menschenseele und als ich die Tür zum Keller mit einem metallernen Knatschen öffnete, entdeckte ich meine durchgedrehte Verbündete singend in der hintersten Ecke des Raumes sitzen und in regelmäßigen Abständen ein rohes Stück Fleisch in den Mund schieben.
„Therese!“ sprudelte es aus mir heraus, doch meine Freundin schickte sich nicht an, mich zu beachten. Stattdessen sprang sie mit Schwung auf die Beine und hielt ein imaginäres Mikrofon vor ihr Gesicht.
„Why does it always rain on meeeeeeeeeeheheheheeee!“ krächzte sie mit einer Stimme, die dem Original des Liedes nicht annähernd gerecht wurde.
„Therese, kannst du mich sehen??“
„Nein, kann ich nicht!“ brummte sie melodiös zurück, als gehörte ihre Antwort zur musikalischen Darbietung.
„Ich meine… bin ich durchsichtig oder sowas?“ fragte ich wieder.
Mit einem mal hielt sie inne, legte ein wütendes Gesicht auf und warf mir den Rest ihrer Mahlzeit an den Kopf.
„Es wäre für dich wahrlich besser, durchsichtig zu sein, du Idiot! Was willst du überhaupt?“
Ich sah sie nicht an, sondern fand mich erneut wieder, wie ich wie ein verrückt Gewordener an mir herumtastete.
„Ich bin vom Dach gesprungen!“ kam es wie von selbst über meine Lippen. „Ich meine, ich müsste tot sein, oder zumindest sämtliche Knochen gebrochen haben…“
„Genau, du bist vom Dach gesprungen und fünf Minuten später stehst du in altbekannter und tragischer Manier vor mir und erzählst mir den totalen Bullshit!“
„Es ist aber wahr!“ beharrte ich in fast schon weinerlichem Tonfall. „Du musst mir glauben, Therese! Ich war auch bestimmt tot!“
„Bescheuert bist du!“ brüllte sie zurück und als wäre es mir noch nicht selbst aufgefallen, fügte sie noch einige schlagkräftige Argumente hinzu, die ihre Meinung untermauerten.
„Ich bin seit endlos vielen Jahren hier in diesem Heim, habe sämtliche Menschen elendig verrecken sehen, und gerade DU bist natürlich der einzige hier, der unsterblich ist und dem ein Sprung vom Dach nichtmal einen Kratzer beschert, wie?“
„ABER ES IST DIE WAHRHEIT!“ schnaubte ich. Was hatte ich erwartet? Daß man mir tatsächlich glauben würde? Ich glaubte mir ja nichtmal selbst.
‚Ganz ruhig, James…’ rief ich mich zur Ordnung, atmete dreimal tief durch und versuchte dann im normalen Tonfall zu erklären, was die letzten Stunden passiert war.
„Also, ich war dort auf dem Dach…“ begann ich. „Ich bin gesprungen und landete mitten in der Hölle!“ Ich kratzte mich am Kopf. Mir wollte einfach keine Erklärung für das alles einfallen. „Es war, als wären meine Alpträume zurück, Therese. Es war genau wie in den Träumen. Dieser … furchterregende, gesichtslose Mann und dieser… Fleischsack! Du musst mir helfen, Therese!“ sagte ich bestimmt und starrte sie an.
„Ich hab dir schonmal gesagt, daß ich nicht mehr weiter weiß!“ entgegnete sie völlig ernst. „Und ehrlich gesagt, glaube ich nicht, daß es in unser unterbelichtetes Hirn paßt, was hier abgeht. Im Ernst, Klumpfuß! Ich glaube, wir sind zu dumm um den Masterplan hier zu kapieren.“
„Es gibt einen Zusammenhang, da bin ich sicher! Und selbst wenn wir es nicht kapieren! Was willst du stattdessen tun? Wir wissen bereits zuviel, als daß unser Leben weitergehen könnte, wie bisher.“ beharrte ich. Selbst wenn Therese den Charakter einer geisteskranken Tarantel hatte, so war sie doch die Einzige, mit der man hier reden konnte. Eines war sie nämlich auf keinen Fall: Dumm!
„Du könntest wenigstens die Option zulassen, mir zu glauben.“ schickte ich hinterher.
Sie knirschte mit den Zähnen. „Nagut! Dann nehmen wir an, du erzählst mir keinen Mist und bist wirklich vom Dach gesprungen und lebst noch. Selbst in diesem Falle müsstest du wenigstens halb tot sein. Kannst du mir mal sagen, wie du das angestellt hast? Und wenn das der Fall wäre – warum springst du nicht nochmal und beweist es mir? Komischerweise passieren dir immer nur seltsame Dinge, wenn ich gerade nicht dabei bin, wenn ich mich da an deinen Picknickausflug mit Anna erinnere…“
Ihr Blick zeigte mir, daß sie es ernst meinte. Sie wollte wirklich einen Beweis dafür, daß ich ihr keine Lügenmärchen auftischte.
„Okay…“ sagte ich. „Ich soll also nochmal springen, wie?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, redete ich weiter. „Und wer garantiert mir, daß ich dann nicht wieder in der Hölle lande?“
„No Risk, no Fun!“ entgegnete sie ohne eine Miene zu verziehen.
„Stop mal!“ warf ich beschwichtigend ein. „Du glaubst, das wäre ein Kinderspaziergang, wie? Du glaubst, ich würde da einfach so durchgehen, wie durch jeden anderen Traum auch?“
„Du hast gesagt, es war ein Traum.“ sagte sie.
„Nein, ich sagte, es war WIE in meinem Traum.“ korrigierte ich. „Die Szenerie war die selbe, ja, aber es fühlte sich nicht mehr an wie ein Traum. Es war ECHT!“
„Nur um es nochmal auf dem Schirm zu haben, Klumpfuß… Wir sind beide seit Jahren hier in diesem Heim, richtig?“
„Richtig!“ antwortete ich.
„Wir haben viele Idioten hier krepieren sehen, richtig?“
Ich nickte.
„Dann machst du diesen Waldausflug mit Anna, bei sie dir unter der Nase wegstirbt und während du im Wald bist, liegst du auch gleichzeitig bei dir im Bett, was ja nun auch nicht gerade der Logik entspricht, ne?“
Ich sagte nichts.
„Dann gibt es Zeitstillstände um das Heim herum, wie ein geometrischer Kreis, wobei das Heim und Treesville davon ausgenommen sind. Treesville ist allerdings eine Produktionsstätte voller programmierter Androiden. Und nicht zu vergessen, deine alberne Tante aus den Träumen, die dir auch keine Antworten gibt… Und jetzt springst du vom Dach und holst dir nichtmal eine Schramme und erzählst mir, du wärst schon wieder in eine Paralleldimension gereist, in der sich ein gesichtloser Mann und eine Leiche befindet, die du bereits auch aus deinen Träumen kennst. Hab ich das jetzt richtig verstanden?“
„Im Großen und Ganzen, ja.“ antwortete ich.
Therese grinste. „Nun, dann bist du ja bereits mit den möglichen Folgen konfrontiert und kannst nochmal vom Dach springen, während ich dabei bin.“
Ich seufzte. Anscheinend gab es keine Möglichkeit, Therese von ihrem Beweis abzubringen.
...to be continued