So. Zu meinem und auch irgendwie eurem Vorteil gab es in der Firma einen Serverausfall und ich konnte mir deshalb den halben Tag frei nehmen.
Dementsprechend habe ich auch heute schon Zeit noch ein weiteres Kapitel online zu stellen.
Als er die Türe aufmachte, stand bereits ein Mädchen davor. Sie war ungefähr in seinem Alter,
hatte eine Glatze, keine Schuhe und einen Armreif am linken Handgelenk. Sie war eindeutig ein Nihili.
Das einzige, was mich verwunderte war, dass ihr Körper von zahlreichen Piercings besetzt war, doch
dies sagte ja nichts darüber aus, ob sie es mochte oder ihr Herr. Aber eins wurde sicher nicht von
ihrem Herrn beeinflusst. Nämlich der unnachahmlich wütende Gesichtsausdruck.
„Was soll das?“, fuhr sie Kiano an, der ganz offensichtlich eben so wenig verstand worum es ging,
wie ich selbst, doch was auch immer es war: Es wäre seine Schuld. „Worum geht es, Süße?“,
erkundigte der Rebell sich zaghaft, doch sie blieb unbeeindruckt: „Worum es geht? Du hast einen
Fremden hier her gebracht. Nidalla sagte, dass ihr ihn von der offenen Straße mitgenommen habt und
dass er noch vor Abfahrt die Blutung eingedämmt hat.“
Natürlich verstand ich, dass sie mir nicht hätten helfen dürfen, doch so wie Kiano aussah, kam es nicht
mehr auf die ein oder andere gebrochene Regel an, doch meine Zweifel wurden sofort beseitigt:
„Dir kann das egal sein, wir sind ungehorsame Nihili. Uns können die sowieso killen, wie sie wollen, aber verdammt,
Nidalla hat offiziell gar nichts mit uns zu tun. Wenn er jetzt schon öffentlich Nihili hilft, wie lange, meinst du überlebt er das?“
Irgendwie fühlte ich mich schuldig, auch wenn ich wegen der Bewusstlosigkeit nicht den geringsten Einfluss gehabt hatte.
Aber weshalb hatte das Schicksal mich ausgerechnet vor deren Auto getrieben. Kiano hingegen wies jede
Schuld strategisch zurück: „Einen von uns verletzt liegen zu lassen, wie ein Tier, das mag die Art einiger Erstgeborener sein,
aber wir sollten es doch besser wissen oder etwa nicht?“
Mein Gewissen plagte mich. Sie war seine Freundin. Die beiden sollten sich nicht meinetwegen streiten und erst
recht nicht nachher im Streit auseinander gehen: „Wenn es hilft. Wenn es hilft, dann gehe ich.“ - „Kleiner“,
brachte Kiano überrascht heraus, doch offensichtlich wusste er dazu nichts weiter zu sagen. Seiner Freundin
fiel sehr wohl etwas ein: „Danke. Es tut mir sehr Leid, aber es ist wohl besser so.“ Nun klang ihre Stimme sanft
und mit Mühe konnte man tatsächlich das Bedauern hinaus hören.
„Der Junge bleibt“, widersprach die feste Stimme eines erwachsenen Mannes, der hinter den beiden im Türrahmen
Platz gefunden hatte. „Zumindest bis sein Arm wieder verheilt ist und danach wird es seine Entscheidung sein,
ob er bleibt oder nicht.“ Der Mann hatte Braune halblange Haare, eine Zigarette im Mundwinkel und trug kein Armband – Nidalla!
„Wenn dich einer dabei gesehen hat, wie du ihn verarztet hast bist du weit mehr los, als nur deinen verdammten Job.
Dann können die dich ohne zu zögern töten“, meckerte die junge Frau nun wieder mit fester Stimme. „Du stirbst vielleicht,
weil du ihm geholfen hast und das obwohl du ihn nicht einmal kennst und nun willst du ihn gesund pflegen?“
Das Gesicht des Arztes wurde nur noch freundlicher und er verließ den Raum mit den Worten: „Vielleicht. Vielleicht sterbe ich wirklich,
weil ich ihm geholfen habe. Und ebenso >vielleicht< sterbe ich, weil ich beim wechseln einer Glühbirne von der Leiter falle.
Der Junge bleibt.“
OK, das war es dann auch schon wieder.
Ich hoffe es hat euch gefallen.