Hallo Willow! Ich hoffe, du hattest schöne Weihnachten.
Also, grundsätzlich teile ich deine Erwartung, aber sie ist leider auf ein gesamtes Land gesehen, etwas utopisch. Ich versteh ja auch kein Alemannisch.
Aber du kannst Deutsch, unsere Amts- und Landessprache, die jeder im Land versteht.
Und schau dir bezüglich Sprache mal bitte deutsche Auswanderer nach Amerika an, z.b. im südlichen Brasilien. Da ist die ländliche Gegend noch voll von deutschsprechenden Auswanderern, die sich, in Hoffnung auf ein besseres Leben/Religionsfreiheit, vor 100-200 Jahren aus Mitteleuropa verabschiedet haben, und IMMER NOCH NUR fast ausgestorbene, deutsche Dialekte sprechen. Integrationsverweigerung können Deutsche mindestens genauso super, wie Leute aus allen anderen Ländern auch.
Das bestreite ich gar nicht. Natürlich gilt für deutsche Auswanderer das Gleiche wie für Einwanderer nach Deutschland. (Ich habe mich früher beim Schauen dieser Auswanderer-Sendung auf VOX oft genug fremdgeschämt, das kannst du mir glauben.)
Zum letzten Punkt stimme ich dir eigentlich zu 100% zu. Das Problem ist aber weniger, dass die Eltern, ihren Kindern den Kontakt zu "Einheimischen" verweigern, als dass sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart, die Kinder, die in der Schule Kontakt zu deutschsprechenden Kindern gesucht haben, zurückgewiesen wurden und werden.
In der Schule ist es schon zu spät. Wenn Einwandererkinder erst in der Schule regelmäßigen Kontakt zu einheimischen Kindern und mit der Landessprache bekommen, dann kommen sie wahrscheinlich im Unterricht nicht richtig mit (Schulversagen und Hartz-IV sind dann quasi vorprogrammiert) und zwischen den Schülern entwickelt sich ein "Wir-und-Die"-Gefühl.
Ich denke, ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt sich am besten, wenn die Kinder gemeinsam in den Kindergarten gehen. Da müssen sie nicht lernen, sondern dürfen zusammen spielen und sich in Ruhe kennenlernen und miteinander anfreunden. Und normalerweise gehen gerade so kleine Kinder ja vollkommen unbefangen aufeinander zu. (Dass das in der Schule schon manchmal nicht mehr so ist, findest du ja auch.)
Davon abgesehen spielt auch das Alter, in dem man eine Sprache lernt, eine wichtige Rolle. Je jünger man ist, desto einfacher lässt sie sich erlernen und desto höher ist das Sprachniveau, das man erreichen kann. Dann spielt es auch keine Rolle mehr, wie gut oder schlecht die Eltern die Sprache beherrschen. (Wahrscheinlich lernen die Eltern dann sogar von ihren Kindern.)
Nicht zwangsläufig von den Kindern selber, aber ich bin mir sicher es gibt nach wie vor viele Bio-Deutsche, die ihren Kindern schon früh beibringen, dass die "Türken da" anders sind als "wir", und sie deswegen doch bitte nicht das Mädchen, dessen Mutter ein Kopftuch trägt, nach Hause mitbringen sollen. Fängt ja schon damit an, wenn sich jemand darüber aufregt, dass das Nachbarskind kein Schweinefleisch oder keine Gummibärchen isst*. Und stell dir dann vor, dass solche Ausgrenzungserfahrungen, die im latenten Rassismus gründen, keine Einzelfälle sind. Selbst die geduldigsten Kinder geben irgendwann auf mit den "Einheimischen" spielen zu wollen.
Da hast du recht. Deswegen sagte ich ja, Integration beruht auf Gegenseitigkeit.
Es bringt aber auch nichts, immer wieder zu betonen, dass es Deutsche gibt, die mit Ausländern nichts zu tun haben wollen und ihren Kindern das ebenfalls eintrichtern. Genauso gut gibt es sicherlich auch Ausländer, die das umgekehrt ebenso praktizieren. Darauf herumzuhacken macht einfach keinen Sinn. Wir sind uns sicherlich einig darüber, dass sowas von beiden Seiten nicht vorkommen sollte.
*Und wenn mir jetzt ernsthaft jemand kommt, der meint Schweinefleisch wäre ein integraler Bestandtteil deutscher Kultur, dann gute Nacht!
Sagen wir's so: Niemand muss Schweinefleisch essen, wenn er es nicht essen mag. Nur sollte er auch nicht fordern, dass es in der Kantine nicht mehr angeboten wird.
Naja, Manche Burschenschaften und ihre Bräuche und Netzwerke find ich wesentlich befremdlicher als die Durchschnitts-Moschee um die Ecke. Und Hardcore-Freikirchler finde ich mindestens ebenso problematisch wie manche "Salafisten".
Ich habe bei diesem Thema an normale Vereine gedacht, wie beispielsweise Sportvereine (das Thema kam ja wegen eines Schützenvereins auf). Die stellen keine Parallelgesellschaft dar, weil die Mitglieder nicht nur miteinander zu tun haben. Die treffen sich vielleicht ein- bis zweimal pro Woche und gehen ihrer Vereinstätigkeit nach und den Rest der Woche machen sie halt etwas anderes mit anderen Leuten. Ab und zu kommen vielleicht noch Wettkämpfe und eine Weihnachtsfeier dazu und das war's.
Was als paralellgesellschaft wahrgenommen wird, hängt halt von der jeweiligen Person ab.
Wenn es rein subjektiv ist, dann macht das Diskutieren darüber keinen Sinn. Es geht nicht darum, wie etwas wahrgenommen wird, sondern wie etwas ist.
Vereine passen da für mich nicht herein, weil man sich mit ihnen normalerweise nicht von der Mehrheit abschottet. Jemand, der in einem Verein Mitglied ist, ist halt nicht jederzeit ausschließlich Vereinsmitglied. Er "darf" auch mit anderen Menschen zu tun haben (hat er auch) und auch noch anderen Hobbies nachgehen. Die Sozialisation findet nicht zwangsläufig ausschließlich und nicht hauptsächlich im Verein statt. Der Verein ist nur eine Ergänzung des sozialen Umfeldes, nicht der Mittelpunkt.
Und vergessen wir mal nicht den moslemischen Beinah-Schützenkönig: Er wurde im Verein aufgenommen, obwohl das laut Satzung nicht möglich gewesen wäre. Vereinsregeln werden in der Praxis eben auch gern mal flexibel umgesetzt (oder geändert), wenn es dem Miteinander dient.
EDIT:
Taurec schrieb:
Integration... Wenn ich da nur immer wieder mitbekomme, dass heute immer noch Leute ankommen mit ihrem Ossi-Wessi-Scheiß... *kotz*
Als gebürtiger Ossi, der im Westen lebt, könnte ich dir jetzt auch so ein paar Geschichten erzählen.

Ich denke aber, dass diese gedankliche Trennung mit meiner Elterngeneration aussterben wird. Zumindest merke ich das an mir selbst und meinen gleichaltrigen Freunden.