Seid so lieb und guckt euch die Lupenbilder von Alecs und Meghans Schlafkammer an. Ich liebe dieses Zimmer.
Und das Lupenbild zu Bild 16 - die Aussenansicht von Leodrics Heim bei Nacht - mag ich auch sehr gern.
Und am Ende gibt´s ein klitzekleines Schmankerl zum nächsten Kapitel.
Und jetzt wünsche euch viel Spaß und einen schönen Restfeiertag!
Brayan und ich blieben stehen und wandten uns um.
Meghan schloss rasch die Tür und eilte uns entgegen.
„Verzeiht, dass ich Euch jetzt störe, Ihr habt im Moment bestimmt andere Sorgen, aber Ihr werdet gleich abreisen, und…"
Sie verstummte, warf einen Blick auf Brayan und schlug unsicher die Augen nieder.
Ich nahm Brayan zur Seite.
„Ich glaube, sie will mit mir alleine sprechen. Geh schon mal, ich komme später nach", sagte ich zu ihm.
Ich wandte mich wieder Meghan zu, aber sie zupfte nur unentschlossen an ihrem Kleid.
„Ihr wolltet mich etwas fragen?" Ich zwinkerte ihr aufmunternd zu.
„Ihr versteht Euch auf die Kunst des Heilens, Herrin. Ihr habt Lyall geholfen."
Ich verstand. „Ihr macht Euch Sorgen wegen des Kindes?"
„Ja… nein…" Sie verstummte wieder.
So kamen wir nicht weiter.
„Wollen wir uns nicht lieber erst mal an einen etwas privateren Ort zurückziehen?", schlug ich vor.
Sie nickte erleichtert und führte mich eine Treppe hinauf, in ihre und Alecs Schlafkammer.
„Nun, also", ergriff ich das Wort, nachdem Meghan die Tür hinter uns geschlossen hatte.
„Wie weit seid ihr?"
„Es sind noch gut zwei Monde bis zur Geburt", sagte Meghan, jetzt schon ruhiger.
„Und habt Ihr Grund zur Besorgnis?", hakte ich nach.
„Bewegt sich das Kind nicht? Habt Ihr Schmerzen?"
„Nein, nichts dergleichen“, erwiderte Meghan.
„Mir geht es gut, und er ist sehr lebhaft."
Sie strich sanft über ihren Leib. „Es ist nur… ich befürchte, es könnte so sein wie bei Morwen."
„Was war bei Morwen?", hakte ich nach.
„Sie lag falsch herum. Die Geburt dauerte sehr lange, und ich habe sehr viel Blut verloren. Ich wäre beinahe gestorben."
„Und jetzt habt Ihr Angst vor der Geburt", schlussfolgerte ich. Ich war überrascht, als Meghan heftig den Kopf schüttelte.
„Nein, ich fürchte mich nicht", sagte sie. „Aber Alec ist vor Angst beinahe außer sich."
„Alec?", fragte ich verblüfft.
„Er hat sich die Schuld gegeben", sagte Meghan leise.
„Er dachte, er sei verantwortlich, dass ich beinahe gestorben wäre. Er sagte, er würde dafür Sorge tragen, dass dies nicht noch einmal passieren könne.
Er hat sich nach Morwens Geburt von mir fern gehalten."
Sie errötete sanft.
„Nun", sagte ich trocken, „ganz offensichtlich hat er sich anders besonnen."
„Nein, hat er nicht." Meghan wurde noch röter.
„Ich habe immer wieder auf ihn eingeredet. Dass es nicht wieder so kommen muss. Dass auch er sein Leben jeden Tag aufs Spiel setzt, wenn er in den Kampf zieht, und sich trotzdem nicht davor versteckt.
Und dass das eben das Risiko ist, dass ich zu tragen habe. Aber es hat nichts genützt.
Und dann habe ich… ich habe…"
Mittlerweile hatte Meghans Gesicht eine tiefrote Farbe angenommen.
„Ihr habt ihn verführt."
Ich schmunzelte. Wer hätte das gedacht.
Sie nickte heftig.
„Das habt ihr gut gemacht", sagte ich, „ich hätte das Gleiche getan."
Meghan sah überrascht auf. „Wirklich?", fragte sie ungläubig.
„Wirklich", bekräftigte ich.
„Und jetzt…", fuhr sie zögernd fort, „ich glaube, er liegt auch verkehrt. Und wenn es wieder so wird wie bei Morwen, weiß ich nicht, was Alec tun wird."
„Darf ich?", fragte ich, und als Meghan nickte, untersuchte ich sie rasch.
„Nun", sagte ich dann. „Im Moment liegt er tatsächlich falsch herum."
Meghan seufzte. „Das habe ich mir gedacht."
Ich setzte mich neben sie und nahm ihre Hand.
„Meghan, das muss noch nichts zu sagen haben. Ihr habt noch Zeit, das Kind ist noch nicht zu groß, und es hat noch ausreichend Platz.
Er kann sich noch drehen."
Niedergeschlagen sah sie in ihren Schoß.
„Und wir können auch etwas tun", fuhr ich fort, und hoffnungsvoll sah sie auf.
„Wir können etwas tun?" wiederholte sie, und ich nickte.
„Wir werden ihn ein wenig ärgern", lächelte ich, und auch auf Meghans Gesicht zeigte sich ein schwaches Lächeln.
„Es gibt ein paar Dinge, die wir tun können, um ihn zu überreden, sich doch noch zu drehen."
„Aber Ihr werdet gleich abreisen", sagte Meghan zweifelnd. „Geht das so rasch?"
„Nein." Ich schüttelte den Kopf. „Aber ich werde vor meiner Abreise mit Shainara reden. Sie wird euch helfen."
„Die Hohepriesterin?" Erschrocken riss Meghan die Augen auf.
„Sie ist auch Heilerin, nicht nur Hohepriesterin", sagte ich beruhigend. „Sie wird euch gerne helfen."
Es kostete mich noch geraume Zeit, bis ich Meghan davon überzeugt hatte, dass sie keine Scheu davor haben musste, die Hilfe der Hohepriesterin anzunehmen; aber endlich stimmte sie zu, und ich machte mich auf den Weg zu Brayan.
Weit sollte ich allerdings nicht kommen, ich hatte kaum den Hof erreicht und atmete tief die kalte Nachtluft ein, als sich die Tür erneut öffnete und Shainara zu mir trat.
„Gut, dass ich dich treffe", ergriff ich sofort die Initiative, um ihr keine Gelegenheit zu bieten, über Runcal zu sprechen.
Ich berichtete ihr von Meghan und ihren Sorgen, und Shainara nickte.
„Selbstverständlich kümmere ich mich um sie, solange ich hier bin."
„Danke", sagte ich und wollte mich abwenden, aber Shainara ergriff sanft meinen Arm.
„Warte, Neiyra", sagte sie. Ich seufzte und fügte mich in das Unabänderliche.
„Weißt Du, wie Du Runcal daran hindern kannst, deine Träume zu betreten?"
Überrascht sah ich sie an. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.
Ich rang mit meinem Wunsch, keine Handbreit Boden aufzugeben und der Erkenntnis, dass ich Hilfe benötigte.
„Nein", gab ich schließlich zu. „Ich habe eine Vermutung, aber ich bin nicht sicher."
Aufmerksam sah Shainara mich an.
„Ich weiß nicht, wieviel dir von deinem Unterricht in Caer Galadon in Erinnerung geblieben ist. Du schienst immer sehr darauf bedacht, möglichst nicht zuzuhören."
Ich antwortete nicht, denn dazu gab es nichts zu sagen. Schließlich hatte sie Recht.
„Erinnerst Du Dich an die Lektion mit dem Kästchen? Dem Schloss und dem Schlüssel?"
Ich nickte langsam. An diese Lektion erinnerte ich mich in der Tat.
Es war die einzige, die ich angenommen hatte, und die im Laufe der Jahre zu einem festen, unverzichtbaren Bestandteil meines Lebens geworden war.
Ich war eine Meisterin darin.
„Es ist dasselbe Prinzip", sagte Shainara.
Ausdruckslos sah ich sie an, dann nickte ich erneut.
„Neiyra…", sagte sie zögernd. Sie musterte mein Gesicht, dann seufzte sie.
„Ich hoffe, du weißt, dass dich keine Schuld trifft."
Sie senkte den Kopf, und als sie weiter sprach, war ihre Stimme nur ein Hauch.
„Ich habe niemanden kennen gelernt, der sich Runcals Charme entziehen konnte, wenn er es darauf angelegt hat. Er ist…."
Sie schien nach Worten zu suchen.
„Zauberhaft", flüsterte sie dann.
Erschreckt sah ich sie an. Glänzten da etwa Tränen in ihren Augen?
Ich war mehr als erleichtert, als sich in diesem Moment eine Gestalt aus dem Dunkel löste und Artair zu uns trat.
Shainara straffte sich und wandte sich zu ihm um.
„Ich habe Mártainn gesehen", sagte sie unumwunden.
„Sie haben den Ritualplatz noch nicht erreicht, aber er glaubt, dass die Kinder noch am Leben sind.
Er hatte erst kürzlich Kontakt zu den Cul´Dawr, die alles für unsere Ankunft vorbereiten."
„Das ist gut." Artair klang erleichtert.
„Wir hatten nicht viel Zeit", fuhr Shainara fort, „aber ich habe ihm mitgeteilt, was hier geschehen ist. Er sollte also gewarnt sein."
Sie sah zwischen Artair und mir hin und her.
„Ich werde euch jetzt mal euch selbst überlassen", sagte sie und ging davon.
Verblüfft sah ich ihr nach.
Artair ließ sich schwer auf die kalten Stufen fallen. „Setz dich zu mir, Neiyra", sagte er.
Ich seufzte innerlich, sträubte mich aber nicht und setzte mich neben ihn.
Eine Weile saßen wir schweigend nebeneinander, dann drehte sich Artair zu mir und legte mir sanft etwas in den Schoß.
Ich tastete danach, und als ich erkannte, was es war, erstarrte ich.
Es war eine Rose, eine wunderbare, makellose, duftende Rose. Ich strich über die zarten Blütenblätter und schluckte.
Trotz all dem, was vorhin in Leodrics Kammer besprochen worden war, trotz all dem, was zu tun war und was jetzt vor uns lag, erinnerte sich Artair daran, dass er dort erfahren hatte, dass ich Blumen liebte.
„Nun sag es schon", flüsterte ich schließlich. „Sag ‚Ich habe es dir doch gesagt‘. Du hattest Recht, dass ihm nicht zu trauen war."
Artair schwieg eine Weile.
„Ich erinnere mich noch sehr gut an Runcal", sagte er dann, und überrascht sah ich auf.
„Bevor er meine Eltern ermordete, war er oft mit Mártainn in Caer Mornas. Er war unser Gast, meine Eltern haben ihn gemocht. Sie führten stundenlange Gespräche mit ihm, und Brayan und ich…"
Er fuhr sich über die Stirn.
„Brayan und ich, wir haben ihn geliebt. Er hatte immer Zeit für uns, er zeigte uns die interessantesten Dinge, und, das war das Wichtigste, er hat uns niemals wie Kinder behandelt.
Als wir erfahren haben, dass er es war…"
Er brach ab; dann griff er nach meiner Hand. Sanft strich er mit seinem Daumen über meine Fingerkuppen.
„Es war nur ein Gefühl", sagte er dann.
„Dass möglicherweise etwas mit diesem Kerl in deinen Träumen nicht stimmen könnte. Und dass es besser wäre, vorsichtig zu sein, bis seine Identität geklärt wäre."
„Du hast mir nicht getraut", sagte ich ruhig.
Es war kein Vorwurf, und Artair verstand es auch nicht so. Was mich am meisten erschreckte, war, was hätte geschehen können, wenn Artair mir vertraut hätte.
„Ich habe ihm nicht getraut", erwiderte Artair. „Es fiel mir schwer, meine Pläne vor dir zu verheimlichen."
Er schüttelte den Kopf.
„Ich bin so wütend, Neiyra", sagte er, und ich konnte den Zorn in seiner Stimme hören. „Er hat dich verletzt."
Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter, und erneut schwiegen wir eine ganze Weile.
„Du bist ja ganz schön hart mit Shainara umgesprungen", sagte ich dann und grinste.
Artair grinste zurück, dann wurde er ernst.
„Es war nicht richtig, dass sie mir nichts von ihrem Verdacht gesagt haben."
Sie hatten auch mich nicht gewarnt. Und zugelassen, dass ich mich Ihm anvertraute. Dass ich verletzt wurde, weil es in ihre Pläne gepasst hatte.
„Sie haben mich in gewisser Weise großgezogen", fuhr Artair fort, „ besonders Mártainn – und sie behandeln mich manchmal immer noch wie ein Kind.
Das macht mich wahnsinnig, besonders, weil ich es letztlich bin, der die Verantwortung für das Wohl der Menschen trägt.
Und ich weiß nicht, was ich dagegen tun soll. Vermutlich bin ich deshalb so aus der Haut gefahren."
„Es war gemein, dass Du Shainara zuerst in dem Glauben gelassen hast, dass ihre Priesterinnen ungeschützt durch die Wälder irren."
Artair stieß mir den Ellbogen in die Seite und grinste wieder.
„Ich weiß", sagte er, aber er klang kein bisschen reumütig.
„Ich konnte nicht widerstehen. Ich dachte, der Schreck wäre vielleicht heilsam, und sie würde möglicherweise darüber nachdenken, ob sie mir in Zukunft mehr Vertrauen entgegenbringt."
„Zum Glück warst Du klüger als wir alle zusammen", sagte ich versöhnlich.
Artair zuckte zusammen, dann schwieg er wieder eine lange Zeit. Schließlich schüttelte er den Kopf.
„Nein", sagte er rau. „Wenn ich ehrlich bin, war ich kein Stück klüger. Wir hatten nur verdammtes Glück."
Erstaunt sah ich ihn an.
„Ich war eifersüchtig, Neiyra", sagte Artair leise. „Ich war eifersüchtig auf diesen Kerl, und auf das, was euch verbunden hat.
Ich wollte ihm nicht trauen. Und ich wollte nicht vor mir selbst zugeben, dass ich eifersüchtig war, und deshalb blieb mir gar nichts anderes übrig, als auch so zu handeln, als hätte ich einen echten Grund, ihm zu misstrauen."
Sprachlos sah ich ihn an, und dann legte ich meinen Kopf wieder auf seine Schulter.
Eine knappe Stunde später saßen wir im Sattel. Nur eine Handvoll Männer mit den schnellsten Pferden begleitete uns; auch Braigh hatte in Caer Umran zurück bleiben müssen.
Wir ritten hart und legten bis kurz vor Anbruch der Morgendämmerung ein gutes Stück Weges zurück, ehe wir Rast machten, um ein wenig zu schlafen.
In meine Decke gewickelt lag ich dicht beim Feuer und wehrte mich lange gegen das Einschlafen.
Aber als ich schließlich doch in den Schlaf glitt, konnte ich Runcals Präsenz sofort spüren.
Es war ein zähes Ringen, aber ich ließ ihn nicht zu mir durch.
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