Wuhu!!!
Ich wollte dir ja eigentlich schon lange schreiben, aber dann war ich immer entweder zu erschöpft, zu beschäftigt oder zu depressiv dazu. Was mir jedoch als Allererstes aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass du die fünfte Seite verpasst hast! Und die vierte auch!!!

Okay, es ist mir nicht als
Allererstes aufgefallen, weil es mir erst jetzt aufgefallen ist und mir vorher noch einige andere Dinge aufgefallen sind, aber… woa. Wie konntest du dich nur so gehen lassen? Und komm jetzt nicht mit: «Jaa, es lohnt sich doch nicht mehr, weil die Story ja eigentlich fertig ist und nur noch die Sequels…» Blabla. Ich bin enttäuscht.
Was ich dann auch noch gemein fand, ist, dass Toria ihr blödes Licht noch immer nicht gefunden hat. Wann erlöst du sie endlich? Jetzt muss sie ja für immer auf der Erde weilen! Weil es nämlich nie, niiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiie mehr ein Toria-Kapitel geben wird. Ich habe befohlen, dass sie am Schluss das Licht findet. Tat sie aber nicht. Vielmehr wurden wir nicht darüber aufgeklärt, was mit dem blauen Himmel los war. Oder was die Frau genau wollte. Was ist das, blauer Meeresgott? Ein vergessener Handlungsstrang?
Nichtsdestotrotz will ich darauf hinweisen, dass die Lektüre (ich hasse dieses Wort so. Ich hasse es so sehr, dass ich es immer wieder brauchen muss. Tut mir leid) dieses Sequels ein wahrliches Vergnügen war.
Du hast mich ja gebeten, zu prüfen, ob der unter erschwerten Bedingungen aufgrund einer sogenannten Schreibblockade entstandene Text etwas taugt. Die einzige von mir beobachtete Auswirkung ist die Tatsache, dass die durchschnittliche Fehlerquote viel tiefer lag als normal. Du kannst also gut noch eine Weile in deiner Blockade rumhääängen. Ich werde dir nun dennoch einen Beweis liefern, dass der Text gut ist. Einen mathematischen Beweis:
Was deine Schreibblockade anbelangt, gibt es zwei Möglichkeiten bzw. Annahmen:
1) Du hast das alles nur erfunden, damit ich dich noch toller finde (haha, genau das tust du doch den ganzen Tag!). Schliesslich hast du sie öffentlich auch nie erwähnt. Hahaha. Nur mir gegenüber, deiner Vertrauensperson. Und ich verrate es jetzt allen.
2) Du kannst es trotzdem. (Also: Schreiben. Trotz Blockade.)
Beweis für 1):
Hier führen wir einen sogenannten Gegenbeweis durch, wir beweisen also, dass das Gegenteil dessen, was wir beweisen wollen, falsch ist.
Die Aussage a «Ich habe eine Schreibblockade» ist erfunden (geht aus der Annahme 1) hervor).
Somit ist das Gegenteil von a zutreffend: «Ich habe keine Schreibblockade».
Da wir aus Erfahrung wissen, dass von dir ohne Schreibblockade verfasste Texte gut sind, ist dieser Text somit gut.
qed.
Beweis für 2):
Die Schlechtigkeit eines Textes sei näherungsweise mit der Funktion f(x) = 5/6·x^6 – 18/5·x^5 + 3/4·x^4 – 33'882'624x + 83'853'545'445 beschrieben. Jeder Text hat einen x-Wert. Die Funktion f(x) weist jedem x die Schlechtigkeit des dazugehörigen Texts zu. Wenn wir die Funktion also betrachten, sieht man, dass ein Text unendlich schlecht, aber bloss endlich gut sein kann. Dies ist natürlich in Wirklichkeit nicht zu bestätigen, jedoch handelt es sich ja lediglich um ein mathematisches Modell.
Der x-Wert eines Textes lässt sich folgendermassen berechnen:
x_Text = w(t_Text) + o(t_Text) + l(t_Text)
wobei die Funktion w(t) die Weisheit, die Funktion o(t) die Originalität und die Funktion l(t) die Lustigkeit des Textes beschreibt – approximativ natürlich.
Die Zahl t_Text (Element R) dieses Textes sei 24 (das ist ein Axiom).
Die weisen Weisheiten durften natürlich nicht fehlen (sogar Billy versucht sich darin):
„Weisst du, Toria, manche Dinge sind so wie sie scheinen, und manche Dinge sind nicht so, wie sie scheinen“, sagte Billy.
„Ein merkwürdig blauer Himmel? Wie sah der Himmel denn aus? Normalerweise ist ein Himmel nämlich blau“, erwiderte Billy.
Gemeinsam mit Torias weisen Äusserungen…
Am liebsten fing ich früh am Morgen an zu arbeiten. Man kriegt viel mehr auf die Reihe, wenn all die andern noch im Bett liegen und man den ganzen Tag vor sich hat.
Was bringt es jemandem, bis zwölf Uhr mittags zu schlafen, dann aufzustehen und zur Arbeit zu fahren? Der Tag ist sofort rum und man hatte gar nichts von ihm.
Im Tod war das anders. Die Zeit verging nicht, denn man war in der Ewigkeit angekommen. Zwar war ich selbst noch nicht ganz angekommen, denn ich war immer noch hier… Hier auf dieser Welt, in meiner Stadt. Vielleicht war das der Grund, weswegen mir alles ewig vorkam.
Das Schöne an seinen eigenen vier Wänden ist nicht, dass diese einem selbst gehören, sondern die vier Wände selbst. Sie geben dir eine gewisse Geborgenheit, eine Rückzugsmöglichkeit.
…ist die Weisheit dieses Textes also sehr hoch, wie auch die Formel beweist:
w(t) = t^(t-20) + t + 1/(t-3) – (6'967'675/21) → w(t_Text) = 6
Und Torias altbekannte schlechte Laune ist wie immer schon von Weitem zu spüren:
„Okay, keine Ausreden, was wollte sie hier?“, fragte ich nun Ramon. Ich war überrascht, wie unfreundlich meine Stimme sein konnte.
Oder natürlich hier:
Als ich sie geöffnet hatte, strahlte Ramon mir entgegen.
„Toriaaaaaa“, rief er erfreut.
„Wo ist es?“, fragte ich ihn mürrisch.
„Wo ist was?“, fragte er zurück.
„Wie, wo ist was? Wo ist es?“, fragte ich erneut.
„Wie, wo ist was, wie, wo ist es? Was ist wo?“, erwiderte Ramon und lachte spitzig.
Ich liebe solche Dialoge!
Dennoch ist die Protagonistin sympathisch und immer für andere da.
Er sass auf meinem Sofa und starrte traurig ins Leere. Ich hatte Ramon noch nie so traurig gesehen.
„Ramon? Was ist los mit dir? Was war mit Molly?“, fragte ich ihn nun ruhig.
„Sie wollte mit mir… und… ich konnte nicht…“, erwiderte er.
Ich musste grinsen, sagte dann aber nur: „Das… das kann doch jedem Mann mal passieren.“
„Toria… kannst du mir einen Kaffee spendieren? Ich habe kein Geld. Ich habe einfach gar nichts mehr.“
„Natürlich, kein Problem“, antwortete ich ruhig und lächelte ihm zu.
„Und kann ich noch ein wenig bei dir bleiben?“, fragte er weiter.
„Kein Problem“, entgegnete ich ihm erneut.
„Ich kann dir aber nicht sagen, wie lange ich bleiben werde“, fügte Ramon noch hinzu.
„Ich weiss“, sagte ich darauf.
Auch wenn meine Wohnung viel zu klein war für mich und Ramon, so nahm ich ihn trotzdem bei mir auf. Wenn ein Freund Hilfe benötigt, sollte man ihm diese geben. Dafür sind Freunde da.
Nicht zu verachten sind auch die gekonnten Wortspiele:
Während alles totenstill war, und das sage ich nicht, weil ich tot bin, es war wirklich totenstill, fing sich in meinem Kopf alles an zu drehen.
Spannung ist ebenso stark vertreten:
„Toria, du wirst ZURÜCKBEKOMMEN , was du getan hast“, flüsterte die Stimme weiter. Das Flüstern, von dem ich nicht wusste, woher es kam, versetzte mir eine Gänsehaut.
Die Protagonistin ist mit ihrem Wortschatz unverkennbar und unter tausend anderen Charakteren und Figuren wiederzuerkennen:
Und natürlich dieses Glanzstück:
„Welche Farbe mögen Sie an Hunden?“, stellte Miss Savia die nächste Frage.
Farbe an Hunden?! Das ist wirklich,
wirklich einfallsreich!
Somit ist der Text auch einigermassen originell. Das zeigt mathematisch auch die Originalitätsfunktion hervorragend:
o(t) = t^6 – t^5 – t^4 – t^3 – t^2 – t – 182'794'150 → o(t_Text) = 2
„Man, Toria, ich bin das, was ich bei dir… lagern… will“, erwiderte er verlegen.
Hallooo??? Nennt man das Schreibblockade? Das ist lustig!!!

Aber auch das ganze Bewerbungsvorbereitungsgespräch mit Mr. Haihammer gehört zu den eher belustigenden Textstellen. Insgesamt gibt es aber viel zu viele solcher Stellen, als dass man sie auflisten könnte. Ausser, man zitierte das ganze Kapitel, was aber bescheuert wäre.
Doch was rede ich? Dazu haben wir natürlich auch eine Funktion, die das eindeutig ausdrückt, die Lustigkeitsfunktion l(t):
l(t) = 32/(t-22) --> l(t_Text) = 16
So, nun ist die schlimmste Arbeit des Beweises schon getan. Berechnen wir nun also x_Text mit x_Text = w(t_Text) + o(t_Text) + l(t_Text) = 6 + 2 + 16 = 24.
Jetzt stellt sich die Frage: Ist x = 24 in der Schlechtigkeitsfunktion f(x) ein Hochpunkt oder nicht? Dazu müssen wir f(x) erst zweimal ableiten:
f'(x) = 5x^5 – 18x^4 + 3x^3 – 33882624
f''(x) = 25x^4 – 72x^3 + 9x^2
Um einen Extrempunkt zu erhalten, muss die erste Ableitung f'(x) = 0 sein. Setzen wir doch also unser x_Text mal in der ersten Ableitung ein: f'(24) = 0. Somit ist x = 24 tatsächlich ein Extremwert! Nun muss aber noch geprüft werden, ob es sich um einen Hoch- oder um einen Tiefpunkt handelt. Dazu benötigen wir die zweite Ableitung. Ist f''(x_Text) < 0, ist es ein Hochpunkt. Ist f''(x_Text) > 0, ist es ein Tiefpunkt. (Ich hoffe, du hast jemals in deinem Leben Analysis gehabt. Ansonsten: Vertrau mir einfach. Es stimmt alles.) Wir sehen: f''(24) = 7'304'256 > 0. Somit ist gezeigt, dass der vorliegende Text einen Tiefpunkt in der Schlechtigkeitsfunktion hat. In anderen Worten: Der Text ist sehr, sehr wenig schlecht oder: Der Text ist sehr, sehr gut.
qed.
Nach diesem umfassenden Beweis stimmst du hoffentlich mit mir überein, dass es ein guter Text sein
muss.
Ich hoffe auch, dass du nun siehst, wo das Problem liegt: Viele Dinge sind noch nicht geklärt. Immer noch nicht. Es wurden sogar neue Fragen aufgeworfen. Es hat kein Durch-und-durch-Happyend. Dennoch ist es ein guter Text. Was schliessen wir daraus? Hm?
Du kommst bestimmt selbst drauf.
Hochachtungsvoll
Deine Betaleserin
PS: Falls es irgendwo ironisch klingen sollte, ist dieser Klang falsch. Das kommt davon, wenn man zu viel unmotivierte Toria liest.