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Ingerigar: freut mich, dass dir der Anglertreff gefällt
Die Woche neigt sich wieder dem Ende und daher gibt es heute ein Update von uns. Die letzten Wochen haben wir euch den Frühlingshain vorgestellt und das Haus von Ernst Penndorf und heute müsst ihr diesen Herrn natürlich auch noch genauer kennenlernen.
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»Herr Penndorf«, sagt er zu mir, der Polizist. Hab heute morgen gemerkt, dass einiges aus meinem Schuppen fehlt und die Polizei angerufen. Hat nicht lang gedauert, da war der da, aus Frankfurt. Ein Herr Bachmann. Sven Bachmann hat er glaub' ich gesagt. Beamter der Kriminalpolizei in Frankfurt.
»Sie wurden also ausgeraubt. Können Sie den Zeitraum begrenzen?«
Ich hab natürlich verneint. Wie soll ich den Zeitraum begrenzen? Ich hatte viel zu tun, noch nicht mal Zeit gehabt, um zu basteln oder an neuen Erfindungen herum zu schrauben.
»Wenn ich es doch sage, Herr Bachmann, nein, ich kann das nicht eingrenzen, weil ich die letzten Wochen wirklich viel zu tun hatte.«
»Haben Sie vielleicht jemanden hier in der Nähe gesehen?«
»Sehe ich aus, als hätte ich oft Besuch? Nein und hier war auch niemand. Hier hat in den letzten Monaten keine Menschenseele herum geschnüffelt. Abgesehen von...«
Da hab ich mich an diese Frau erinnert. Monica hieß sie, hat gesagt ich könne sie Moni nennen!
»Abgesehen von?«, unterbricht mich Bachmann und sieht mich fragend an.
»Die Moni war hier.«
»Wer? Eine Verwandte?«
»Nee... sie hat nur gesagt ich kann sie so nennen. Nen junges Ding. Vielleicht 35 oder 40 Jahre.«
»Und was hat die 'Moni' hier gemacht?«
»Mich interviewt... die war von der Zeitung!«
»Verstehe, die hat also in Ihrem Leben herumgeschnüffelt und...«
»Ach Quatsch! Die hat doch nich' geschnüffelt! Die hat Fragen gestellt, für ihre Zeitung. Nette Fragen. Was ich so mache, was ich früher gemacht habe und warum ich allein bin.«
»Ich verstehe ... aber das könnte Ihnen zum Verhängnis geworden sein, immerhin wussten die Einbrecher ja, dass dieses Haus existiert und dass Sie als Förster sehr häufig im Wald unterwegs und logischer Weise nicht Zuhause sind, richtig?«
Er will es einfach nicht glauben, dass sich eine junge Frau einfach mal für das Leben eines alten Mannes interessieren könnte! Ich seufze theatralisch. Vielleicht habe ich wirklich einen Fehler gemacht. Ich hätte ihr nicht das ganze Haus zeigen und über meinen Tagesablauf reden sollen, aber wer denkt denn bitte daran, dass man gleich ausgeraubt werden könnte! Ich nicht!
»Wissen Sie, ich weiß nicht, wie das passiert ist, oder warum ich das alles so haargenau erzählt habe«, begann ich und warf dem Polizisten einen zweifelnden Blick zu, während ich versuche meinen Worten mit beiden Händen entsprechend Ausdruck zu verleihen. Das mach' ich oft - gestikulieren - kann's einfach nicht aufhören.
Wenn ich daran zurückdenke, hab ich damals mit der Moni genauso hier gehockt, wie mit dem Bachmann jetzt. Ich hab' ihr zunächst Mal das Haus gezeigt. Nach dem Tod meiner Eltern bin ich damals mit meiner Frau in dieses Haus gezogen. Es bedeutet mir sehr viel, da ich auch hier groß geworden bin und ich habe mir gewünscht, dass auch meine Kinder hier aufwachsen würden. Bis zu einem bestimmten Grad hat das auch geklappt. Nach etlichen Renovierungen haben wir das Haupthaus wieder in Schuss gebracht und das Dach der Scheune repariert. Weiter sind wir leider nicht gekommen, weil ich irgendwann das Gerüst nicht mehr hoch kam - Athrose in der Hüfte, nicht angenehm sag ich Ihnen.
Es fühlt sich einfach schrecklich an zu wissen, dass hier jemand eingebrochen ist!
Der Polizist sieht mich die ganze Zeit verständnisvoll an, nickt ab und an in den richtigen Momenten und tut so, als würde er genau zuhören. Aber ich lasse ihn auch nicht zu Wort kommen, ihm bleibt gar nichts anderes übrig, als zu sitzen, zuzuhören und zu nicken!
»Wenn Sie uns beschreiben können, wie die Dame aussah, oder einen Namen nennen können, dann werden wir sie sicherlich finden und herausfinden, wo sie arbeitet, vielleicht gelangen wir so an Informa...«
»Bei der Zeitung! Das hab ich Ihnen doch gerade eben schon gesagt!«, unterbreche ich ihn. Hat mir der Kerl etwa nicht zugehört?
»Vielleicht war es die Tatsache, dass sich mal jemand richtig für mich und mein Leben interessiert hat, die mich dazu gebracht hat das alles zu erzählen. Überlegen Sie mal, da kommt die Presse zu einem alten Mann, ich kam mir vor, wie ein Fernsehsternchen«, schwärme ich und noch immer fühle ich den Stolz, der auch in dem Moment dagewesen war.
Die elendigen Versuche von dem Polizisten, irgendetwas zu sagen, ignoriere ich geflissentlich und spreche einfach weiter. Da soll' noch mal einer sagen, ich wäre sozial und gesellschaftlich verkümmert! Sieht man ja, was ich alles erzählen kann!
»Wenn ich jetzt, Monate später, darüber nachdenke, seh' ich ja ein, dass das ziemlich unüberlegt von mir war, dass ich der Moni so viel erzählt habe. Naiv sogar. Aber ich hab mich halt gefreut, als die junge Dame bei mir auftauchte, wo sich doch so selten jemand auf mein Grundstück verirrt. Noch dazu hat sie wirklich Interesse an mir gezeigt! An MIR! Dem alten Förster, der in den Wäldern umherstreift und den man nur noch vom Hörensagen kennt. Früher waren immer Kinder von den Schulen hier und wollten etwas über den Wald erfahren, aber das ist einfach eingebrochen. Kommen nicht mehr. Da freut man sich über Gesellschaft. Die Gegend hier ist doch sonst leer, wie meine Westentasche. Unbewohnt! Eine alte, verlassene Bar, die schon seit Jahren leer steht, ein verlassener Hof und sonst nichts, als Wiesen, Felder und Wald. Weit und breit keine Menschenseele hier!«
Bachmann seufzt. »Herr Penndorf, ich weiß, es tut mir auch leid, dass dieses Gebiet seit Jahren leer steht, aber vielleicht kommen wir erstmal weiter im Fall? Beginnen Sie erst einmal von vorn, damit ich den Fall aufnehmen und alles untersuchen kann. Wie fing das an, warum kam diese Frau zu Ihnen und wie sah sie aus?«
»Ja, also. Das ist schon einige Wochen her, vielleicht auch Monate, ich meine es muss... Mai gewesen sein. Ich war draußen und dann stand sie da.«
Ich höre auf zu sprechen, weil Bachmann mit seinen Händen herum fuchtelt und seufzt.
»Was ist denn jetzt schon wieder?«
»Gehen wir am besten einmal nach draußen und dort zeigen Sie mir ganz genau, wo die Frau war, wie sie aussah, wo Sie waren und welche Wege Sie gemeinsam abgegangen sind. Okay?«
Ich mustere ihn verständnislos. Dieses junge Volk! Muss es einen denn ständig unterbrechen? Doch ich füge mich.
»Von mir aus! Gehen wir eben hinaus!«, meckere ich. Ist ja nicht so, als liefe ich nicht ohnehin den ganzen Tag herum und wäre über ein paar ruhige Momente sehr froh!
Als wir dann draußen ankommen, beginne ich von Neuem.
»Wissen sie, ich bin gerade strammen Schrittes aus dem Wald gekommen. War noch ganz früh am Morgen und ich war bei den Bauern, falls Sie das als nächstes fragen wollen.«
Bachmann nickt - hab ich’s mir doch gedacht!
»Was haben Sie dort gemacht?«
»Na, ich bin die Wiesen abgegangen. Die wollten mähen und bevor die das dürfen, müssen die Kornfelder abgegangen werden.«
»Wegen der..«
»Kitze und Rehe, genau«, werfe ich schnell ein - ich bin der Fachmann! »Die legen ihre Jungen im hohen Gras ab und damit die landwirtschaftlichen Maschinen die nicht erwischen, gehen Brutus und ich vorher die Wiesen ab. Hab natürlich welche gefunden!«, erkläre ich stolz.
»Sehr gut, das heißt, Sie haben sie gerettet, zu welcher Zeit war das genau? Wissen Sie, welcher Tag?«
»Morgens... um halb fünf war ich da, bin um halb sieben oder so wieder zurück. Das war Anfang Mai glaube ist ... nein, Moment! Mitte Mai!«
Bachmann nickt und kritzelt sich irgendwelche Notizen auf seinen kleinen Notizblock.
»Okay, ich nehme an, die haben Sie dann verscheucht und was ist dann passiert?«, fragt er mich. Ich wette, er interessiert sich gar nicht für die Sache mit dem Wild! War ja mal sowas von klar, die Jugend von heute! Immer nur schnell, schnell, schnell!
»Hetzen Sie mich doch nicht so! Sie wollten doch alles hören!«, beschwere ich mich und sehe ihn grimmig an. Das soll ihm eine Lehre sein! Bachmann reißt die Arme hoch und will mich offenbar damit beschwichtigen.
»Schon gut, schon gut, erzählen Sie weiter...«, räumt er schnell ein, doch jetzt kann ich auch nicht mehr erzählen! Jetzt bin ich raus!
»Ist auch egal, jetzt haben Sie meinen Redefluss gestört!«
»Entschuldigen Sie.«
Immerhin isser höflich!
»Naja, also ich kam also nach Hause«, kehre ich zum Thema zurück, um den Jungspund glücklich zu machen. »Und dann war da diese Frau. Sie stand plötzlich einfach vor meinem Haus und es sah aus, als würde sie auf mich warten. Ich wusste natürlich nicht, was sie wollte, aber ich habe mich dennoch gefreut. Wann wartet schonmal eine nette, junge Frau vor dem Haus auf mich? Kommt bei Ihnen vermutlich häufiger vor, als bei mir. Früher, da war das auch Mal anders, aber mittlerweile ...«
Bachmann lächelt nur - vermutlich aus Höflichkeit. Vermutlich glaubt er nicht, dass ich auch mal einen guten Fang abgegeben habe - damals.
Ich fahre fort, da Bachmann nichts mehr sagt - ein Gentleman schweigt und genießt, ich verstehe!
»Sie bat mich darum, mir einige Fragen stellen zu dürfen. Sie sei von der Presse und da gäb' es bald eine neue Zeitungsausgabe. Da sollte es um die ältere Generation in Greiffenstein gehen, was wir früher gemacht haben und was wir heute tun. Vor allem aber auch um die wichtigen Arbeiten hier, die von uns noch heute immer ausgeführt werden.«
Ich sehe Bachmann herausfordernd an. Der soll ja nicht denken, dass nur er hier einen wichtigen Beruf hätte!
»Moni hat gesagt, dass sie schon ein paar Leute gefragt hätte, aber sie fänd der Beruf des Försters würde einfach zu sehr unterschätzt. Und damit hat sie vollkommen Recht, wenn Sie mich fragen!«
»Haben Sie sie nach ihrem Presseausweis gefragt?«
»Ihrem was? Presseausweis?«, frage ich verdutzt. »Sowas gibt’s?«
Bachmann seufzt - als hätte der in so einem Moment daran gedacht! Kann er mir ja viel erzählen!
»Hat sie Ihnen denn ihren ganzen Namen verraten?«
»Ja... Moni... also ... Monica Di ... irgendwas. Es klang italienisch, ich habe keine Ahnung. Monica und dann Di ... bla bla bla ... ach ich weiß es doch nicht, Sie können doch nicht verlangen, dass ich nach MONATEN noch weiß, wie die Frau mit Nachnamen hieß«, jammerte Ernst.
»Okay, verschieben wir das, vielleicht fällt es Ihnen später noch ein. Was ist dann passiert, erzählen Sie weiter«, fordert Bachmann und ich muss einen Moment in mich gehen.
»Haben Sie die Frau gleich mit ins Haus gebeten?«
»Was? Nein, nein! Wir haben uns zunächst draußen vor dem Haus lange Zeit sehr, sehr nett unterhalten.
»Über was?«
»Ach dies und das. Ich weiß es nicht mehr, vermutlich warum ich hier allein bin und so, aber das muss ich ja nicht alles erzählen, das habe ich der Polizei ja schon alles erzählt.«
»Haben Sie?«
»Ja!«
»Dann tun Sie es nochmal, denn vielleicht gibt es hier einen Zusammenhang.«
Ich kann es nicht fassen! Meine gesamte Leidensgeschichte habe ich der Polizei damals groß und breit erzählt und niemand hat sich darum gekümmert, was mit mir und meiner Familie geschehen ist. Wenn Sie mich fragen, haben sie damals die Ermittlungen einfach so aufgehört - wurden eingestellt.
Ich will eigentlich nicht, doch schließlich nicke ich und hole weit, weit aus. Ich erinnere mich noch an das Gesicht von Monica, als ich ihr von dem Vorfall berichtete.
»Es ist jetzt mehr als zwanzig Jahre her.«
»Was genau?«
»Ist das Ihre Geschichte, oder meine? Lassen Sie mich erzählen und hören Sie einfach nur zu. Es hat alles damit angefangen, dass meine älteste Tochter Julia plötzlich in seltsamen Kreisen unterwegs war. Ich weiß nicht, was das für Leute waren, aber, wenn Sie mich fragen, war das eine Sekte!«
»Eine Sekte sagen Sie? Woher wissen Sie das?«
»Natürlich weiß ich das nicht genau, man hat die Täter schließlich nie gefunden! Ziemlich unheimlich, wenn Sie mich fragen. Und manchmal war Julia nächtelang weg und wurde irgendwann von Ihren Kollegen nach Hause gebracht, als meine Frau vor Sorge fast umgekommen ist. Eines Nachts kam sie allerdings nicht mehr zurück.«
»Was ist passiert?«, fragte Bachmann sichtlich besorgt.
»Man hat sie umgebracht. Nackt wurde sie aufgefunden und mitten im Wald! Mein armes, kleines Mädchen! Ihr Körper war über und über mit vielen Kratzern und Bisswunden übersät. Perverse Schweine! Ich weiß nicht, was sie mit ihr gemacht haben. Damals hat man mir versichert, dass sie keinem Sexualtäter zum Opfer gefallen wäre und dass die Bisswunden von einem Hund stammen, oder aber ein Wolf, dabei gab es da doch eigentlich gar keine Wölfe mehr. Warum sie aber nackt war, konnte sich niemand erklären und ich sagte zu denen ’Ich verbitte mir unsittliche Bemerkungen! Es geht hier um mein Mädchen!'. Insgeheim haben sie doch alle gedacht, sie hätte sich mit ihrem Liebhaber getroffen. Aber ich sag Ihnen eins! Es war diese Sekte, diese schwarzmaskierten Leute, die sie mal abgeholt haben!«
»Die Mörder wurden nie gefunden?«, fragt Bachmann.
»Nein«, murmel ich und schüttel den Kopf. »Nie. Und nachdem ich Monica davon erzählt hatte, wollte sie noch mehr über mich erfahren. Sie wollte mir helfen, indem sie mir wirklich zuhörte.
Als ich ihr sagte, dass meine Geschichte noch weiter ginge, war sie erschrocken und wollte sich drinnen weiter mit mir unterhalten. Offenbar hat sie eine Sensation gerochen, ich weiß es nicht. Ich war einfach nur froh, dass man mir zuhörte«, erkläre ich Bachmann, bin mir aber nicht sicher, ob er überhaupt versteht, was es heißt allein zu sein und mit niemandem über meine Sorgen sprechen zu können.
Also stimmte ich zu und sie folgte mir bis zu meinem Haus. Ich schloss die Türe auf und gewährte ihr Eintritt. Bis auf Moni und Sie waren hier in den letzten Jahren keine anderen Menschen. Es ist wirklich nicht einfach, wenn man mit niemandem sprechen kann.«
»Das tut mir leid, Herr Penndorf, wirklich. Bitte fahren Sie fort.«
»Nun denn. Im Haus bot ich ihr etwas zu Trinken an, aber sie wollte nichts. Stattdessen nahm sie Kurs auf mein Sofa und ich folgte ihr. Dort angekommen setzten wir uns und sie hörte sich an, was ich zu sagen hatte.«
Bachmann stellt sich anders hin und sieht mich erwartungsvoll an. Und wieder berichte ich ihm, was ich Monica erzählt habe und wie sie darauf reagiert hat. Normalerweise will die Polizei so etwas immer ganz genau wissen.
»Aber Ernst, was ist dann passiert? Sie sagten, dass Ihre älteste Tochter gestorben sei, doch was ist mit ihrer Frau und ich nehme an, dass sie noch eine jüngere Tochter haben?«
»Ich hatte eine jüngere Tochter. Annemarie hieß sie. Ein liebes Kind. Martha, meine Frau, meinte immer, sie sähe aus, wie eine kleine Fee, so fein, so schmal. Sie war blond, hatte lange Haare und schöne, blaue Augen. Sie war ziemlich schüchtern, in sich gekehrt und ... hätte ich sie doch nie auf diese Party geschickt.«
Ich erinnere mich noch zu gut dran.
»Von welcher Party sprechen Sie, was ist dort geschehen?«, hakte sie nach.
Es fiel mir schwer all das, was geschehen war, wieder hervor zu holen, doch es tat auch gut, Monica davon zu erzählen.
»Diese Party im Steinbruch, die immer im Herbst an Halloween stattfindet. Das war früher auch schon so. Vermutlich so eine Art Ritual, dem ich nichts abgewinnen kann, so wie Halloween an sich schon. Annemarie wollte erst gar nicht hin, aber ihre Klassenkameraden haben sie überredet - wäre ich damals mal hart geblieben.
Aber auch Martha hat gesagt, dass ich sie gehen lassen soll. Aber sie meinte doch nicht, dass ich sie endgültig gehen lassen sollte! Ich weiß bis heute nicht, was geschehen ist, aber sie wurde tot im Wald aufgefunden, ohne jeglichen Hinweis auf ein Verbrechen. Sie war einfach tot. Annemarie hat sehr viel Blut verloren. Dieses wurde nie gefunden, es ist einfach aus ihrem Körper gewichen und hat sich in Luft aufgelöst! Es ist zum verrückt werden!«
»Oh Gott, Ernst, dass tut mir so wahnsinnig leid!«, jammerte Monica und schlug sich die Hände vors Gesicht.
Das Gespräch damals hat mich ziemlich mitgenommen und Bachmann scheint dies auch zu spüren. Auch Monica war das bewusst gewesen, weswegen sie einige Minuten mitten in meinem Wohnzimmer stand, auf und ab ging und offenbar nicht wusste, was sie sagen sollte. Sie wagte es nicht nach meiner Frau zu fragen, weswegen ich von selbst darauf zu sprechen kam.
»Meine Frau ist kurz darauf gestorben. Ein paar Monate später. Bei einem Autounfall. Jemand hat sie angefahren und bis heute gibt es kein Zeichen von irgendeinem Täter. Kein Hinweis, nichts. Das ist das Problem daran, dass wir so ländlich leben. Die Straßen sind wenig befahren, es kommt kaum jemand vorbei und dann war es zu spät. Meine Familie wurde auf dem alten Waldfriedhof begraben. Ich komme einfach zu selten in die Stadt und möchte ihnen so nah, wie möglich sein und zwar so oft, wie möglich.«
»Natürlich, das ist vollkommen verständlich. Es ist schrecklich! Ernst, Sie haben so viel durchgemacht, da ist es doch eine Strafe so weit außerhalb zu wohnen, haben Sie denn keine Angst? Fühlen Sie sich nicht allein?«
»Doch natürlich fühle ich mich allein, aber ich habe mich jetzt voll und ganz dem Wald verschrieben. Ich habe es satt mich mit Menschen zu treffen. Sie verstehen mich nicht. Irgendwie ist das Leben bei ihnen weiter gegangen und meines steckt... es steckt irgendwie fest.«
»Monica hat mich danach mitfühlend angesehen. Nicht mitleidig, sondern so, als würde sie mich verstehen. Sie klopfte mir auf die Schultern und riet mir daraufhin mich wieder unter die Leute zu mischen und mich nicht so zurück zuziehen«, erkläre ich Bachmann schließlich.
Immer noch macht der Polizist sich Notizen und nickt ab und an. Er wirkt betroffen und insgeheim hofft ein Teil von mir, dass sich dieser junge Mann nachher hinter seinen Schreibtisch klemmt, alle Fälle wieder ausgräbt und sich daran macht die Morde aufzuklären. Damals hatte es einfach zu wenig Beweise gegeben. Nie war ein Täter gesehen worden und nie konnte wirklich etwas festgestellt werden. Cold Case! Hatte man mir gesagt, dabei hört man doch in so vielen Sendungen 'Mord verjährt nie!'. Das verstehe ich nicht, warum bleibt die Polizei an den Fällen nicht dran? Doch auch ich weiß, dass Herr Bachmann nicht der richtige Ansprechpartner dafür ist. Er ist wegen des Einbruchs hier.
»Dann ist sie gegangen?«, fragt er mich und ich nicke. Natürlich blieb sie noch etwas, hat sich mit mir unterhalten und schließlich haben wir eine Pizza bestellt und ein Gläschen Wein getrunken, doch ich finde, dass Bachmann das nichts angeht! Es war nett, sie hat keine weiteren Fragen gestellt und ich vermute, dass sie nur geblieben ist, um mit mir den Abend etwas ausklingen zu lassen, nachdem ich so schwere Geschichten hinter mir hatte. Nachdem ich sie zur Tür gebracht habe, ist sie von meinem Grundstück verschwunden.
»Waren nach diesem Vorfall noch andere Menschen hier?«, fragt er mich nun.
»Ich habe ab und an mal Kinder gesehen, hier und da mal ein Spaziergänger. Ein Ehepaar ist mal stehen geblieben, hat sich das Grundstück von der Straße aus angeguckt und ist weiter gegangen, als es gesehen hat, dass ich aus der Scheune kam.«
»Und nachts? Irgendwelche Spuren?«
»Nicht direkt, aber wenn Sie mich so darauf aufmerksam machen, muss ich gestehen, dass ich häufig das Gefühl hatte beobachtet zu werden. Einmal habe ich sogar einen Schatten vor dem Fenster gesehen, aber ...«
»Haben Sie nachgesehen? Jemanden entdeckt?«
»Nein! Ich wohne direkt am Waldrand, da kann es vorkommen, dass sogar Hirsche oder Wildschweine meinen Hof betreten. Ich möchte die Tiere doch nicht verschrecken, aber wenn ich so darüber nachdenke, hat es sich wirklich komisch angefühlt.«
»Ich verstehe. Können Sie mir noch schildern, wie sie von dem Einbruch bemerkt haben?«
»Vor einigen Tagen war ich lange unterwegs. Es gab einen Anruf, dass sich ein Wildunfall auf der Landstraße nach Frankfurt hin ereignet hätte. Als ich dort ankam, war das Auto weg und am Straßenrand lag ein totes Reh mit Trümmerbrüchen und ... naja egal, es war auf jeden Fall tot. Vom Auto keine Spur mehr. Als ich nach Hause kam, habe ich gesehen, dass das Licht im Haus aus war. Ich lasse es aber grundsätzlich immer an, weil ich ja allein wohne und ich kann es nicht haben, wenn alles dunkel ist, wenn ich Heim komme. Ich bin dann durchs Haus, aber hier fehlte nur ein Fotoalbum von früher.
Ich habe dann in der Scheune etwas rappeln gehört und beschloss nachzusehen.
Ich war wildentschlossen den Einbrecher zu stellen, nahm meine Taschenlampe und stapfte mutig die Treppe hinunter, bis ich in die Scheune trat. Doch es war niemand da.«
»Wurde etwas gestohlen?«
»Ja«, murmel ich und Bachmann macht Anstalten mich zum Reden zu drängen, doch ich spreche schon weiter.
»Eine Skizze vom alten Friedhof im Wald, wo ich mir markiert habe, wer wo liegt, eine Karte der Umgebung, meine ganzen Notizbücher zum Baumbestand, Wildaufzeichnungen und mein Tagebuch«, erkläre ich ihm.
»Nichts von großem Wert, aber sehr viele persönliche Gegenstände.«
»Es ist nicht schlimm, dass die Karten weg sind, die Gegend hier kenne ich, wie meine Westentasche. Sogar die Wege, die um die alte Mühle herum liegen, wo sich kaum jemand hin traut. Gruseliger Ort, wenn Sie mich fragen. Aber ich muss doch wissen, was in meinem Revier passiert, wie es den Tieren geht, muss sehen, was mein Baumbestand macht. Die neuen Schonungen, die vor einigen Jahren angelegt wurden, gedeihen prächtig. Ich liebe es durch den Wald zu wandern.«
»Man entdeckt dort immer interessante Dinge oder wird mit Begegnungen mit wilden Tieren belohnt. Ich habe keine Angst im Wald, es gibt hier keine Tiere, die mir gefährlich werden könnten. Höchstens mal ein Fuchs, aber Wölfe gibt es in den Wäldern schon lange nicht mehr. Die Letzten habe ich vor ungefähr fünfzehn Jahren gesehen. Wenn Sie mich fragen, wurden die so lange gejagt, bis keine mehr da waren. Schöne Tiere, eigentlich sogar relativ scheu, wenn man nicht gerade in ihrem Revier herum läuft. Ich hatte nie Probleme mit denen. Hab damals immer Schröder und Betty mitgenommen, die Vorgänger von Brutus, die haben auf mich aufgepasst. Heute findet man nur noch Rehe und Hirsche im Wald. Die Wälder in der Nähe der Weiden sind besonders beliebt beim Rotwild. Ab und an begegnet man mal einer Wildschweinrotte, dann sollte man das Weite suchen, besonders, wenn die Frischlinge dabei sind, aber grundsätzlich weiß man immer erst am nächsten morgen, dass sie da waren. Wenn sie den Garten umgewühlt und aufgewühlte Erde hinterlassen.«
»Irgendwelche komischen Vorkommnisse in letzter Zeit im Wald?«, fragt mich Bachmann, der sein Notizheft nun endlich geschlossen hat und so aussieht, als wollte er bald gehen.
»Ja, wirklich komisch ist, dass ich in letzter Zeit immer mal wieder verletzte Rehe entdecke. Keine Ahnung, was dort passiert ist. Vielleicht haben wir hier auch Wilderer oder Leute, die ihre Hunde einfach nicht unter Kontrolle haben und sie laufen lassen, bis sie ein Reh reißen. Ganz seltsam.«
Bachmann nickt und mittlerweile sind wir auch in der Hütte angekommen, aus der mein Hab und Gut entwendet wurde. Er hat alle Orte sehen wollen und deshalb habe ich ihn herumgeführt.
»Herr Penndorf, Sie werden in den nächsten Tagen noch einmal von mir hören, ich werde Nachforschungen anstellen, die Listen nach dieser Monica durchgehen und mich melden, sobald ich Neuigkeiten habe«, sagt Bachmann und wartet mein Zustimmen ab. Dann verschwindet er und lässt mich allein mit meinen Gedanken und Sorgen.
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Und dann gibt es da noch etwas
Wir möchten an dieser Stelle den fleißigen Lesern, Danke-Klickern und Kommentatoren danken! Wir freuen uns immer darüber in irgendeiner Art und Weise von Euch zu hören. Natürlich sind wir nun neugierig, was ihr von Ernst haltet, wie ihr die Sache einschätzt und so weiter.
Die Zeit bis zum nächsten Update wird sich jetzt ein wenig hinauszögern, da Bloody und ich für einige Wochen in die
Sommerpause gehen. Ich werde sie zwischendurch besuchen und für ca. 2,5 Wochen in Süddeutschland herumtouren und meine Freunde besuchen. Natürlich gehört das Forumstreffen in Frankfurt auch dazu!
Wir möchten uns in diesem Zuge auch ein wenig Zeit einräumen, um zukünftige Updates weiterhin regelmäßig posten zu können und während unseres Urlaubs auch wirklich Urlaub zu haben, denn wir bereiten jede Woche etwas für euch vor - natürlich macht uns das sehr viel Spaß, aber es ist eben auch eine Menge Arbeit
Wir bitten daher um Verständnis für die kleine Auszeit, damit wir unseren Urlaub und die kleine Sommerpause ausgiebig genießen können. Irgendwo zwischen dem
17. und 19. September wird es hier dann mit dem nächsten Update weitergehen.
Wir wünschen euch bis dahin eine schöne Zeit und freuen uns natürlich weiterhin auf eure Meinungen, Anregungen, Klicks oder Gedankengänge!
Liebe Grüße!
