Naemi*
Member
- Registriert
- Februar 2012
- Geschlecht
- w
Ich stand ganz alleine auf einen Hügel. Vor mir lag ein Fluss, den ich leise rauschen hörte. Das Licht der untergehenden
Sonne verlängerte langsam meinen Schatten. In meinem Kopf war noch immer Verwirrung wegen dem, was vor 12
Tagen passiert ist. Ich konnte Lilly einfach nicht verzeihen, aber der Ausdruck, den sie im Gesicht hatte, machte
mir noch immer zu schaffen. Aber meine größte Sorge war zurzeit Nanna. Es gab noch immer kein passendes Herz
für sie. Ihr Körper wurde von Tag zu Tag schwächer. Als ich sie das letzte Mal besucht habe, konnte sie kaum noch reden.
Das Traurige an menschlichen Körpern ist die Tatsache, dass sie schwach, zerbrechlich und fragil sind. Ich konnte
es richtig fühlen, wie er jeden Tag schwächer wurde. Ich hatte Angst. Angst vor mir selbst, dass ich es nicht mehr
lange schaffen würde. Was wird dann aus Luca? Wird er mich vergessen?
Eine Träne lief mir über meine Wange. Es war eine Spur der Reue, die mich an die letzten Tage erinnerte. Es war meine Schuld.
Ich war die, die nicht dazugehörte. Mit dem Wunsch, die Zeit zurückzudrehen, schlief ich ein.
In dieser Nacht hatte ich einen Traum. Er handelte von einem Vogel. Ich weiß nicht, ob ich diesen Vogel nur gesehen habe,
oder ob ich selbst der Vogel war. Jedenfalls war er sehr klein und ist aus dem Nest gefallen. Da er noch jung war, wusste er nicht,
wie man flog, und sehnte sich nach seinem warmen Nest. Als er voller Bitterkeit zum Boden sah, war das Gras nicht grün
und die Erde nicht braun. Die Welt war schwarz. Der kleine Vogel realisiserte, dass die Welt einsam, düster und
schwarz ist. Er bekam Angst und breitete seine Flügel aus, obwohl er wusste, dass er nicht fliegen konnte. Der Himmel
mit seiner hellen blauen Farbe war einfach zu verlockend. Er wollte zum Himmel fliegen und stellte sich deshalb auf
eine Klippe, damit er ihn vielleicht doch erreichen würde. Er wollte alles riskieren, nur damit er sein Ziel erreicht.
Er ließ sich fallen, verzweifelt versuchte er, seine Flügen auszubreiten, damit sie ihn in den Himmel tragen, doch es gelang
ihm nicht. Wenn er am Boden geblieben wäre, hätte er vielleicht überlebt. Aber weil er sich nach mehr sehnte,
hat er selbst seinem Leben ein Ende gesetzt.
Ein anderer Tag, aber es war doch immer dasselbe. Es war genau drei Tage vor meinem Geburtstag. Wie üblich
waren um 14 Uhr die Besuchszeiten. Ich spürte, dass ich nicht mehr lange durchhalten würde. Auf meinen Beinen
konnte ich mich kaum noch aufrecht halten, so schwach war ich schon. Wie soll ich das bloß Luca sagen?
Oder soll ich es ihm gar nicht erzählen? Ein Lächeln aufsetzen und die Tränen zurückhalten? Aber es schmerzte
mich so zu tun, als ob alles in Ordnung wäre.
Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meinem Tagtraum. Es war Lilly. Sie sah mich an, mit einem Blick,
sodass mein Herz anfing zu schmerzen. Aber in ihren Augen war keine Wut oder Hass auf mich. Sie sah einfach
nur zerbrochen aus.
„Nanna, wenn du mich nicht magst, werde ich nicht mehr zu Besuch kommen, ich werde dich nicht ansehen und auch nicht mit dir reden.
Es ist war, es wird schwer sein und es schmerzt, dass du mich verachtest, aber ich verdiene das einfach nicht… Ich habe dir nichts getan…„
„Verschwinde! Und lass dich hier nie wieder blicken!“ schrie ich sie an. Ich tat so, als ob es nicht weh tun würde,
als ob ich keine Reue empfände. Aber es tat so sehr weh, das ich in die Knie ging. Lilly war sofort bei mir.
Eine Hand hielt ich auf mein Herz, mit der anderen stieß ich Lilly weg von mir. „Verschwinde endlich!“,
schrie ich sie noch einmal an. Daraufhin verließ sie das Zimmer.
Ich wollte gerade Nanna besuchen gehen, als Lilly weinend aus Nannas Zimmer kam und an mir vorbei lief. Was war passiert?
Schnell ging ich in Nannas Zimmer. Sie saß auf dem Boden mit Tränen im Gesicht.
„Nanna, was ist mit dir?“, fragte ich sie besorgt.
Sie sah mich an, ich bemerkte den Schmerz in ihren Augen. Sie umarmte mich und sagte: „Es tut mir leid Luca,
es ist meine Schuld. Bitte verzeihe Lilly.“ kurz darauf brach sie zusammen. Ich wusste, dass ihr Körper schwach
war, aber dass sie solche Schmerzen hatte, war mir nicht klar gewesen. Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Alles wird gut.“
Ich öffnete meine Augen. Alles um mich herum war verschwommen, doch ich konnte erkennen, dass ich in einem
Krankenhauszimmer war. Ich sah zum Fenster. Es war Morgen. Habe ich etwa einen ganzen Tag geschlafen?
Auf einmal schoss mir ein Gedanke durch den Kopf. Es war Lucas Gesicht, kurz bevor ich zusammengebrochen bin,
er hat gelächelt, aber nicht so, wie er es immer tat. Es war ein anderes Lächeln. Ich habe es immer geliebt, sein altes
Lächeln. Aber in diesen Moment konnte ich nicht aufhören, an ihn zu denken. Ich konnte es wirklich nicht. Er wirkte
anders. Ich hörte, wie sich die Tür öffnete und Lilly reinkam. Ihr Blick war gesenkt, mit beiden Händen hielt sie einen
Brief fest. Ohne mich dabei anzusehen, strecke sie ihren Arm aus und gab mir den Brief. Er war von Luca.
Mir vernebelten die vielen Tränen schon meine Augen, als ich flüsterte, dass er falsch gelegen hat. Und nur noch mehr
schmerzte es, wenn ich daran gedacht habe, wie viele Male er mich in den Arm nahm und mir sagte: „Ich werde dich immer
lieb haben.“ - ich wusste, es kann passieren, dass mein Herz gebrochen wird, doch ich habe nie geahnt, dass gerade er
daran schuld sein wird. Und als er sagte: „Alles wird gut.“ hat er da nicht selber geweint? Trotzdem klammerte ich mich an diese Worte,
weil ich ihn noch immer fühlen konnte. Denn er ist nicht nur in meinem Herzen, er ist mein Herz!
Zuletzt bearbeitet: