Liebe...
Teil XXV (25)
"Was ist denn jetzt wieder kaputt?" fragte Matthias irritiert und starrte mit großen Augen ziemlich dumm auf die Tür, durch welche Bastian gerade verschwunden war. "Er ist zickig." Antwortete Mark knapp und zündete sich eine Zigarette an, während Matthias sich verwundert am Kopf kratzte. "Ja... das war... nicht zu übersehen." Murmelte er vor sich hin.
Seine Verwirrung legte sich schnell wieder. "Tja... Willst du vielleicht doch was trinken? Jetzt wo deine Zicke weg ist, kann er's dir ja nicht mehr verbieten." sagte er grinsend und hielt Mark einen neuen Drink unter die Nase. "Ich weiß nicht, ob das so ne gute Idee ist..." murmelte Mark und zögerte. Matthias machte ein dummes Gesicht.
"Was..? Wieso denn nicht?" fragte er irritiert und grinste anschließend wieder. "Einer geht schon. Hey, Bastian ist gegangen... Verbot, Abmachung, was auch immer... schei* drauf! Was er nicht weiß... und er muss doch nicht alles wissen." Unschlüssig betrachtete Mark das Glas, welches ihm Matthias grinsender Weise noch immer unter die Nase hielt.
"Lieber nicht..." meinte er, aber Matthias wollte einfach nicht locker lassen. "Alte Spaßbremse... lass dir doch von dem Irren nicht alles verbieten!" sagte Bernd, der sich jetzt natürlich auch noch einmischen musste. "Du kannst doch hier nicht einfach nur so rum sitzen, ohne was zu trinken! Sowas gibt's hier nicht! Das geht doch nicht! Wir werden dich schon nicht verpetzen."
Irgendwie schien es fast, als ob ihn alle zum Trinken überreden wollten... OK... es war unser übliches Treffen, bei dem am Ende eigentlich jeder mehr oder weniger total betrunken nach Hause taumelte... trotzdem hätten sie doch einfach akzeptieren könnten, dass er nicht "wollte". Aber das taten sie nicht... und Mark hatte keine Antwort auf das immer wiederkehrende "Warum denn nicht?".
Ich wunderte mich eh, dass er überhaupt abgelehnt hatte, obwohl er den Drink vermutlich nur zu gerne angenommen hätte... Ob er inzwischen eingesehen hatte, dass er ein Alkoholproblem hatte, oder ob er nur nicht wollte, dass Bastian wieder zu zicken anfing, wenn er bemerkte, dass Mark, trotz "Verbot", doch wieder getrunken hatte, wusste ich nicht...
Ich konnte mir auch nur schwer vorstellen, wie er sich wohl gerade fühlte... aber ich käme mir wohl ziemlich bedrängt vor. Irgendwie hatte ich ein Bild im Kopf von einer Maus, die hilflos und verloren in einer Ecke gefangen saß, und nur noch darauf warten konnte, dass die Katze vor ihr zum Sprung ansetzte... "Lasst ihn doch, wenn er nicht will..." sagte ich, aber niemand hörte mir zu.
Die Katze schlich nur noch näher an die Maus heran und drängte sie noch ein Stückchen weiter in die Ecke... und es war gar nicht gesund, diese Maus so sehr zu bedrängen... sie hatte fiese, scharfe Zähnchen, mit denen sie böse zubeißen konnte und würde sich wohl nicht so ohne weiteres einfach fressen lassen. Zumindest hoffte ich, dass sie sich nicht fressen ließ...
Warum war Nadine denn heute nicht da, um dem ganzen Einhalt zu gebieten? Sie wusste, wie sie sich Gehör verschaffen konnte... Aber irgendwie war sie nie anwesend, wenn man sie brauchen konnte... ob das vielleicht Absicht war? Bestimmt wusste, oder ahnte, sie, was los war. Ich hätte das Mäuschen wirklich gerne vor der Katze gerettet...
Aber wie sollte ich das anstellen, ohne gleich noch einen Vortrag über Alkoholismus zu halten? Das ging ja nun wirklich niemand etwas an. Eigentlich konnte ich nur abwarten, was geschah. Viele Möglichkeiten gab es ja nicht... entweder Mark trank, oder trank nicht... die zweite war bestimmt besser – doch beeinflussen konnte ich es wohl kaum.
Allerdings merkte ich, dass es ihm nicht gerade leicht fiel, überhaupt Nein zu sagen... spätestens jetzt MUSSTE er eigentlich irgendwie einsehen, dass er wirklich ein Problem damit hatte... Ich wollte zwar bleiben, um zu sehen, ob er es schaffte, weiterhin "Nein" zu sagen oder doch wieder anfing zu trinken... aber ich konnte nicht mehr länger bleiben.
Ich hatte vollkommen vergessen, meinen Ofen wieder auszuschalten, nachdem ich mir noch eine Pizza gegönnt hatte, bevor ich mich auf den Weg machte... vor lauter hin und her und Gedanken um alles und jeden, hatte ich gar nicht mehr an meinen Ofen gedacht... Hoffentlich hatte ich nicht inzwischen schon meine Bude abgefackelt! Eilig verabschiedete ich mich, sagte, ich wollte gleich wieder kommen und lief nach Hause.
Glücklicher Weise brannte noch nichts... aber der Käse, der von meiner Pizza auf das Backblech gelaufen war, war inzwischen zu einem kleinen Haufen Asche zusammen gekokelt und hatte meine ganze Wohnung voll gequalmt. Kein angenehmer Geruch... schnell stellte ich den Ofen aus, machte die Klappe auf und flüchtete auf meinen Balkon.
Warum war ich nur immer so verdammt schusselig? Ich hatte gar keine Lust, das blöde Blech stundenlang zu schrubben, um die verkohlten Pizzareste wieder los zu werden. Schon wieder stundenlang schrubben... vor kurzem erst hatte ich Milch anbrennen und überlaufen lassen, weil ich zu sehr mit meinen Tagträumen beschäftigt war.
Anschließend stundenlang die ganze Küche zu schrubben war überhaupt nicht lustig. Vorsichtig steckte ich meine Nase durch die offene Balkontür in meine Wohnung, aber es stank immer noch nach verkohlter Pizza. Hoffentlich verzog sich der Gestank bald... ich wollte doch eigentlich wieder zurück zu den anderen... oder... zurück zu Mark?
Ich kam mir irgendwie vor, wie ein richtig böses, hinterhältiges Miststück... da versuchte Bastian, mir nicht mehr böse zu sein, weil ich ihm Mark ausgespannt hatte... und was machte ich? Ich versuchte, mit ihm zu flirten... was war ich doch für ein böses Mädchen... geschah mir eigentlich ganz recht, dass meine ganze Wohnung jetzt nach toter Pizza stank.
Meine Mutter hatte wohl doch Recht gehabt, jedes mal, wenn sie ihren Standardspruch abspielte: "Kleine Sünden straft der liebe Gott sofort." Ja Mama... und große erst nach neun Monaten. Ich kicherte leise in mich hinein. Dieser Spruch brachte mich irgendwie immer zum Lachen. Als meine Wohnung endlich wieder einigermaßen "entstunken" war, war es allerdings zu spät, um zu den anderen zurück zu gehen.
Denn gerade, als ich wieder nach drinnen gehen wollte, kam Mark um die Ecke... und ich musste zugeben, dass er im Moment noch so ziemlich der einzige Grund gewesen war, weswegen ich wieder zurück gelaufen wäre. Aber, da er jetzt auf dem Nachhauseweg war, hatte ich keinen Grund mehr... und der Rest der Bande war mir im Moment nicht so wichtig.
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Also blieb ich einfach auf meinem Balkon sitzen, genoß die laue Sommernacht und... ähm... sah mir den... Mond an. Mark wollte gerade die Tür aufsperren, als er merkte, dass wohl auf der anderen Seite ein Schlüssel steckte. Jedenfalls kam er in seine eigene Wohnung nicht hinein. Nachdem er, ein wenig verwirrt, seinen Schlüssel betrachtet hatte, um sich zu vergewissern, dass es auch der richtige war, versuchte er es noch einmal, allerdings wieder ohne Erfolg.
Er schimpfte kurz über Bastian Schusseligkeit, bevor er klingelte, damit Bastian ihn herein ließ. Allerdings glaubte ich nicht, dass Bastian den Schlüssel unabsichtlich hatte stecken lassen... bestimmt war er ziemlich angefressen. Dementsprechend lange ließ er Mark vor seiner eigenen Tür stehen, bevor er auch nur ein Lebenszeichen von sich gab.
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Und Mark wurde mit jeder Minute ungeduldiger, bis er irgendwann anfing, wütend gegen die Tür zu treten und nach Bastian zu rufen. So laut, dass man es vermutlich auch noch im Nachbarort hören konnte und die Tonlage war auch nicht gerade freundlich. Es dauerte noch eine ganze Weile, bevor Bastian sich am Fenster blicken ließ. Er machte ein ziemlich beleidigtes Gesicht.
"Was soll der Schei*?! Mach die verdammte Tür auf!" fluchte Mark ziemlich verärgert. "Hör auf, da draußen so rum zu schreien!" zickte Bastian eingeschnappt. "Andere Leute schlafen um die Uhrzeit schon!" "Du sollst die verfluchte Tür aufmachen!" wiederholte Mark. "Spinnst du eigentlich?! Du kannst mich doch nicht aus meiner eigenen Wohnung aussperren!"
"Du siehst doch, dass ich's kann!" erwiderte Bastian hochnäsig. "Hör auf, hier Terror zu machen und geh zu deiner kleinen Pussy! Morgen lass ich dich VIELLEICHT wieder rein" "Krieg dich mal wieder ein! Ist doch gar nichts passiert!" meckerte Mark und stöhnte genervt. "Ich werd sie ja wohl noch anschauen dürfen..." "PAH! Anschauen nennst du das?!" rief Bastian wütend.
"Dann geh doch zu ihr und schau sie dir noch ein bißchen genauer an!" Er reckte eingeschnappt die Nase in die Höhe, zog ohne ein weiteres Wort die Vorhänge zu und ließ Mark einfach vor der Tür stehen. Nach einem Moment der Stille, fing Mark an, böse zu fluchen und trat noch ein paar mal wütend gegen seine Tür, bevor er sich wieder ein wenig beruhigte und mich, ein wenig widerwillig anrief.
Immer noch ein wenig sauer, erklärte er mir knapp, was Sache war – denn er wusste ja nicht, dass ich mal wieder spioniert hatte – und fragte mich, ob er diese Nacht bei mir schlafen könnte, oder ob es mir unangenehm wäre. Ein wenig unangenehm war es mir zwar schon, nach all dem, was in letzter Zeit so passiert war, aber er durfte natürlich bei mir übernachten.
Ich konnte doch nicht einfach "Nein" sagen... Er war immer noch ziemlich verärgert, als er vor meiner Tür stand und entschuldigte sich mürrisch dafür, dass er mich so überfallen hatte. "Hier riecht's verbrannt..." bemerkte er, als ich ihn herein ließ und ich grinste schief. "Ja... ich weiß..." meinte ich verlegen. "Das... ähm... ich hab den Ofen angelassen."
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Mark sah mich an, verkniff sich aber jeglichen Kommentar dazu und schüttelte nur verständnislos den Kopf über meine Schusseligkeit. Um so besser... ich kam mir deswegen eh schon blöd genug vor. "Morgen Früh bin ich wieder weg. Bis dahin bist du wahrscheinlich noch nicht mal wach." Sagte er und ich nickte. "Wo... wo willst du denn schlafen?" fragte ich, um ihn nicht gleich in mein Bett einzuladen.
"Mir völlig egal..." antwortete Mark. "Wo soll ich denn schlafen?" "Ähm... also..." stammelte ich und lief gleich wieder rot an. "Also... wenn du willst... dann können wir uns schon noch mal... das Bett teilen... da hab ich nichts dagegen..." Er musterte mich skeptisch und. "Ich denke nicht, dass das eine so gute Idee ist." Sagte er
"Naja... also... du kannst auch die Couch nehmen, wenn du willst, aber die ist alt und billig und unbequem... auf der schläft man wirklich nicht gut, weißt du?" erzählte ich, während Mark sich seinen Teil dazu dachte. "Trotzdem halte ich das nicht für eine gute Idee." Wiederholte er. "Warum denn nicht..?" fragte ich vorsichtig und grinste schief. "Ich beiße doch nicht."
"Du nicht." erwiderte er und sah mich mit einem Blick an, bei dem es mir eiskalt den Rücken hinunter lief. "Es könnten Dinge geschehen, die nicht geschehen sollen..." "Pah! Na und? Egal, was passiert – Bastian ist doch selbst schuld, wenn er dich aus deiner eigenen Wohnung aussperrt." Sagte ich und staunte über meine eigenen Worte.
Auch Mark schien ein wenig überrascht zu sein, so etwas aus meinem Mund zu hören und sah mich mit großen Augen an. "Ist doch wahr..." murmelte ich und zog eine Schnute. "Wenn er dich schon raus schmeißt, muss er auch damit rechnen, dass du in fremden Betten schläfst. Ursache und Wirkung – so einfach ist das."
Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals so etwas sagen würde oder könnte... Schon gar nicht, wenn es sich dabei um Mark und mein eigenes Bett handelte... Aber eigentlich war es gar nicht so schwer. "Kannst ihm ja erzählen, du hättest bei Nadine oder Matthias oder sonst wo gepennt... Basti muss ja nicht alles wissen." Fügte ich einen Augenblick später noch hinzu.
"Ich soll lügen?" fragte er skeptisch und ich nickte. "Warum nicht? Er hat dich doch auch schon oft genug angelogen..." erwiderte ich schulterzuckend und er zögerte. "Trotzdem ist das keine gute Idee." Wiederholte er zum dritten Mal. "Ich will nicht mit dir zusammen im selben Bett schlafen." Ich sah ihn mit großen Augen an und machte ein dummes Gesicht.
"Was..? Oh... aber... warum denn nicht..? Bin ich wirklich so schlimm..?" murmelte ich und ließ traurig den Kopf hängen. Er seufzte. "Nein. Das nicht." Meinte er nach kurzem Zögern und sah mich an. "Es wird nur nicht beim zusammen-in-einem-Bett-schlafen bleiben und ich weiß, dass du nicht versuchen wirst, mich daran zu hindern, mit dir zu schlafen. Ich will nicht, dass es zum S*x kommt, also führe mich nicht in Versuchung!"
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"Äh... was..?" stammelte ich verwirrt. "Wie... warum..?" "Weil es falsch ist!" erwiderte er. "Es ist einfach falsch! Du... du bist eine Frau! Aber ich... ich bin... ich..." er stockte, als ob ihm die Worte ausgegangen wären und rieb sich mit zittrigen Händen über sein Gesicht. "Ich weiß nicht mehr, wer oder was ich bin!! Ich bin dabei, wahnsinnig zu werden!!" rief er, so plötzlich und laut, dass ich vor Schreck, quietschend aufsprang.
"Das ist alles nicht richtig! Ich will nicht... ich kann nicht mit einer Frau schlafen! Mit ihr zusammen sein! Oder... sie lieben..." sagte er und sah mich mit einer gewissen Sehnsucht an, die ich mir aber auch nur einbilden konnte... Dann schien er sich langsam wieder zu beruhigen. "Du solltest nichts von dem, was ich sage, ernst nehmen..." meinte er einen Moment später.
"Ich rede zur Zeit viel wirres Zeug... Es fällt mir momentan ein wenig schwer, meine Gedanken auseinander zu halten... manchmal bin ich mir gar nicht so ganz sicher, ob es überhaupt meine sind... Hör mir am besten gar nicht zu."
Fortsetzung folgt