Hallöchen! Da heute Sonntag ist, habe ich es doch noch geschafft, ein Kapitel online zu stellen. Ich konnte einfach nicht anders.
Dies ist aber definitiv das letzte bis Freitag, da ich am Donnerstag eine wichtige Klausur schreibe. Viel Spaß beim Lesen und Kommischreiben.
Als Juliane am Montagabend nach Hause kam, war sie völlig erschöpft. Der Tag hatte sie ganz schön geschlaucht und jetzt wollte sie einfach nur noch entspannen, am besten mit einem guten Buch und einem schaumigen Vollbad.. Doch daraus sollte leider nichts werden. Schon als sie die Haustür gerade hinter sich geschlossen hatte, stürmte Susanne ganz aufgebracht auf sie zu.
„Jule, da bist du ja endlich!“ rief sie laut quiekend und Juliane kam es in dem Moment so vor, als ob sie eine leibhaftige Sirene vor sich hätte. „Wo warst du denn so lang?“
„Arbeiten“, erwiderte Juliane kurz und tonlos.
„Ach so. Na, umso besser, dass du jetzt da bist.“ Susanne schien überhaupt nicht zu bemerken, dass Juliane ziemlich kaputt und kurz angebunden war. „Du musst UNBEDINGT mitkommen. Du DARFST mich nicht im Stich lassen. Du bist meine LETZTE Hoffnung.“
„Momentchen mal“, beruhigte Juliane ihre wild gestikulierende Freundin, die augenblicklich verstummte und sie entgeistert ansah. „Darf ich vielleicht erst mal vernünftig reinkommen? Danke! Und dann bitte ganz entspannt der Reihe nach und vor allem nicht so laut: wobei bin ich deine letzte Hoffnung und warum überhaupt?“
Susanne lächelte zuckersüß. „Du musst mich heute abend begleiten. Bitteee!“ Das letzte Wort zog sie extrem in die Länge, wie sie es meistens tat, wenn sie etwas besonders betonen wollte. Pech für ihre Zuhörer, dass ihre Stimme dabei erst recht kieksig wurde.
„Susi!“ Juliane wurde langsam ungeduldig. Das hektische Gezappel und die Geheimniskrämerei von Susanne waren ihr momentan einfach zu viel.
„Was ist denn?“ fragte diese völlig entrüstet.
„Du raubst mir mit deinem Gehampel gerade den letzten Nerv. Und egal, worum es geht, ich werde dich heute Abend bestimmt nirgendwohin mehr begleiten“, erklärte Juliane bestimmt. Mit diesen Worten drängte sie sich an ihrer Freundin vorbei und ging in die Küche, in der Hoffnung, hier vor Susannes Bitte sicher zu sein. Doch da hatte sie sich gewaltig gettäuscht.
Susanne folgte ihr wie ein kleines, einfältiges Schoßhündchen. Enttäuscht stand sie im Türrahmen und zog eine Schnute. „Och Jule. Du kannst mich nicht im Stich lassen. Willst du dir nicht wenigstens mal anhören, worum es geht?“
Juliane seufzte tief und fest. „Okay, du lässt ja sonst doch keine Ruhe. Aber mach dir deswegen keine falschen Hoffnungen, ich bin wirklich total platt.“
„Ja ja“, wischte Susanne Julianes Satz mit einer schnellen Handbewegung beiseite. „Also, es geht um Leben und Tod.“
Juliane prustete. „Na klar, Susi. Das kennt man ja von dir. Lass mich raten: es geht um den ultimativen Typen?!“
„Bingo!“ Susanne strahlte wie ein Honigkuchenpferd. „Dieser Typ aus meiner Vorlesung, du weißt schon... Ich hab dir letztens von ihm erzählt.“ Juliane nickte, obwohl sie keine Ahnung hatte, von wem Susanne redete. Das war aber nichts Neues bei ihr. Ihre ganzen Männergeschichten konnte niemand mehr auseinander halten, außer ihr selbst natürlich. „Jedenfalls ist der heute Abend in diesem neuen Club, der vor zwei Wochen eröffnet hat. Hab ich zufällig mitgekriegt. Da ist heute ermäßigter Einlass für Studenten. Und das wäre meine absolut allerbeste Chance, ihn endlich auf mich aufmerksam zu machen.“
„Ist dir das bis jetzt etwa noch nicht gelungen?“ wollte Juliane überrascht wissen.
„Nein, leider nicht“, entgegnete Susanne enttäuscht.
„Dann gelingt dir das auch heute nicht“, entschied Juliane und wollte das Thema damit aus der Welt schaffen.
„Aber natürlich gelingt mir das. Ich werde heute umwerfend aussehen“, grinste Susanne. „Aber das geht nur, wenn du mitkommst.“
„Och Susi.“ Juliane konnte es nicht fassen, wie hartnäckig ihre Freundin sein konnte. „Geh doch mit Norma hin.“
„Die wollte ich ja fragen, aber sie ist nicht da“, seufzte Susanne. „Wahrscheinlich schläft sie heute mal wieder bei Mark. Und darum bist du jetzt meine letzte Hoffnung. Dir würde es außerdem auch gut tun, mal wieder ein bisschen feiern zu gehen.“ Susanne setzte das charmanteste Lächeln auf, das ihr hübsches Gesicht hergab, und Juliane wusste sofort, warum ihr so viele Männer erlagen. Sie verstand es einfach perfekt, mit ihren Reizen zu spielen und so unschuldig zu wirken, dass man ihr nichts abschlagen konnte.
Nach kurzem Zögern gab Juliane sich schließlich einen Ruck und meinte: „Okay, du alte Verführerin, ich komme mit. Aber wenn ich vor Müdigkeit tot umfalle, fahre ich sofort nach Hause.“
„Du bist die Beste“ jubelte Susanne lautstark und fiel ihrer Freundin stürmisch um den Hals. „Das werde ich dir nie vergessen, du hast auf jeden Fall was gut bei mir.“
„Ich werde dich bei Gelegenheit daran erinnern“, lachte Juliane, obwohl sie innerlich schon fast wieder bereute, dass sie zugesagt hatte.
Als sie wenig später frisch geduscht und umgezogen im Badezimmer vorm Spiegel stand und sich noch ein wenig hübsch machte, war dieses Gefühl des Bereuens noch nicht gewichen. Ihre Lider fühlten sich schon etwas schwer an und eigentlich stand ihr überhaupt nicht der Sinn nach lauter Musik und ausgelassenen Menschen. Aber jetzt hatte sie Susanne fest zugesagt und ein Rückzieher wäre für ihre Freundin ziemlich enttäuschend gewesen. Außerdem konnte sie ja jederzeit nach Hause fahren, falls es wirklich nicht mehr gehen sollte.
„Wird schon nicht so schlimm werden“, sagte sie zu sich selbst und grinste ihrem schulterzuckenden Spiegelbild aufmunternd zu.
Gegen 21.45 Uhr betraten die beiden Freundinnen den neuen Club und Juliane wusste sofort, dass dieser überhaupt nicht ihr Fall war. Die Musik war laut und schnell, die Lichter neonbunt und das Ambiente schrill und überdreht. Hier konnte man es wahrscheinlich nur aushalten, wenn man irgendwelche Pillen schmiss oder einen über den Durst trank. Ersteres war für sie uninteressant und letzteres kam heute nicht in Frage, da sie schließlich mit dem Auto dort war.
Im Gegensatz zu ihr schien Susanne sich allerdings sofort pudelwohl zu fühlen. Ihr entfuhr ein begeistertes „wow“ und dann ein spitzes „klasse“. Anschließend suchten ihre Augen innerhalb von Sekunden den ganzen Raum ab, wie bei einer Raubkatze, die auf der Suche nach neuer Beute war. Plötzlich blieb ihr Blick an einer bestimmten Stelle hängen und sie griff mit ihren langen Fingernägeln nach Julianes Arm.
„Da“, stieß sie aus. „Da drüben ist er.“
Juliane folgte Susannes Blick und ignorierte gutmütig die Schmerzen, welche die spitz gefeilten Nägel verursachten, die sich in ihre Haut bohrten. Schließlich entdeckte sie einen braungebrannten, jungen Mann mit langen, dunklen Haaren. Er trug ein halboffenes Hemd zu einer weißen, recht engen Hose und stand ein wenig abseits der Tanzfläche. „DAS ist dein Traumtyp?!“ fragte sie ungläubig.
„Ja“, hauchte Susanne verträumt. „Ist er nicht einfach himmlisch?“ Sie hatte Julianes abwertenden Unterton gar nicht wahrgenommen.
„Na ja“, erwiderte diese leise. Sie wollte ihrer Freundin auf keinen Fall die Freude an diesem Mann nehmen. Auch wenn er überhaupt nicht ihrem Bild von einem Traumtypen entsprach, Geschmäcker waren ja glücklicherweise verschieden und dass dies bei ihr und Susanne zutraf, war schon lange kein Geheimnis mehr.
Nachdem Susanne sich wieder gefasst hatte, zog sie Juliane an die Bar und bestellte sich etwas. „Ich muss erst was trinken, bevor ich meinen Angriff starte.“ erklärte sie. „Meine Kehle ist total trocken.“ Juliane gesellte sich zu ihr und bestellte eine Cola.
Die beiden nippten eine Zeit lang genüßlich an ihren Getränken und Susanne ließ ihren Traumprinzen dabei nicht aus den Augen. Nach einiger Zeit meinte sie: „Wir müssen jetzt tanzen. Mit meinem Hüftschwung werde ich ihn in meinen Bann ziehen.“
„Alles klar“, willigte Juliane ein. Die Musik war zwar scheußlich, aber irgendwie musste sie aus dem Abend ja das Beste machen und beim Tanzen mit Susanne konnte man eine Menge Spaß haben. Außerdem tanzte sie selbst für ihr Leben gern.
So begaben sich die Freundinnen auf die Tanzfläche. Hier war Susanne ganz in ihrem Element: gekonnt bewegte sie sich zum Rhythmus, ließ ihre Hüften kreisen und sah einfach bezaubernd aus. Juliane bemerkte bereits die ersten Blicke einiger umstehender Männer und sie konnte es ihnen nicht verdenken. Ihre Freundin war wirklich ein Blickfang mit den langen, dünnen Beinen, die in schwarzen Stiefeln steckten, dem kurzen Jeansrock, dem kecken Ausschnitt und den verführerischen kirschroten Lippen.
„Er schaut schon rüber“, flüsterte Susanne ihr nach kurzer Zeit fröhlich zu.
„Na, dann zeig mal, was du kannst“, feuerte Juliane sie an und das ließ Susanne sich nicht zweimal sagen.
Ihre Blicke wanderten immer wieder zu dem jungen Mann herüber und nagelten die seinen geradezu fest. Beim dritten Blickkontakt lächelte sie ihn herausfordernd an und schaute danach unschuldig zu Boden. Das hatte gefruchtet.
Keine Minute später stand er neben Susanne und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Diese nickte ihn strahlend an und warf Juliane einen vielsagenden Blick zu. Der Typ bemerkte sie daraufhin anscheinend, denn er drehte sich zu ihr um und lächelte sie an.
„Hallo“, rief er ihr zu, um die laute Musik zu übertönen.
„Hallo“, grüßte Juliane freundlich zurück.
Dann kam er näher auf sie zu, um nicht ganz so laut sprechen zu müssen, und meinte: „Hi, ich bin Alessandro. Ich habe deine Freundin gerade auf einen Drink eingeladen und bevor wir dich hier ganz allein stehen lassen, würde ich dich auch gern einladen.“
Juliane winkte lächelnd ab. „Nein danke. Das ist sehr nett, aber ich möchte lieber noch etwas tanzen.“ Das stimmte zwar nicht so ganz, aber natürlich wollte sie Susanne mit ihrer Eroberung nicht stören
„Alles klar. Ich hoffe, du bist mir nicht böse, wenn ich deine Freundin für eine Weile entführe“, antwortete der braungebrannte Schönling, aber er wartete Julianes Antwort gar nicht mehr ab, sondern schnappte sich Susanne und verschwand mit ihr an der Bar.
Juliane blickte ihnen etwas wehmütig hinterher. Susanne hatte ihr Ziel erreicht und nun stand sie selbst ganz allein auf der Tanzfläche in diesem miesen Club und tanzte zu noch viel mieserer Musik. Ihre Freundin würde sie so schnell nicht wiedersehen, denn wenn diese einmal ein Opfer gefunden hatte, dann ließ sie es solange nicht los, bis sie all das bekommen hatte, was sie von ihm wollte. Und bei Alessandro konnte das bis zum Morgengrauen dauern, wenn sie Susannes Interesse an ihm richtig einschätzte.
Mit einem Blick auf die Uhr beschloss Juliane schließlich, sich auf den Heimweg zu machen. Susanne würde diese Nacht schon nicht allein unterwegs sein, da brauchte sie sich keine Gedanken zu machen. Und was sollte sie selbst noch hier? Sie hatte ihren Zweck erfüllt, Susanne war glücklich und die Müdigkeit kroch plötzlich merklich in ihr hoch. Also ging sie noch einmal schnell zur Toilette und begab sich dann zum Ausgang.
Vor dem Club war nicht viel los. Mit raschen Schritten lief Juliane zum Auto. Der Weg zum Parkplatz war glücklicherweise nicht weit und recht gut ausgeleuchtet. Draußen war es ein wenig kühl, aber sehr schön. Die Nacht war sternenklar und hell.
Juliane blieb kurz stehen und beobachtete die glühenden Punkte am Firmament. Die Natur faszinierte sie immer wieder und ließ oft ein unerklärliches, fast grenzenloses Gefühl des Glücks in ihr entstehen. Und auch jetzt wurde ihr erneut bewusst, wie zufrieden sie mit ihrem Leben war. Alles lief so, wie sie es sich immer erhofft hatte. Natürlich hatte sie auch stets dafür kämpfen müssen, aber diesen manchmal sehr hohen Preis hatte sie jedes Mal bereitwillig in Kauf genommen. Und schon bald würde sie dafür reich entlohnt werden. Mit einem erfolgreichen Abschluss standen ihr sämtliche Wege offen, und dass dieser Abschluss erfolgreich sein würde, dessen war sie sich ziemlich sicher.
Mit sich und der Welt rundum zufrieden, begab sich Juliane schließlich auf den Rest des Wegs zum Auto. Doch wenige Meter vorm Ziel blieb sie plötzlich wie angewurzelt stehen. Auf der anderen Straßenseite lief jemand... jemand, der ihr sehr bekannt vorkam... mit blonden Haaren... das konnte doch nur... Felix! Ihre Gedanken überschlugen sich fast. Den merkwürdigen Besucher von gestern hatte sie durch den Stress des Tages total vergessen. Aber jetzt fiel ihr alles siedendheiß wieder ein. Was sollte sie tun? Unschlüssig blieb sie erst einige Sekunden wie vom Donner gerührt stehen. Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Aber dann siegte schlussendlich ihre Neugier. Sie hatte nicht damit gerechnet, ihn so schnell wiederzusehen und diese Gelegenheit musste sie nun beim Schopf packen. Wie von der Tarantel gestochen rannte sie los und überquerte die Straße.
„Felix!“ rief sie und fuchtelte wie verrückt in der Gegend herum. Die Autoschlüssel in ihrer Hand klirrten laut, aber er schien sie nicht gehört zu haben, denn er lief unbeirrt weiter. „Felix!“ rief sie erneut, diesmal noch kräftiger. Doch auch jetzt verhallte ihr Rufen im Nichts. Dann sah sie, wie er in ein Auto einstieg, das am Straßenrand stand und auf dessen Fahrersitz wohl jemand saß, der auf ihn gewartet hatte, denn sobald er die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, brauste das Auto davon.
Fassungslos blieb Juliane stehen und sah dem Auto nach. Ihr Atem war schnell und kurz und verwandelte sich in weiße, neblige Schwader, sobald er aus ihrem Mund austrat. Sie zitterte am ganzen Körper, obwohl ihr eigentlich nicht kalt war. „Felix...“, murmelte sie noch ein Mal, ließ langsam die Hand sinken und fühlte sich plötzlich so leer wie noch nie.
Völlig einsam stand sie mitten auf der verlassenen Straße und in ihr machte sich eine große Enttäuschung breit, die ihren ganzen Körper erfüllte und die sie sich nicht erklären konnte. „Er hat mich nicht gehört“, schoss es ihr durch den Kopf. „Er hat mich nicht gehört. Und jetzt... ist er weg.“


Kapitel 5
Als Juliane am Montagabend nach Hause kam, war sie völlig erschöpft. Der Tag hatte sie ganz schön geschlaucht und jetzt wollte sie einfach nur noch entspannen, am besten mit einem guten Buch und einem schaumigen Vollbad.. Doch daraus sollte leider nichts werden. Schon als sie die Haustür gerade hinter sich geschlossen hatte, stürmte Susanne ganz aufgebracht auf sie zu.

„Jule, da bist du ja endlich!“ rief sie laut quiekend und Juliane kam es in dem Moment so vor, als ob sie eine leibhaftige Sirene vor sich hätte. „Wo warst du denn so lang?“
„Arbeiten“, erwiderte Juliane kurz und tonlos.

„Ach so. Na, umso besser, dass du jetzt da bist.“ Susanne schien überhaupt nicht zu bemerken, dass Juliane ziemlich kaputt und kurz angebunden war. „Du musst UNBEDINGT mitkommen. Du DARFST mich nicht im Stich lassen. Du bist meine LETZTE Hoffnung.“
„Momentchen mal“, beruhigte Juliane ihre wild gestikulierende Freundin, die augenblicklich verstummte und sie entgeistert ansah. „Darf ich vielleicht erst mal vernünftig reinkommen? Danke! Und dann bitte ganz entspannt der Reihe nach und vor allem nicht so laut: wobei bin ich deine letzte Hoffnung und warum überhaupt?“
Susanne lächelte zuckersüß. „Du musst mich heute abend begleiten. Bitteee!“ Das letzte Wort zog sie extrem in die Länge, wie sie es meistens tat, wenn sie etwas besonders betonen wollte. Pech für ihre Zuhörer, dass ihre Stimme dabei erst recht kieksig wurde.
„Susi!“ Juliane wurde langsam ungeduldig. Das hektische Gezappel und die Geheimniskrämerei von Susanne waren ihr momentan einfach zu viel.
„Was ist denn?“ fragte diese völlig entrüstet.

„Du raubst mir mit deinem Gehampel gerade den letzten Nerv. Und egal, worum es geht, ich werde dich heute Abend bestimmt nirgendwohin mehr begleiten“, erklärte Juliane bestimmt. Mit diesen Worten drängte sie sich an ihrer Freundin vorbei und ging in die Küche, in der Hoffnung, hier vor Susannes Bitte sicher zu sein. Doch da hatte sie sich gewaltig gettäuscht.

Susanne folgte ihr wie ein kleines, einfältiges Schoßhündchen. Enttäuscht stand sie im Türrahmen und zog eine Schnute. „Och Jule. Du kannst mich nicht im Stich lassen. Willst du dir nicht wenigstens mal anhören, worum es geht?“
Juliane seufzte tief und fest. „Okay, du lässt ja sonst doch keine Ruhe. Aber mach dir deswegen keine falschen Hoffnungen, ich bin wirklich total platt.“
„Ja ja“, wischte Susanne Julianes Satz mit einer schnellen Handbewegung beiseite. „Also, es geht um Leben und Tod.“
Juliane prustete. „Na klar, Susi. Das kennt man ja von dir. Lass mich raten: es geht um den ultimativen Typen?!“
„Bingo!“ Susanne strahlte wie ein Honigkuchenpferd. „Dieser Typ aus meiner Vorlesung, du weißt schon... Ich hab dir letztens von ihm erzählt.“ Juliane nickte, obwohl sie keine Ahnung hatte, von wem Susanne redete. Das war aber nichts Neues bei ihr. Ihre ganzen Männergeschichten konnte niemand mehr auseinander halten, außer ihr selbst natürlich. „Jedenfalls ist der heute Abend in diesem neuen Club, der vor zwei Wochen eröffnet hat. Hab ich zufällig mitgekriegt. Da ist heute ermäßigter Einlass für Studenten. Und das wäre meine absolut allerbeste Chance, ihn endlich auf mich aufmerksam zu machen.“
„Ist dir das bis jetzt etwa noch nicht gelungen?“ wollte Juliane überrascht wissen.
„Nein, leider nicht“, entgegnete Susanne enttäuscht.
„Dann gelingt dir das auch heute nicht“, entschied Juliane und wollte das Thema damit aus der Welt schaffen.

„Aber natürlich gelingt mir das. Ich werde heute umwerfend aussehen“, grinste Susanne. „Aber das geht nur, wenn du mitkommst.“
„Och Susi.“ Juliane konnte es nicht fassen, wie hartnäckig ihre Freundin sein konnte. „Geh doch mit Norma hin.“
„Die wollte ich ja fragen, aber sie ist nicht da“, seufzte Susanne. „Wahrscheinlich schläft sie heute mal wieder bei Mark. Und darum bist du jetzt meine letzte Hoffnung. Dir würde es außerdem auch gut tun, mal wieder ein bisschen feiern zu gehen.“ Susanne setzte das charmanteste Lächeln auf, das ihr hübsches Gesicht hergab, und Juliane wusste sofort, warum ihr so viele Männer erlagen. Sie verstand es einfach perfekt, mit ihren Reizen zu spielen und so unschuldig zu wirken, dass man ihr nichts abschlagen konnte.
Nach kurzem Zögern gab Juliane sich schließlich einen Ruck und meinte: „Okay, du alte Verführerin, ich komme mit. Aber wenn ich vor Müdigkeit tot umfalle, fahre ich sofort nach Hause.“

„Du bist die Beste“ jubelte Susanne lautstark und fiel ihrer Freundin stürmisch um den Hals. „Das werde ich dir nie vergessen, du hast auf jeden Fall was gut bei mir.“
„Ich werde dich bei Gelegenheit daran erinnern“, lachte Juliane, obwohl sie innerlich schon fast wieder bereute, dass sie zugesagt hatte.
Als sie wenig später frisch geduscht und umgezogen im Badezimmer vorm Spiegel stand und sich noch ein wenig hübsch machte, war dieses Gefühl des Bereuens noch nicht gewichen. Ihre Lider fühlten sich schon etwas schwer an und eigentlich stand ihr überhaupt nicht der Sinn nach lauter Musik und ausgelassenen Menschen. Aber jetzt hatte sie Susanne fest zugesagt und ein Rückzieher wäre für ihre Freundin ziemlich enttäuschend gewesen. Außerdem konnte sie ja jederzeit nach Hause fahren, falls es wirklich nicht mehr gehen sollte.

„Wird schon nicht so schlimm werden“, sagte sie zu sich selbst und grinste ihrem schulterzuckenden Spiegelbild aufmunternd zu.
Gegen 21.45 Uhr betraten die beiden Freundinnen den neuen Club und Juliane wusste sofort, dass dieser überhaupt nicht ihr Fall war. Die Musik war laut und schnell, die Lichter neonbunt und das Ambiente schrill und überdreht. Hier konnte man es wahrscheinlich nur aushalten, wenn man irgendwelche Pillen schmiss oder einen über den Durst trank. Ersteres war für sie uninteressant und letzteres kam heute nicht in Frage, da sie schließlich mit dem Auto dort war.
Im Gegensatz zu ihr schien Susanne sich allerdings sofort pudelwohl zu fühlen. Ihr entfuhr ein begeistertes „wow“ und dann ein spitzes „klasse“. Anschließend suchten ihre Augen innerhalb von Sekunden den ganzen Raum ab, wie bei einer Raubkatze, die auf der Suche nach neuer Beute war. Plötzlich blieb ihr Blick an einer bestimmten Stelle hängen und sie griff mit ihren langen Fingernägeln nach Julianes Arm.
„Da“, stieß sie aus. „Da drüben ist er.“

Juliane folgte Susannes Blick und ignorierte gutmütig die Schmerzen, welche die spitz gefeilten Nägel verursachten, die sich in ihre Haut bohrten. Schließlich entdeckte sie einen braungebrannten, jungen Mann mit langen, dunklen Haaren. Er trug ein halboffenes Hemd zu einer weißen, recht engen Hose und stand ein wenig abseits der Tanzfläche. „DAS ist dein Traumtyp?!“ fragte sie ungläubig.
„Ja“, hauchte Susanne verträumt. „Ist er nicht einfach himmlisch?“ Sie hatte Julianes abwertenden Unterton gar nicht wahrgenommen.
„Na ja“, erwiderte diese leise. Sie wollte ihrer Freundin auf keinen Fall die Freude an diesem Mann nehmen. Auch wenn er überhaupt nicht ihrem Bild von einem Traumtypen entsprach, Geschmäcker waren ja glücklicherweise verschieden und dass dies bei ihr und Susanne zutraf, war schon lange kein Geheimnis mehr.
Nachdem Susanne sich wieder gefasst hatte, zog sie Juliane an die Bar und bestellte sich etwas. „Ich muss erst was trinken, bevor ich meinen Angriff starte.“ erklärte sie. „Meine Kehle ist total trocken.“ Juliane gesellte sich zu ihr und bestellte eine Cola.

Die beiden nippten eine Zeit lang genüßlich an ihren Getränken und Susanne ließ ihren Traumprinzen dabei nicht aus den Augen. Nach einiger Zeit meinte sie: „Wir müssen jetzt tanzen. Mit meinem Hüftschwung werde ich ihn in meinen Bann ziehen.“
„Alles klar“, willigte Juliane ein. Die Musik war zwar scheußlich, aber irgendwie musste sie aus dem Abend ja das Beste machen und beim Tanzen mit Susanne konnte man eine Menge Spaß haben. Außerdem tanzte sie selbst für ihr Leben gern.

So begaben sich die Freundinnen auf die Tanzfläche. Hier war Susanne ganz in ihrem Element: gekonnt bewegte sie sich zum Rhythmus, ließ ihre Hüften kreisen und sah einfach bezaubernd aus. Juliane bemerkte bereits die ersten Blicke einiger umstehender Männer und sie konnte es ihnen nicht verdenken. Ihre Freundin war wirklich ein Blickfang mit den langen, dünnen Beinen, die in schwarzen Stiefeln steckten, dem kurzen Jeansrock, dem kecken Ausschnitt und den verführerischen kirschroten Lippen.
„Er schaut schon rüber“, flüsterte Susanne ihr nach kurzer Zeit fröhlich zu.
„Na, dann zeig mal, was du kannst“, feuerte Juliane sie an und das ließ Susanne sich nicht zweimal sagen.

Ihre Blicke wanderten immer wieder zu dem jungen Mann herüber und nagelten die seinen geradezu fest. Beim dritten Blickkontakt lächelte sie ihn herausfordernd an und schaute danach unschuldig zu Boden. Das hatte gefruchtet.

Keine Minute später stand er neben Susanne und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Diese nickte ihn strahlend an und warf Juliane einen vielsagenden Blick zu. Der Typ bemerkte sie daraufhin anscheinend, denn er drehte sich zu ihr um und lächelte sie an.
„Hallo“, rief er ihr zu, um die laute Musik zu übertönen.
„Hallo“, grüßte Juliane freundlich zurück.

Dann kam er näher auf sie zu, um nicht ganz so laut sprechen zu müssen, und meinte: „Hi, ich bin Alessandro. Ich habe deine Freundin gerade auf einen Drink eingeladen und bevor wir dich hier ganz allein stehen lassen, würde ich dich auch gern einladen.“
Juliane winkte lächelnd ab. „Nein danke. Das ist sehr nett, aber ich möchte lieber noch etwas tanzen.“ Das stimmte zwar nicht so ganz, aber natürlich wollte sie Susanne mit ihrer Eroberung nicht stören
„Alles klar. Ich hoffe, du bist mir nicht böse, wenn ich deine Freundin für eine Weile entführe“, antwortete der braungebrannte Schönling, aber er wartete Julianes Antwort gar nicht mehr ab, sondern schnappte sich Susanne und verschwand mit ihr an der Bar.
Juliane blickte ihnen etwas wehmütig hinterher. Susanne hatte ihr Ziel erreicht und nun stand sie selbst ganz allein auf der Tanzfläche in diesem miesen Club und tanzte zu noch viel mieserer Musik. Ihre Freundin würde sie so schnell nicht wiedersehen, denn wenn diese einmal ein Opfer gefunden hatte, dann ließ sie es solange nicht los, bis sie all das bekommen hatte, was sie von ihm wollte. Und bei Alessandro konnte das bis zum Morgengrauen dauern, wenn sie Susannes Interesse an ihm richtig einschätzte.
Mit einem Blick auf die Uhr beschloss Juliane schließlich, sich auf den Heimweg zu machen. Susanne würde diese Nacht schon nicht allein unterwegs sein, da brauchte sie sich keine Gedanken zu machen. Und was sollte sie selbst noch hier? Sie hatte ihren Zweck erfüllt, Susanne war glücklich und die Müdigkeit kroch plötzlich merklich in ihr hoch. Also ging sie noch einmal schnell zur Toilette und begab sich dann zum Ausgang.
Vor dem Club war nicht viel los. Mit raschen Schritten lief Juliane zum Auto. Der Weg zum Parkplatz war glücklicherweise nicht weit und recht gut ausgeleuchtet. Draußen war es ein wenig kühl, aber sehr schön. Die Nacht war sternenklar und hell.

Juliane blieb kurz stehen und beobachtete die glühenden Punkte am Firmament. Die Natur faszinierte sie immer wieder und ließ oft ein unerklärliches, fast grenzenloses Gefühl des Glücks in ihr entstehen. Und auch jetzt wurde ihr erneut bewusst, wie zufrieden sie mit ihrem Leben war. Alles lief so, wie sie es sich immer erhofft hatte. Natürlich hatte sie auch stets dafür kämpfen müssen, aber diesen manchmal sehr hohen Preis hatte sie jedes Mal bereitwillig in Kauf genommen. Und schon bald würde sie dafür reich entlohnt werden. Mit einem erfolgreichen Abschluss standen ihr sämtliche Wege offen, und dass dieser Abschluss erfolgreich sein würde, dessen war sie sich ziemlich sicher.

Mit sich und der Welt rundum zufrieden, begab sich Juliane schließlich auf den Rest des Wegs zum Auto. Doch wenige Meter vorm Ziel blieb sie plötzlich wie angewurzelt stehen. Auf der anderen Straßenseite lief jemand... jemand, der ihr sehr bekannt vorkam... mit blonden Haaren... das konnte doch nur... Felix! Ihre Gedanken überschlugen sich fast. Den merkwürdigen Besucher von gestern hatte sie durch den Stress des Tages total vergessen. Aber jetzt fiel ihr alles siedendheiß wieder ein. Was sollte sie tun? Unschlüssig blieb sie erst einige Sekunden wie vom Donner gerührt stehen. Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Aber dann siegte schlussendlich ihre Neugier. Sie hatte nicht damit gerechnet, ihn so schnell wiederzusehen und diese Gelegenheit musste sie nun beim Schopf packen. Wie von der Tarantel gestochen rannte sie los und überquerte die Straße.

„Felix!“ rief sie und fuchtelte wie verrückt in der Gegend herum. Die Autoschlüssel in ihrer Hand klirrten laut, aber er schien sie nicht gehört zu haben, denn er lief unbeirrt weiter. „Felix!“ rief sie erneut, diesmal noch kräftiger. Doch auch jetzt verhallte ihr Rufen im Nichts. Dann sah sie, wie er in ein Auto einstieg, das am Straßenrand stand und auf dessen Fahrersitz wohl jemand saß, der auf ihn gewartet hatte, denn sobald er die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, brauste das Auto davon.
Fassungslos blieb Juliane stehen und sah dem Auto nach. Ihr Atem war schnell und kurz und verwandelte sich in weiße, neblige Schwader, sobald er aus ihrem Mund austrat. Sie zitterte am ganzen Körper, obwohl ihr eigentlich nicht kalt war. „Felix...“, murmelte sie noch ein Mal, ließ langsam die Hand sinken und fühlte sich plötzlich so leer wie noch nie.

Völlig einsam stand sie mitten auf der verlassenen Straße und in ihr machte sich eine große Enttäuschung breit, die ihren ganzen Körper erfüllte und die sie sich nicht erklären konnte. „Er hat mich nicht gehört“, schoss es ihr durch den Kopf. „Er hat mich nicht gehört. Und jetzt... ist er weg.“
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