So, es geht endlich weiter. Das Kapitel ist nicht das allerlängste und es passiert auch nicht allzu viel, aber es ist trotzdem wichtig für den Verlauf der Story. Sorry, dass es so lang gedauert hat, aber ich hab momentan aus verschiedenen Gründen nicht allzu viel Zeit. Viel Spaß dann beim Lesen.
[FONT=Times New Roman, serif]Kapitel 10[/FONT]
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Ein rothaariger Strubbelkopf kam auf Juliane zugerannt, wedelte mit den Armen und kreischte ausgelassen: „Juuuuläääää!“ Zwei Sekunden später lagen Hanna und Juliane sich in den Armen. Es tat so gut, die allerbeste Freundin wiederzusehen. Auch wenn der Kontakt nicht mehr so regelmäßig war, verband die beiden doch eine ganze Menge und sobald sie sich trafen, war es, als hätte es nie eine Zeit ohne einander gegeben.[/FONT]
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Hanna war für Juliane wie ein Zwilling im Geiste. Sie verstanden sich beinah blind und Juliane hatte oft das Gefühl, dass Hanna in die tiefsten Abgründe ihrer Seele blicken konnte, ohne dass sie je etwas dazu sagen musste. Vor ihr konnte sie nichts verstecken. Dies war aber auch gar nicht nötig, denn vor Hanna musste Juliane sich nicht verstellen. Sie konnte genau so sein, wie sie war, konnte alles erzählen und musste nie Angst haben, nicht ernst genommen zu werden.[/FONT]
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Nach einer Weile löste Juliane sich aus Hannas Umarmung und betrachtete ihre Freundin. „Gut siehst du aus“, lobte sie.[/FONT]
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Hanna musterte Juliane mit einem kritischen Blick, zog eine Augenbraue hoch und ließ dann schließlich ihre Mundwinkel in die Höhe schnellen. „Du siehst nicht nur gut aus... Nein, du siehst blendend aus. Besser als je zuvor. Lass dich noch mal drücken.“[/FONT]
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Während Juliane sich erneut in den Armen ihrer Freundin befand, musste sie innerlich lachen. Hanna war ein entwaffnend ehrlicher und fröhlicher Mensch. Sie hatte fast immer gute Laune und sagte meist gerade heraus, was sie dachte. Juliane selbst war da ein wenig anders. Ihr fiel es oft schwer, ihre Gedanken in Worte zu fassen. Oft hielt sie sich lieber zurück, besonders dann, wenn es um ihre eigenen, innersten Gefühle ging.[/FONT]
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Nachdem die recht theatralische Begrüßung zum Ende gekommen war, machten Juliane und Hanna sich auf den Weg in ihr Lieblingscafé und bestellten Kuchen. Sie quatschten eine Weile über Uni, Freunde und Partys, bis Hanna plötzlich meinte: „Erzählst du mir jetzt endlich von deinem neuen Freund?“[/FONT]
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Juliane verschluckte sich und hustete kräftig. Dann fragte sie: „Was? Neuer Freund... woher weißt du...?“[/FONT]
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Ach Jule“, lachte Hanna, „ich kenn dich doch. Du siehst verliebt aus. Und ich bin schon fast persönlich beleidigt, dass du ihn nicht direkt als allererstes erwähnt hast.“[/FONT]
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Das tut mir Leid. Ich wollte halt austesten, ob deine hellseherischen Fähigkeiten noch intakt sind“, entgegnete Juliane.[/FONT]
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Aus deiner Antwort schließe ich, dass sie es noch sind.“[/FONT]
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Ja, das stimmt wohl.“ Juliane trank einen Schluck Tee. „Vor dir kann man auch einfach nichts verbergen.“[/FONT]
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Ich weiß. Aber jetzt spann mich nicht so auf die Folter. Erzähl schon.“ Hanna sah Juliane neugierig an und diese fragte sich, warum ihre Freundin die wunderschönen, dunkelbraunen Kulleraugen bloß immer hinter dieser stylischen Hornbrille verstecken musste. Aber das war eben Hanna. Sie war so eine moderne Hippie-Tante, die Röcke über Hosen trug, jeden Tag vor einem Meer von Kerzen meditierte, Bücher über die Kraft der Edelsteine las und wenigstens einmal pro Woche den gesamten Müll ihrer WG akribisch durchforstete und sortierte, damit bloß nichts in der falschen Tonne landete.[/FONT]
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Also“, setzte Juliane an. „Er heißt Leon und ich hab ihn bei der Arbeit in der Bücherei kennen gelernt.“[/FONT]
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Wie sieht er aus?“ fragte Hanna zwischen zwei Gabeln Kuchen.[/FONT]
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Gut natürlich. Braune Haare, wunderbare blaue Augen und sportlich.“ schwärmte Juliane.[/FONT]
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Und seit wann seid ihr zusammen?“ war die nächste Frage.[/FONT]
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Seit Mittwoch.“[/FONT]
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Es folgte ein lang gezogenes „aaaaach“. Juliane sah Hanna verwirrt an. „Was bedeutet dieses aaaaach?!“[/FONT]
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Hanna schluckte ein Stückchen Kuchen hinunter. „Das bedeutet, dass das ja noch ganz frisch ist mit euch beiden. Dann kannst du mir die wichtigen Sachen ja noch gar nicht erzählen.“[/FONT]
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Was für wichtige Sachen?“[/FONT]
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Wie er zum Beispiel im Bett ist“, antwortete Hanna so laut, dass Juliane augenblicklich dachte, sämtliche Blicke der Anwesenden seien auf ihren Tisch gerichtet.[/FONT]
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Pssst“, zischte sie.“[/FONT]
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Was denn?“ Hanna sah sie entgeistert an. „Stell dich nicht so an, das hat schon keiner gehört. Und selbst wenn, ist doch auch egal. Wir sind auch nur Frauen.“ Sie grinste verschmitzt.[/FONT]
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Juliane lachte. „Hätte ich mir ja denken können, dass dich seine liebhaberischen Fähigkeiten als erstes interessieren. Du alte Nymphomanin.“[/FONT]
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Ey“, stieß Hanna sie empört an. „Du weißt, dass das nicht wahr ist. Ich glaube, das trifft wohl eher auf deine Freundin Susanne zu.“[/FONT]
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Ja, wahrscheinlich.“ Juliane machte eine kurze Pause und starrte in ihre mittlerweile leere Teetasse. Gedankenverloren rührte sie eine Weile darin herum, bis sie schließlich fast flüsterte: „Ich hab schon mit ihm geschlafen.“[/FONT]
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Hannas Augen wurden noch größer als sie eh schon waren. „Bitte?“[/FONT]
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Du hast mich schon verstanden.“[/FONT]
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Ja, das hab ich“, erwiderte sie. „Aber ich bin mir nicht sicher, ob du mich gerade veräppelst oder nicht.“[/FONT]
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Juliane schüttelte den Kopf. „Seh ich so aus?“[/FONT]
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Hanna stimmte in das Kopfschütteln ein. „Nein, das tust du nicht. Trotzdem bin ich irritiert. Wann ist das denn passiert? Du bist doch seit gestern hier, also muss es ja vorher gewesen sein, Mittwoch, Donnerstag oder Freitag. Und korrigiere mich bitte, wenn ich falsch liege, aber das ist doch für dich sehr flott. So kenn ich dich sonst nicht.“[/FONT]
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Es ist gestern passiert.“ Julianes Stimme hatte wieder etwas an Volumen gewonnen.[/FONT]
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Gestern? Wie ist das möglich?“[/FONT]
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Ach Hanna, er ist hier. So ist das möglich.“[/FONT]
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Oh Mann“, seufzte Hanna und rückte ihre Brille mit einem Stirnrunzeln zurecht. „Er ist also mitgekommen. Na, du hast es aber ganz schön eilig.“ Sie schwieg kurz und musterte Juliane eindringlich. Diese sah immer noch in ihre Tasse und wagte nicht, ihre Freundin anzusehen, aber sie spürte den bohrenden Blick überall auf ihrem Körper. Schließlich fragte Hanna scharf: „Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist? Du verheimlichst mir doch was.“[/FONT]
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Juliane zuckte zusammen. Unweigerlich sank sie weiter in den Stuhl hinein. „Was sollte ich dir denn verheimlichen?“[/FONT]
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Das wüsste ich gerne von dir. Aber eins kann ich dir sagen: du hast es noch nie so eilig gehabt, mit einem Typen ins Bett zu steigen geschweige denn, ihn deinen Eltern vorzustellen. Entweder hat es dich echt getroffen wie ein Blitz oder du läufst vor irgendwas davon.“ erklärte Hanna bestimmt.[/FONT]
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Juliane seufzte. Ohne lang zu überlegen, sprach sie schließlich das aus, was ihr als erstes in den Sinn kam: „Ich hab Felix wiedergetroffen.“ Anschließend wandte sie endlich den Blick von ihrer leeren Tasse und sah Hanna vorsichtig an.[/FONT]
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Dieser stand der Mund ein wenig offen. Sie brauchte ein paar Sekunden, bis sie schließlich murmelte: „Felix? Dann ist mir alles klar...“[/FONT]
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Juliane richtete sich rasch auf. „Was? Was ist dir klar?“ Ihre Stimme wurde lauter.[/FONT]
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Nichts“; wehrte Hanna ab. „Reg dich nicht auf. Lass uns bezahlen und noch ein wenig bummeln gehen.“[/FONT]
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Dagegen hatte Juliane nichts einzuwenden. Aus einem ihr unerfindlichen Grund fürchtete sie sich vor weiteren Fragen Hannas und wollte diesen möglichst entgehen. Die Freundinnen bezahlten also und schlenderten dann gemütlich durch die Innenstadt. Sie betrachteten die neue Sommermode in den Schaufenstern, die sie leider nicht anprobieren konnten, da heute Sonntag war. Zum Glück war es aber wieder etwas wärmer geworden, sodass beim Betrachten der bunten Tops und wallenden Röcke tatsächlich ein leichtes Sommergefühl aufkam.[/FONT]
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Hanna war die ganze Zeit erstaunlich ruhig. Sie stellte keine weiteren Fragen zu Leon oder Felix, sondern beäugte interessiert gebatikte Tuniken und flatterige Rüschenröcke. Juliane warf ihr immer wieder einen zweifelnden Blick von der Seite zu, weil sie befürchtete, dass jeden Moment ein ganzes Gewitter voller Fragen auf sie hereinbrechen würde. Aber dem war nicht so.[/FONT]
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Gegen Nachmittag wurde es für Juliane und Hanna schließlich Zeit, sich zu verabschieden. Juliane wollte ihre Freundin gerade in den Arm nehmen, als diese sie mit einer Hand zurückhielt und sie erneut mit diesem eindringlichen Blick musterte.[/FONT]
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Jule“, meinte sie ernst, „ich kenn Leon nicht und ich weiß nicht, wo, wie und wann du Felix getroffen hast. Aber ich weiß, dass dich irgendwas zu beschäftigen scheint und ich bin mir sicher, es hat was mit Felix zu tun. Willst du darüber reden?“[/FONT]
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Juliane konnte Hannas Blick nicht standhalten. Wie ein kleines Kind, das bei etwas Verbotenem erwischt worden war, sah sie auf den Boden. „Ich weiß nicht genau...“ flüsterte sie unentschlossen.[/FONT]
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Läuft da was mit Felix?“ wollte Hanna wissen.[/FONT]
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Um Gottes Willen, nein“, antwortete Juliane rasch. Sie drückte mit den Schuhsohlen ein kleines Steinchen in die Ritze zwischen zwei Pflastersteinen.[/FONT]
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Warum siehst du mich nicht an, wenn du das sagst?“ Hannas Stimme bekam erneut diesen scharfen Ton.[/FONT]
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Nun hob Juliane ihren Blick. Sie sah ihrer Freundin fest in die Augen, sodass sie glaubte, ihre eigenen müssten jeden Moment aus ihrem Kopf herausspringen. „Da läuft nichts mit Felix, das kannst du mir glauben“, sagte sie bestimmt. Dann seufzte sie und hob die Arme dramatisch Richtung Himmel. „Herrgott, ich kenn ihn doch gar nicht mehr.“[/FONT]
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Trotzdem beschäftigt er dich“, stellte Hanna nüchtern fest.[/FONT]
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Mag sein. Aber ich hab gerade einen wunderbaren Mann kennen gelernt, der lieb, zärtlich und zuvorkommend ist. Er versteht mich und hört mir zu, er mag meine Familie und unterstützt mich in meinem Studium.“[/FONT]
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Du redest von ihm, als würdest du ihn schon ewig kennen.“[/FONT]
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Juliane schnaufte. „Ich habe auch das Gefühl, als ob ich ihn schon ewig kennen würde.“[/FONT]
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Hannas Gesichtsausdruck wurde sanfter. „Es freut mich ehrlich für dich, wenn du so einen tollen Freund gefunden hast und glücklich mit ihm bist. Aber trotzdem kenne ich dich zu gut. Du fliehst vor deinen wahren Gefühlen, darum läuft das mit Leon alles so schnell.“[/FONT]
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Jetzt wurde Juliane wütend. Erregt stemmte sie die Hände in die Hüften. „Was redest du denn da für einen Blödsinn?“ fuhr sie Hanna an. „Du hast doch gerade selbst gesagt, dass du nicht weißt, wann, wie und wo ich Felix getroffen hab. Also kannst du auch gar nicht wissen, was ich angeblich für ihn empfinde. Und ich lasse mir von dir nichts andichten. Ich hab Leon und damit basta.“[/FONT]
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Ist ja schon gut“, versuchte Hanna sie zu besänftigen.[/FONT]
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Aber in Juliane brodelte es. Sie hatte mal wieder einen ihrer Temperamentsausbrüche. „Nichts ist gut“, tobte sie weiter. „Warum lässt du mich nicht damit in Ruhe? Warum glaubst du mir nicht einfach, dass mit Leon alles super läuft und dass ich glücklich bin? Ich hab mich so gefreut, dich wiederzusehen, aber das hast du gehörig versaut. Vielen Dank auch.“ Mit diesen Worten machte sie auf dem Absatz kehrt und ließ Hanna stehen.[/FONT]
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Mensch Jule“, rief diese hinter ihr her. „Jetzt sei doch nicht gleich eingeschnappt.“ Aber Juliane reagierte nicht. Sie lief einfach weiter. Irgendwie nahm sie noch wahr, dass Hanna etwas von „es tut mir Leid“ und „ruf mich an“ brüllte, bevor die Tränen aus ihren Augen schossen. Es waren Tränen der Wut und der Hilflosigkeit.[/FONT]
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Nach wenigen Schritten erreichte Juliane den kleinen Margaretenpark. Sie ließ sich auf eine Bank fallen und wurde von heftigen Schluchzern geschüttelt. In ihrem Kopf drehte sich alles.[/FONT]
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Verzweifelt schlug sie die Hände vors Gesicht. „Was ist denn los mit mir?“ fluchte sie leise. Nicht nur, dass die Gedanken an Felix sie nicht losließen, jetzt hatte sie sich auch noch mit Hanna gestritten. „Sowas Bescheuertes“, fluchte sie erneut und stampfte wütend mit dem rechten Fuß auf dem Boden auf. Ein wenig Dreck wurde aufgewirbelt und ein kleines Blatt erhob sich in die Lüfte, um ein paar Zentimeter durch selbige zu fliegen. Juliane schaute abwesend zu, wie es sanft wieder auf dem Boden landete.[/FONT]
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Dann wischte sie mit dem Ärmel ihre Tränen weg. „Felix...“, dachte sie betrübt. „Felix Jansen, du verdammter Idiot.“[/FONT]